Influencerin isst Burger und Pommes und filmt sich dabei mit ihrem Smartphone und einem Ringlicht.
Influencerinnen und Content-Creator bewerben oft fett-, zucker- oder salzhaltiges Essen. Diese Werbung ist oft sogar unbezahlt – trotzdem spricht sie Kinder und Jugendliche stark an.
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Wenn man Snacks in "gesund" oder "ungesund" einteilen will, dann finden sich auf der ungesunden Seite: Chips, Schokolade oder Fruchtgummis. Also alles mit viel Fett, Zucker und Salz, klassische Partysnacks sozusagen. Man sollte sie nur in Maßen genießen. Das predigen Eltern ihren Kindern ständig – und trotzdem lernen es viele irgendwann erst durch die heftigen Bauchschmerzen nach einem solchen Snackfest.

Das kindliche Essverhalten wird von vielen Seiten beeinflusst: Eltern, Pädagogen, Mitschülerinnen – und natürlich Social Media. Auf Plattformen wie Tiktok, Youtube oder Instagram schauen sie sich oft ganz unbewusst ab, was Influencerinnen und Influencer konsumieren. Wie groß dieser Einfluss tatsächlich ist, wollte das Gesundheitsministerium genauer wissen und hat vergangenes Jahr eine Studie in Auftrag gegeben, die Werbung für ungesunde Lebensmittel in sozialen Medien untersucht.

Dabei zeigte sich: 57 bis 73 Prozent der in sozialen Medien beworbenen Lebensmittel für Kinder wie Süßigkeiten, Limonaden oder Fertiggerichte sind nicht gesund, enthalten also viel Fett, Zucker oder Salz. Die nationale Ernährungskommission, die den Gesundheitsminister berät, stuft ihre Bewerbung im Österreichischen Nährwertprofil daher als nicht erlaubt ein.

Kinder als Marketing-Zielscheibe

"Die Studie zeigt, dass wir Kinder besser vor gezielter Werbung mit ungesunden Lebensmitteln schützen müssen", sagt Grünen-Jugendsprecherin Barbara Neßler im Zuge eines runden Tischs mit Gesundheitsminister Johannes Rauch (ebenfalls von den Grünen), um mit den Studienautorinnen und Influencerinnen die Ergebnisse zu diskutieren.

Was im Internet beworben wird, beeinflusst Kinder und Jugendliche sehr direkt und mehr als Erwachsene, zeigen mehrere Studien. Sie wollen das essen, was ihre Vorbilder im Internet konsumieren. Diese filmen sich aber nicht immer bei den gesündesten Essgewohnheiten. Streamer auf der Plattform Twitch etwa trinken gerne gezuckerte Energydrinks, und auf Youtube wird Essen oft zum Spiel. Virale Wettessen wie die "Pommes-Challenge", bei der Youtuber in einer bestimmten Zeit so viele Pommes frites wie möglich essen, werden oft angeklickt.

Jungen Zuschauerinnen und Zuschauer wollen sich mit solchen Videos in erster Linie unterhalten. Die Tatsache, dass die dabei konsumierten Snacks in solchen Mengen alles andere als gesund sind, gerät in den Hintergrund. Deshalb können solche Unterhaltungsformate durchaus gesundheitlich bedenkliche Folgen haben – vor allem vor dem Hintergrund, dass in Österreich bereits ein Fünftel der Elf- bis 15-Jährigen von Übergewicht oder Adipositas betroffen ist – Tendenz steigend.

Die Macht der Influencer

Das Gesundheitsministerium will nun mit den gleichen Mitteln gegensteuern und setzt auf die Content-Creator selbst. "Neue Medien sind immer schneller als Regulierungen. Daher wollen wir die Influencerinnen und Influencer mit an Bord holen", sagt Rauch.

Eine dieser Influencerinnen ist Sonya Havr. Sie hat über 30.000 Follower auf Tiktok und teilt Inhalte aus ihrem Alltag. Oft zeigt sie auch, was sie isst. "Leider sind wir noch nicht so weit, dass allen bewusst ist, welchen Einfluss wir als Influencerinnen auf Kinder und Jugendliche haben", sagt sie. Sie selbst überlege bei Werbeanfragen ganz genau, welche sie annimmt – für Alkohol wirbt sie zum Beispiel nicht.

Eine überraschende Erkenntnis der Studie ist, dass Influencerinnen und Influencer Junkfood-Produkte oft sogar unentgeltlich bewerben. Sie halten Kekse, Chips und mehr auch nicht immer explizit in die Kamera oder erwähnen den Markennamen. Die Einflussnahme ist meist viel subtiler. "Es kann zum Beispiel sein, dass eine Influencerin Werbung für eine Online-Lernplattform macht, nebenbei Fruchtgummis isst und schwärmt, wie gut die sind", erklärt Ernährungswissenschafterin und Studienautorin Eva Winzer.

Strengere Regeln für Lebensmittelindustrie

Auch in Deutschland erregt das Thema politische Aufmerksamkeit: Dort wird bereits seit einem Jahr diskutiert, ob man an Kinder gerichtete Werbung für ungesunde Lebensmittel komplett verbieten soll. Bundesernährungsminister Cem Özdemir hat einen entsprechenden Gesetzesvorschlag eingebracht. Die politischen Gespräche stocken aber.

Verbraucherorganisationen wie Foodwatch kritisieren das zögerliche Vorgehen. Die Organisation fordert schon lange härtere Regeln beim Lebensmittelmarketing für Kinder. 2021 veröffentlichte sie einen "Junkfluencer-Report" und kritisiert darin, dass Lebensmittelunternehmen Social-Media-Stars für eine direkte Einflussnahme auf junge Plattformnutzerinnen und -nutzer engagieren. Die gesponserten, ungesunden Snacks werden dabei gerne als Teil eines Lifestyles präsentiert: Wir haben Spaß und essen dabei bunte, lustige Sachen.

In Österreich werden noch keine Gesetzesvorschläge diskutiert. Die Grünen wollen aber das Gespräch mit dem Koalitionspartner suchen, um Marketingregeln für Kinder und Jugendliche in sozialen Medien zu verschärfen. "Die Gesundheit unserer Kinder ist uns wichtiger als die Interessen der Lebensmittelindustrie", sagt Jugendsprecherin Neßler.

Medienkompetenz fördern

Die Debatte zeigt auch ein grundsätzliches Dilemma: Wie lernen Kindern und Jugendliche, dass soziale Medien immer nur Teilausschnitte der Realität zeigen? Dass vieles auch einfach Fake ist? "Wir brauchen Maßnahmen zur Förderung der Medienkompetenz, damit Kinder und ihre Erziehungsberechtigten Werbung kritisch hinterfragen und verantwortungsvolle Entscheidungen treffen können", sagt Kommunikationswissenschafterin Brigitte Naderer, die ebenfalls an der Studie beteiligt war. Und Jugendsprecherin Neßler betont: "Es geht nicht darum, Kindern Süßigkeiten zu verbieten, sondern sie aufzuklären, was ungesunde Lebensmittel mit ihnen machen." (Andrea Gutschi, 1.3.2023)