Daniela ist dran: "Karo", ruft sie. Sie und ihre drei Mitspielerinnen legen los. Wer bei dieser Hand Danielas Spielpartnerin ist, soll sich in den nächsten Minuten zeigen. Dann, wenn eine der Frauen den Karo-König ausspielt. Die vier beäugen sich, warten, taktieren, freuen sich über ihre Stiche. Sie sprechen Vermutungen aus, mit wem sie vielleicht zusammenarbeiten. Doch es passiert nicht. Der König mit dem roten Viereck fällt nicht. Runde für Runde vergeht, die Karten auf der Hand werden weniger. "Hast du ihn selber?", fragt Regine schließlich Daniela. Hat sie. Anfängerinnenfehler. Alle lachen. Es wird neu gemischt. Zum Glück geht es um nichts.

Daniela und Michaela wollen sich beim Tarock verbessern.
Heribert Corn

Zumindest heute. Die Frauen an dem Tisch haben sich an diesem Vormittag gerade erst kennengelernt. Jetzt sind sie eine Tarockrunde. Vier Spielerinnen sind dafür notwendig, man kann aber auch zu fünft spielen – dann muss immer eine Person aussetzen. Gerade ist das Monika. Das stört sie aber nicht. Wegen ihres Gipsarms kann sie die Karten sowieso nicht so gut halten. Aber man lernt ja auch beim Zusehen. Und genau darum geht in der Wiener Urania.

Im Schnupperkurs der Volkshochschule sollen die Basics des Tarockspielens vorgestellt werden. Es ist die erste von drei Einheiten zu je zwei Stunden. Wegen des regen Interesses startet nach dem Ende des ersten Lehrgangs gleich der nächste. Weitere Termine gibt es sowohl für Anfängerinnen und Anfänger als auch für Fortgeschrittene.

Frauen in Männerdomänen

Tarock hat in Österreich eine lange Tradition. Das erste Buch dazu soll im Jahr 1756 erschienen sein. Doch während man früher immer wieder Menschen beim Tarockieren in Wirtshäusern gesehen hat, scheint es heute fast verschwunden. "Tarock war nie ein Massenspiel. Es erfordert schließlich relativ viel Hirnschmalz. Viele wollen sich beim Spielen entspannen, indem sie locker lassen", sagt Elisabeth Pechmann. Sie spielt seit ihren Teenagerjahren. Pechmann findet, jede Frau sollte tarockieren. "Kartenspiele wie Tarock schulen Eigenschaften, die man im Leben gut gebrauchen kann", sagt sie. "Mit einem Tarockblatt muss man einiges machen: das Potenzial einschätzen, das Risiko evaluieren und managen. Man muss das Umfeld mitbedenken und in der Lage sein, subtile Signale des Spiels zu verstehen, zu senden, aber auch mit wechselnden Allianzen zurechtzukommen – das alles braucht man auch im realen Leben."

Elisabeth Pechmann (links) und Doris Zametzer (rechts) veranstalten das erste Wiener Tarockturnier nur für Frauen. Beim Schnupperkurs in der Volkshochschule Urania werden die Basics erlernt.
Heribert Corn

Doris Zametzer spielt erst seit einem Jahr Tarock. 2019 hat sie die Direktion der im Jahr 1910 eröffneten Urania übernommen. Dass es so lange gedauert hat, bis eine Frau an der Spitze steht, sei auch einer der Gründe für sie gewesen, einen Frauenschwerpunkt zu legen: "Ich positioniere die Urania als Haus der Frauen – mit sehr vielen gesellschaftspolitisch wichtigen Themen. Aber wir machen immer wieder etwas mit Humor und einem Augenzwinkern, wo wir auch in Männerdomänen eindringen wollen." Und so entstand die Idee – gemeinsam mit Pechmann: Am Samstag, dem 2. März, wenige Tage vor dem internationalen Frauentag, findet in der einstigen Sternwarte das erste Wiener Tarockturnier nur für Frauen statt. Mit 120 Teilnehmerinnen ist die Veranstaltung "Damen rufen Könige" bereits voll ausgebucht.

