Das Bild zeigt ein Apple-Logo in New York.
Mit dem Apple Car wollte das Unternehmen hoch hinaus. Für kurze Zeit wurde dafür sogar der Kauf von Tesla in Erwägung gezogen.
IMAGO/Jakub Porzycki

Da ist sie schon wieder, die Apple-Magie. Jedes Mal, wenn der Billionenkonzern mit einer neuen Produktkategorie assoziiert wird, steigen die Erwartungen in der Öffentlichkeit: Es könnte ja wieder die gleiche Wucht am Werk sein, mit der das iPhone seinerzeit den Smartphone-Markt revolutioniert – oder besser: überhaupt etabliert – hat.

Solche "Zaubertricks" lassen sich aber nicht beliebig oft wiederholen, und schon gar nicht auf jede Branche ummünzen. Anders als beim Vision Pro, das unter Steve Jobs so wohl auch nicht auf den Markt gekommen wäre, zog Apple bei seinem Projekt für ein autonomes E-Fahrzeug nach zehn Jahren die Notbremse. Das Apple Car ist Geschichte. Wie nun bekannt wurde, werden die Pläne dafür in einem Milliardengrab beerdigt – aber nicht umsonst.

Zehn Jahre sind eine lange Zeit. In dieser Zeit war das Autoprojekt von Apple unter dem Codenamen "Titan" nicht nur Gegenstand intensiver Diskussionen und Spekulationen. Als ob es schon eine gewisse Vorahnung gegeben hätte, sollen Apple-Mitarbeiter zuletzt eine wenig schmeichelhafte Bezeichnung für das Projekt gefunden haben: das "Titanic-Desaster". Dieser Spitzname, der in den Gängen von Cupertino halb im Scherz, halb ernst gemeint kursierte, symbolisierte die wachsenden Zweifel an einem der ambitioniertesten, aber auch schwierigsten Projekte des Technologiegiganten. Ein Projekt, das bis zum Zeitpunkt seiner Einstellung zehn Milliarden Dollar verschlungen haben soll.

Große Ziele ohne klaren Kurs

Gestartet im Jahr 2014, sollte Titan Apple in die Automobilindustrie katapultieren und das Unternehmen in eine neue Ära führen. Doch was als Vision eines bahnbrechenden Elektro-, aber vor allem selbstfahrenden Autos begann, endete diese Woche in einer internen Ankündigung, das Projekt einzustellen, wie Bloomberg berichtete. Über ein Jahrzehnt hinweg wurde das Projekt zum Synonym für interne Konflikte, strategische Neuausrichtungen und letztlich das Eingeständnis, dass eben nicht jedes ambitionierte Projekt zum Erfolg geführt werden kann.

Von Anfang an war das Projekt von Unsicherheiten und einer sich ständig wandelnden Zielsetzung geprägt. Ursprünglich konzipiert als ein Elektrofahrzeug, das es mit Marktführern wie Tesla aufnehmen sollte, schwankte die Ausrichtung bald in Richtung autonomes Fahren, um mit Pionieren wie Googles Waymo zu konkurrieren. Diese ständige Neuausrichtung führte zu Verwirrung und Frustration innerhalb der Teams. Zuletzt sollte es wieder ein Elektrofahrzeug gewesen sein. Diese technologischen, aber vor allem konzeptionellen Hürden, ein Fahrzeug zu entwickeln, das den hohen Standards von Apple gerecht wird, waren immens. Trotz der Rekrutierung von Experten aus verschiedenen Branchen, darunter sogar Ingenieure mit Erfahrungen bei der Nasa und in der Automobilindustrie, gelang es dem Projekt nicht, ein klares und realisierbares Konzept zu etablieren.

Kein Deal mit Tesla

Die internen Meinungsverschiedenheiten über die Ausrichtung des Projekts waren auch symptomatisch für die größeren Herausforderungen, mit denen Apple seit dem Tod von Steve Jobs konfrontiert war: die Schwierigkeit, die nächste große Produktinnovation zu finden. Während das iPhone, das iPad und die Apple Watch Meilensteine in der Geschichte des Unternehmens darstellen, war ein vergleichbarer Erfolg im Automobilsektor nie in Sicht. Die Führung des Projekts wechselte mehrmals, und jede neue Leitung brachte neue Visionen und Strategien mit sich, was zu einer weiteren Verzögerung und Verunsicherung führte.

Im Verlauf des Titan-Projekts, als Apple die enorme Komplexität und die Herausforderungen des Automobilmarktes realisierte, erwog das Unternehmen sogar den Kauf von Tesla, wie die New York Times berichtet. Diese Überlegungen fanden zu einem Zeitpunkt statt, als Apple nach effektiven Wegen suchte, das Projekt voranzutreiben und gleichzeitig das Risiko dafür zu minimieren. Die Gespräche mit Elon Musk über eine mögliche Übernahme spiegeln Apples Bereitschaft wider, große Schritte zu wagen, um auf dem Automobilmarkt Fuß zu fassen. Letztendlich entschied sich Apple jedoch gegen eine Übernahme und dafür, das Projekt intern weiterzuführen. Zu den Gründen dafür schweigen sich Musk und Apple bis heute aus.

Projekt nicht umsonst

Das Ende des Titan-Projekts ist bezeichnend für die komplexen Herausforderungen, vor denen Unternehmen wie Apple stehen, wenn sie in neue Märkte vorstoßen. Besonders die Automobilindustrie, mit ihrer hohen Komplexität, den umfassenden Sicherheitsanforderungen, neuer Infrastruktur und den langen Entwicklungszyklen, erwies sich als ein hartes Pflaster für ein Unternehmen, das in der Vergangenheit vor allem "nur" mit Unterhaltungselektronik Erfolge feierte.

Die Entscheidung, das Projekt einzustellen, ist somit nicht nur ein Eingeständnis dieser Schwierigkeiten, sondern auch ein wichtiger Schritt, um die Ressourcen auf vielversprechendere und strategisch besser ausgerichtete Bereiche zu konzentrieren. Das Vorhaben, das ein Teil der sogenannten Special Projects Group (SPG) war, wird jetzt beendet, und das übrig gebliebene Team soll fortan unter der Leitung von John Giannandrea, dem Leiter von Apples KI-Sparte, arbeiten. Die verbleibenden Teammitglieder werden sich in Zukunft somit auf generative KI fokussieren, einen Bereich, in dem Apple in den nächsten Monaten verstärkt aktiv werden möchte.

Während das Apple-Auto also nie auf den Markt kommen wird, dürfte das Vermächtnis von Titan gewissermaßen in den Technologien und Innovationen weiterleben, die während seiner Entwicklung entstanden sind. Diese werden in zukünftige Produkte und Dienstleistungen des Unternehmens integriert, von KI-gesteuerten Devices bis hin zu – möglicherweise – innovativen Benutzerschnittstellen. Die Geschichte von Apples Autoprojekt endet also nicht mit einem vollständigen Fehlschlag, sondern wohl eher mit einer strategischen Neuausrichtung. Und der Erkenntnis, dass sich zehn Milliarden Dollar bei einem Unternehmen wie Apple leicht verschmerzen lassen dürften – der Verlust von Steve Jobs aber nach wie vor nicht. (bbr, 29.2.2024)