Dorotheum
Nachlasskonvolut des ehemaligen Spanien-Kämpfers Karl Zemanek, der im KZ Dachau interniert war.
Screenshot vom 19. Februar, Dorotheum

Wie weit sind ein Auktionshaus und auf Verkaufserlöse mutmaßlich angewiesene Angehörige bereit, aus dem Schicksal eines Menschen Kapital zu schlagen? Anlass für diese Fragestellung gibt ein "Großes Nachlasskonvolut" des "ehemaligen Spanien-Kämpfers" Karl Zemanek (1904–1986), das am 5. März im Dorotheum versteigert wird: Ausgerechnet in der Sparte "Historische Waffen, Uniformen & Militaria", ist manch einer anzumerken geneigt, denn neben diversen Abzeichen, Auszeichnungen und ein paar Zeitschriften kommt auch "gestreifte Lagerkleidung" des ehemaligen KZ-Insassen unter den Hammer.

Zemanek, ursprünglich Mitglied der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei, ab 1933 dann bei der KPÖ, geriet bei den Februarkämpfen 1934 in das Visier der Behörden, wie über das Online-Spanien-Archiv des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstands (DÖW) nachzulesen ist.

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Karl Zemanek, gelernter Installateur und KPÖ-Mitglied, kämpfte ab 1937 als Antifaschist in Spanien.
DÖW, Spanienarchiv

Die Niederlage der Arbeiterbewegung war für viele und auch für den gelernten Installateur 1937 die Motivation, den Kampf gegen den Faschismus aufzunehmen und sich gegen dessen Ausbreitung in Europa einzusetzen: in Spanien, wo sich das rechtsgerichtete Militär unter General Francisco Franco und mit Unterstützung Adolf Hitlers und Benito Mussolinis im Juni 1936 an die Spitze des Landes geputscht hatte.

Internierung im KZ Dachau

Aufseiten der Republik kämpften in internationalen Brigaden rund 35.000 antifaschistische Freiwillige aus aller Welt, darunter 1.400 Österreicher. Noch vor Ende des Bürgerkriegs mussten sich die Überlebenden nach Frankreich zurückziehen, wo sie mehrheitlich in Lagern inhaftiert wurden. 450 kamen in nationalsozialistische Konzentrationslager: Einer davon war Karl Zemanek, der von Mai 1941 bis Ende April 1945 als politisch Verfolgter in Dachau interniert war, wie das "Rote Dreieck" unter seiner Häftlingsnummer an der Jacke belegt.

Die KZ-Adjustierung sorgte hinter den Kulissen für einige Irritation, nicht nur unter den Hinterbliebenen Betroffener, die das als pietätlos empfanden oder als Respektlosigkeit gegenüber Opfern bezeichneten: vor allem im Hinblick auf die Zustandsangaben "stärkere Tragespuren, einige Verfärbungen". Auf STANDARD-Anfrage war das Dorotheum um Beruhigung bemüht, und der zuständige Experte gab sich im Gespräch etwas zerknirscht.

Denn die offenkundig getragene "Lagerkleidung" sei ja keineswegs original, sondern eine "Nachfertigung für Gedenkveranstaltungen", wie dieser Tage im Online-Katalog ergänzt wurde. Überlebende wie Zemanek würden diese "wie ein Ehrenkleid" zu tragen pflegen, erklärt Dorotheums-Experte Harald Kaltenböck, der sich auch vehement gegen den Vorwurf eines "unsensiblen Umgangs mit solchen Realien" wehrt.

Keine Beteiligung am "Wettstreit"

Warum Nachfahren von Zemanek derlei versteigern lassen und nicht etwa dafür prädestinierten Institutionen wie dem DÖW oder dem Haus der Geschichte Österreich (HdGÖ) überlassen? Weil es dafür Sammler gebe, die anders als öffentliche Sammlungen dafür zu zahlen bereit seien, fasst Kaltenböck zusammen. Nachsatz: Eine Schenkung könne sich eben nicht jeder leisten.

Wie auf Nachfrage beim DÖW und dem HdGÖ zu erfahren war, bestünde durchaus Interesse an diesem Nachlass, man sei jedoch von der Angehörigen im Vorfeld nicht kontaktiert worden. Auch vom Dorotheum nicht, das dieses zum Startpreis von 700 Euro ausgerufene Konvolut nun an den Meistbietenden verkaufen wird.

"Eine Form der Kommerzialisierung erinnerungspolitischer Originale, die wir grundsätzlich kritisch sehen – wir können und wollen nicht in einen finanziellen Wettstreit mit privaten Sammlern treten", wie Andreas Kranebitter als wissenschaftlicher Leiter des DÖW betont. Auch für das HdGÖ schließt Direktorin Monika Sommer eine Beteiligung an der Auktion definitiv aus. (Olga Kronsteiner, 1.3.2024)