Tarock ist Trupf.
Heribert Corn

Gespielt wird Tarock mit den französischen Kartenfarben – Herz, Karo, Pik und Treff. Dazu kommen Trümpfe mit römischen Zahlen von I bis XXI, die mit unterschiedlichen Motiven versehen sind. Die höchste Karte hat hingegen keine Farbe oder Zahl. Nur einen Namen: der "Gstieß". Wobei das wiederum nur hierzulande der Name ist. Die Karte mit dem Narrenmotiv wird im Französischen eigentlich "l’excuse", im Englischen "excuse" genannt – was sich zum deutschen Namen "Sküs" entwickelt hat und in Mundart endete. Doch nicht nur über die Bezeichnungen der Karten, auch über die Regeln des Tarockierens kann diskutiert werden. Die jeweiligen Bundesländer haben ihre eigenen Konventionen und Rituale. Darüber, dass mit 54 Karten gespielt und beim Königrufen die Mitspielerin durch das Nennen einer der vier Farben gefunden wird, ist man sich aber einig.

"Ich finde es schade, dass in der heutigen Zeit solche Spiele oft verlorengehen", sagt Michaela: "Diese Tradition, das Tarockieren, sollte nicht vergessen werden." Michaela spielt zum ersten Mal die Variante Königrufen. Etwas tarockieren kann sie aber schon: Ihr Spiel ist das 20er-Rufen – eine Art, die etwas weniger komplex ist. Nun will sie sich steigern. Und vor allem auch: andere Interessierte kennenlernen. Auch Daniela ist auf der Suche: "Mein Mann spielt jeden Dienstag, das ist aber eine Männerrunde, ich will meine eigene Gruppe."

Wenige Frauen in Vereinen

Frauen seien viel weniger in Vereinen oder Tarockklubs organisiert, sondern würden viel mehr im Privaten spielen. "Nachdem das Frauentarockieren kaum im öffentlichen Raum stattfindet, hat man auch kaum Chancen, jemanden kennenzulernen", erklärt Pechmann. Ein Ziel des Turniers sei es auch, dass sich die Frauen dort finden könnten, um eigene Runden zu gründen.

Ein Grund für die mangelnde Sichtbarkeit von Frauen beim Tarock und ähnlichen Traditionsspielen sei auch die unsichtbare, unbezahlte Care-Arbeit, die zu einem großen Teil an den Frauen hängenbleibe – etwa Kinderbetreuung oder die Pflege von Angehörigen. Da könne man nicht nebenbei im Kaffeehaus Karten spielen, sondern sei oft ans eigene Wohnzimmer gebunden. Das sehe man auch in der Besucherstruktur der Volkshochschulen. Circa 70 Prozent der Teilnehmenden sind Frauen. "Die Kohorte, die am meisten bei uns bucht, ist zwischen 35 und 45 Jahren alt", sagt Zametzer. "Frauen kommen oft dann in die Volkshochschulen, wenn es Lebensumbrüche gibt – wenn sie wieder Zeit für sich haben." Der große Vorteil der Volkshochschulen: Dort würden Menschen aufeinandertreffen, die sich zur gleichen Zeit für dieselben Dinge interessierten, sagt Zametzer – vom Englischkurs bis eben zum Tarock.

Manche Frauen Suchen auch eine neue Tarockrunde.
Heribert Corn

Eine Runde zum Spielen suchen auch die Frauen an diesem Tisch. Regine etwa kann zwar schon etwas spielen und hilft ihren Sitznachbarinnen. Ihre Tarockgruppe hat sie allerdings verlassen. Am Ende sei es anstrengender gewesen, als dass es Spaß gemacht habe. Daniela sucht auch, hat aber zudem andere Pläne: "Ich sehe zum Beispiel immer Leute im Gänsehäufel, die spielen. Da kann man nicht einfach einsteigen. Ich will jetzt Tarock lernen, und im nächsten Sommer kann ich dann mitspielen." Wobei: Bis man wirklich Tarock spielen kann, so heißt es zumindest, braucht man jedenfalls drei Jahre Übung. Das wissen die Frauen. Es schreckt sie aber nicht ab. "Das ist wie bei einem Musikinstrument, das braucht Zeit", sagt Michaela. (Oona Kroisleitner, 29.2.2024)