Supreme Court, US-Fahne
Der mehrheitlich konservative Supreme Court entschied am Mittwoch im Sinne Donald Trumps.
AFP/MANDEL NGAN

Mehrmals am Tag wendet sich Donald Trump in wütenden Mails an seine Anhänger, um Spenden für den Kampf gegen seine angebliche politische Verfolgung einzuwerben. Doch am Mittwochabend hatte der Ex-Präsident beste Laune. "Mein Fall geht vor den Supreme Court!", jubelte er in einer Textnachricht. Die Botschaft in fetten Großbuchstaben war leuchtend gelb unterlegt. "Die Hexenjagd des Biden-Regimes fällt in sich zusammen."

Mit dem zweiten Teil seiner Aussage könnte der mutmaßliche republikanische Präsidentschaftskandidat auf fatale Weise Recht behalten. Durch die Entscheidung des obersten US-Gerichts, eine Klage des 77-Jährigen auf strafrechtliche Immunität zu behandeln, wird dessen baldige Verurteilung wegen der Aufwiegelung zum Kapitolsturm unwahrscheinlich. "Die Hoffnungen auf einen 6.-Jänner-Prozess vor der Wahl schwinden schnell. Sehr schnell", sagte Preet Bhavara, der von Trump seinerzeit gefeuerte Ex-Bezirksstaatsanwalt von New York. Andrew Weissmann, der leitende Staatsanwalt im Büro von Ex-Sonderermittler Robert Mueller, spricht von einem "gewaltigen Sieg für Trump".

Verzögerungstaktik aufgegangen

Eigentlich hätte der Washingtoner Putsch-Prozess bereits am 4. März beginnen sollen. Doch dann klagte Trump und behauptete, er besäße Immunität vor strafrechtlicher Verfolgung von Handlungen während seiner Präsidentschaft. In der juristischen Fachwelt wird diese Theorie verworfen. Beobachter sehen in dem Vorstoß eine reine Verzögerungstaktik, weil während der Auseinandersetzung das eigentliche Verfahren ruht. Anfang Februar wies das Washingtoner Berufungsgericht Trumps Klage eindeutig zurück. Dagegen zog der Ex-Präsident in Berufung. Überraschend hat das oberste US-Gericht den Fall nun angenommen.

Oberstes US-Gericht stimmt Anhörung zur Immunität von Trump zu
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Unabhängig von der Entscheidung in der Sache ergeben sich daraus dramatische Auswirkungen auf den Zeitplan des Wahlbetrug-Verfahrens: Erst für die letzte Aprilwoche hat der Supreme Court nämlich eine Anhörung angesetzt. Sein Urteil könnte er mutmaßlich bis Ende Juni fällen. Selbst wenn die mehrheitlich konservativ bis ultrarechten Richter den obskuren Immunitätsanspruch zurückweisen, würde die Vorbereitung des Putschprozesses – einschließlich der Auswahl der Geschworenen – anschließend noch Wochen dauern. Frühestens Ende September oder Anfang Oktober, so die Prognose der "New York Times", könnte das Verfahren gegen Trump dann beginnen.

Kritik und Entsetzen

Damit dürfte bei der offiziellen Kandidatenkür der Republikaner auf den Conventions in Milwaukee im Juli nicht feststehen, ob der Präsidentschaftskandidat wegen einer "Verschwörung zur Behinderung des Kongresses" verurteilt wird. Der Prozessbeginn würde in die heißeste Phase unmittelbar vor der Wahl Anfang November fallen. Sollte das Urteil vor dem Amtswechsel nicht gefallen sein und Trump erneut ins Weiße Haus einziehen, würde er das Verfahren sofort niederschlagen.

Donald Trump
Donald Trump muss sich in mehreren Strafverfahren verantworten, seine Verzögerungstaktik scheint aber aufzugehen.
AP/Alex Brandon

Entsprechend entsetzt reagieren Trump-kritische Akteure auf die Entscheidung des Supreme Court. "Behalten Sie diesen beunruhigenden Tag in der amerikanischen Geschichte in Erinnerung!", schrieb der prominente Präsidentenhistoriker Michael Beschloss auf X (ehemals Twitter). "Es gab für den Supreme Court keinen Grund der Welt, diesen Fall anzunehmen", monierte der renommierte konservative Jurist und Ex-Berufungsrichter Michael Luttig beim Sender MSNBC. Die frühere republikanische Abgeordnete Liz Cheney warnte: "Eine Verzögerung des Prozesses unterdrückt kritische Beweise, die das amerikanische Volk sehen muss."

Womöglich "nur" eine einzige Verurteilung

Als Donald Trump vor einem Jahr zum ersten Mal in New York angeklagt wurde, sah es so aus, als würde er einen großen Teil des Wahljahres 2024 vor Gericht verbringen. Inzwischen laufen vier Strafverfahren. Die auf Bundesebene in der Hauptstadt Washington von Sonderermittler Jack Smith erhobene Anklage wegen des Putschversuchs gilt als die schwerwiegendste. Es wäre politisch fatal, wenn dieser Prozess scheitern würde.

Doch auch zwei der drei anderen Verfahren drohen zu entgleisen: In Georgia hat das Trump-Team mit Enthüllungen über eine Affäre der zuständigen Bezirksstaatsanwältin Fani Willis erfolgreich vom eigentlichen Thema abgelenkt. Selbst wenn sie im Amt bleibt, dürfte sie Schwierigkeiten haben, eine Jury zu überzeugen. Und in Florida ist es fraglich, ob die von Trump eingesetzte Richterin bei der für Ende Mai geplanten Eröffnung des Prozesses wegen der versteckten geheimen Regierungsunterlagen bleibt.

Beobachter halten es daher für gut möglich, dass Trump vor der Wahl nur in einem Fall verurteilt wird: Der New Yorker Prozess wegen seiner kaschierten Schweigegeldzahlungen an Pornostar Stormy Daniels soll planmäßig am 25. März beginnen. (Karl Doemens aus Washington, 29.2.2024)