Das Bild zeigt ein Symbolfoto zu Klarna
Die Nachricht von Klarna setzt die Callcenter-Branche unter Druck – und damit indirekt auch eine ganze Berufsgruppe.
IMAGO/Nikos Pekiaridis

Mit dem Vormarsch von KI-Modellen und -Tools dreht auch das Gespenst des Jobverlusts regelmäßig seine Runden. Dass künstliche Intelligenz den Arbeitsmarkt stark verändern wird, dürfte mittlerweile unbestritten sein. Und auch wenn viele lediglich mit einer Veränderung des Jobs durch KI rechnen, so dürfte es tatsächlich Bereiche geben, wo der Einsatz von KI schneller Jobs vernichtet, als man angenommen hätte.

Ein aktuelles Beispiel dafür gibt der schwedische Zahlungsdienstleister Klarna: Dort ist man dermaßen auf KI eingeschossen, dass man sich nicht nur als "KI-gestütztes globales Zahlungsnetzwerk" bezeichnet. Nun ist ein KI-Assistent auf Basis von OpenAI im Einsatz, der im letzten Monat zwei Drittel aller Chats im Kundendienst abgewickelt haben soll. Auch in Österreich und Deutschland sei der Assistent bereits "vollumfänglich verfügbar", heißt es auf Anfrage des STANDARD. Und in der offiziellen Pressemitteilung wird man nicht müde, die Vorteile dieser Entscheidung zu betonen.

KI-fixierte Strategie

Der Einsatz des KI-Assistenten würde Kundinnen und Kunden nicht nur deutlich mehr Zeit sparen, er führe auch zu einer präziseren Bearbeitung der Anfragen. Der Assistent spricht 35 Sprachen, kennt keine eingeschränkten Arbeitszeiten und kann daher in 23 Märkten rund um die Uhr eingesetzt werden. Die Kundenzufriedenheit im Vergleich zu menschlichen Mitarbeiterinnen ist unverändert geblieben. Fast schon stolz streut man auch die eigenen Vorteile dieser Maßnahme unter die Zahlen, die "für sich sprechen": Die Leistung des Chatbots ersetzt 700 Vollzeitmitarbeiterinnen und -mitarbeiter und bringt Klarna eine prognostizierte Gewinnsteigerung von 40 Millionen Dollar.

Dass Klarna KI-Tools offensiv in seine Geschäftsstrategie implementiert, ist kein Geheimnis: Die Partnerschaft mit OpenAI ist bereits Anfang des Vorjahres angekündigt worden und ermöglichte es dem Unternehmen, die ChatGPT-Technologie in sein Shopping-Plugin zu integrieren. Das Tool bietet Kunden Unterstützung bei der Auswahl von Produkten und anderen Kaufentscheidungen, basierend auf individuellen Anfragen, und soll dadurch zu einem verbesserten Einkaufserlebnis beitragen. Klarna hat seitdem seine KI-Dienste ausgebaut und bietet nun weltweit App-basierte Assistenten an, die eine Reihe von Dienstleistungen, einschließlich Rückerstattungen, Stornierungen und das Lösen ähnlicher Probleme, übernehmen können.

Unglückliche Parallelen

Dass der neue KI-Assistent die Arbeit von 700 Vollzeitmitarbeitern leiste, ist recht unglücklich formuliert – weil es Fragen hinsichtlich früherer Entlassungen aufwirft. Im Jahr 2022 entließ Klarna etwa zehn Prozent seiner Belegschaft, was einer ähnlich hohen Zahl entsprach und was CEO Sebastian Siemiatkowski mit wirtschaftlichen Unsicherheiten und der Notwendigkeit von Kosteneinsparungen begründete.

Auf Nachfrage des STANDARD führt Klarna aus, dass man die Verantwortung für seinen Kundenservice "vor einiger Zeit" auf externe Dienstleister übertragen habe, die zusammen über mehr als 200.000 Angestellte verfügen. Mit der Einführung eines KI-Assistenten hat sich die Zahl der Mitarbeiter, die ausschließlich Klarna zugeordnet sind, auf 2.300 verringert. Diese Veränderung ermöglicht es, dass die Mitarbeiter der externen Dienstleister, die bisher für Klarna tätig waren, nun für andere Kunden eingesetzt werden können, da sie auch von anderen Auftraggebern ein hohes Arbeitsaufkommen haben.

Klarna verfolge dabei das "langfristige Ziel, dass menschliche Kundendienstmitarbeiter und KI-Assistent Hand in Hand arbeiten." Im traditionellen Kundenservice gebe es üblicherweise drei Ebenen: die "1st line" kümmert sich um allgemeine und wiederkehrende Anfragen, die jetzt eben größtenteils vom KI-Assistenten übernommen werden. Komplexere und anspruchsvollere Aufgaben sollen weiterhin von Menschen bearbeitet werden.

Wie "Fast Company" berichtet, stehe die Effizienz des Klarna-Assistenten nicht mit den damaligen Entlassungen in Verbindung. Klarna führte an dieser Stelle aus, dass die Angabe der Zahl 700 lediglich dazu diene, auf die langfristigen Auswirkungen der KI-Technologie hinzuweisen und eine transparente, gesellschaftliche Debatte über die Bewältigung dieser technologischen Veränderungen anzustoßen. Aus der Pressemitteilung lässt sich die Absicht jedenfalls nicht herauslesen, und auch nicht, wo diese Debatte stattfinden soll. Eine diesbezügliche Antwort bleibt Klarna vorerst noch schuldig.

Callcenter unter Druck

Jedenfalls bewahrheitet sich damit jetzt schon die Prognose des KI-Experten Michael Widowitz, der erst vor kurzem davor gewarnt hat, dass es im Zuge dieser KI-Entwicklung Jobs gebe, die ersetzbar und "massiv in Gefahr sind" – und dabei explizit Callcenter-Mitarbeiter genannt hat.

Tatsächlich zeigte die Nachricht von Klarna sichtbar negative Auswirkungen für Teleperformance. Der Aktienkurs des weltgrößten Anbieters von Callcenter-Diensten, der in mehreren Ländern auch für Klarnas Kundenservice zuständig ist, fiel Bloomberg zufolge binnen kürzester Zeit um 29 Prozent. Ein ähnliches Schicksal traf Concentrix, einen Mitbewerber aus den USA, dessen Aktienkurs ebenfalls stark gefallen ist. (bbr, 29.2.2024)