Wien – Es waren kurze Gastspiele. Der polnische Diskonter Pepco mischte in Österreichs Handel weniger als drei Jahre mit, ehe er die Reißleine zog und dieser Tage Insolvenz anmeldete. Zuvor hatte die Schuhkette CCC nach acht Jahren am Markt den Rückzug angetreten. Nicht länger hielt sich My Shoes. Die Deichmann-Tochter gibt sämtliche Filialen in Österreich auf. Ein Teil der 29 Märkte hat noch geöffnet, spätestens im Dezember ist der Einzelhändler Geschichte.

In den vergangenen drei Jahren schlossen rund 390 Filialen großer Handelsketten infolge einer Insolvenz. Auf dem Markt werden die Karten neu gemischt.
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Hauseigentümer suchen quer durch die Branchen neue Mieter. Die Preise für viele Standorte sinken, ein Gutteil der Handelsmieten ist bereits umsatzabhängig. Diskontriesen wie Action, die sich Einkaufszentren gern als neue Frequenzbringer andienen, zahlen dafür pro Quadratmeter vielerorts kaum mehr als zehn Euro. Zum Vergleich: Fachhändler müssen auf kleiner Fläche dafür nicht selten 120 Euro aufbringen.

Lücken, die sich auftun, ziehen neue Anbieter an, die trotz des rauen Umfelds ihr Glück versuchen. Einer davon ist Mass, erfuhr DER STANDARD. Er verhandle mit zahlreichen Shoppingcenterbetreibern, bestätigt Gerald Zimmermann. Der frühere CCC-Manager führt künftig die Geschäfte von Mass in Österreich. Die ersten drei Eröffnungen seien im Herbst geplant. Langfristig hält er hierzulande 20 bis 30 Filialen für realistisch.

Gekommen, um zu bleiben?

Mass ist seit mehr als 30 Jahren in Familienhand und betreibt in Slowenien wie Kroatien 50 Märkte. Verkauft werden Markenschuhe für die gehobene Mittelklasse. Der Start in Österreich sei kein Testlauf, sagt Zimmermann. Mass sei gekommen, um zu bleiben. Das Unternehmen sei bei der Wahl der Standorte vorsichtig, bleibe bei den Kostenstrukturen schlank und peile auf 600 bis 700 Quadratmetern ausschließlich Toplagen an. Warum soll Mass gelingen, woran andere scheiterten? "Das richtige Konzept am richtigen Ort mit der richtigen Mannschaft funktioniert", gibt sich Zimmermann zuversichtlich.

An Konkurrenz wird es nicht fehlen. Im März will der Hamburger Investor Bolko Kissling die Marke Görtz wiederbeleben. Acht Pop-up-Stores werden dafür in permanente Geschäfte umgewandelt. Görtz war Ende 2022 in Konkurs geschlittert. Kissling schweben neue Vertriebsformen vor, die Handel mit Dienstleistungen und Onlineangeboten verknüpfen. Nachbarschaftsläden und Lounges nennt er diese. Ob die Idee aufgehen kann, ist in der Branche umstritten.

Auf der Überholspur ist On. Der Schweizer Laufschuhspezialist will 2025 wie berichtet erste eigene stationäre Märkte in Österreich eröffnen. Im Gegenzug wird die Partnerschaft mit Händlern wie Humanic gekappt. Humanic-Eigentümer Leder & Schuh wiederum holte im Vorjahr die Marke Delka unter sein Dach. Diese werde als Eigenmarke geführt, mutmaßen Marktkenner. Leder & Schuh ließ zuletzt wissen, in der Phase der Konzeptionierung zu sein.

Zähne statt Schuhe

Zähne statt Mode soll es künftig in der Wiener Kärntner Straße geben. Wie DER STANDARD erfuhr, will sich Dr. Smile in eine Filiale einmieten, in der einst das deutsche Traditionsunternehmen Salamander Schuhe verkaufte. Das deutsche Start-up hat sich auf ästhetische Zahnmedizin spezialisiert. Von seiner eigenen Zunft misstrauisch beäugt, geriet der Anbieter von Zahnregulierungen wiederholt ins Visier der Konsumentenschützer.

Im März wolle sich Dr. Smile in Wien von seiner besten Seite zeigen, erzählen Immobilienexperten. Das Unternehmen selbst reagierte auf Anfragen rund um den geplanten Sprung in die Innenstadt bisher nicht.

Uhren statt Souvenirs

Nägel mit Köpfen im Herzen Wiens macht Swatch, ist aus der Branche zu hören. Der Schweizer Uhrenhersteller wandle seinen Pop-up-Store in der Kärntner Straße in ein permanentes Geschäft um. Mit seiner Tochter Tissot sei Swatch ebenso am Sprung in die Einkaufsmeile.

Auslagen, die derzeit Souvenirs im Ersten Bezirk feilbieten, könnten bald Uhren offerieren. Noch sei der Vertrag aber nicht unterschrieben. Tissot eröffnete Ende des Vorjahres ihre erste Boutique in Deutschland.

Diskonter statt Modehändler

Das strukturelle Umrütteln im Einzelhandel hält jedenfalls an. 390 Filialen großer Handelsketten schlossen von 2020 bis 2023 infolge von Insolvenzen, erhob der Immobiliendienstleister CBRE. Zwei Drittel davon betrafen Modehändler, die sich in der preislichen Mitte bewegten. CBRE analysierte 270 Geschäftsflächen: 240 seien verwertet worden. Neuankömmlinge seien vermehrt Diskonter und Anbieter von Accessoires oder Schönheitsprodukten. Der Rest stünde nach wie vor leer.

Viele Karten neu gemischt wurden in Einkaufszentren. Hochpreisige Lagen wie der Wiener Graben oder Kohlmarkt blieben von Insolvenzen weitgehend verschont. CBRE rechnet mit weiteren Verschiebungen im Handel hin zu neuen Dienstleistern, Pick-up-Stationen und Gastronomen.

Bange wird Österreichs Handel mit Blick auf China. Onlineshops wie Temu und Shein fluten den Markt über Ungarn mit Millionen Paketen. Viele gelangen zoll- und steuerfrei ins Land. Warnungen vor Sicherheitsmängeln und fehlender Produkthaftung mehren sich. Handelsverband und Wirtschaftskammer fordern ein Ende der 150-Euro-Zollfreigrenze spätestens 2026: Es sei höchste Zeit aufzuwachen. (Verena Kainrath, 29.2.2024)