Wo immer Sky Shield auftaucht, sorgt es für Aufmerksamkeit. Das gilt für Medienberichte, wo sich das europäische Luftverteidigungssystem als zuverlässiger Publikumsmagnet erwiesen hat; für die Bevölkerung, wo die Raketenabwehr mit österreichischer Beteiligung zum Gesprächsthema auf Stammtischen und Familienfeiern avanciert ist; und für die Politik, wo über das Thema mitunter recht kontroversiell diskutiert wird. Vor allem, wenn es mit Österreichs vermeintlicher heiliger Kuh, der Neutralität, verknüpft wird.

Genau genommen geht die Kontroverse aber nur von einer Partei aus: der FPÖ. Als einzige der Parlamentsfraktionen ist sie nämlich der Meinung, dass die Beteiligung an der European Sky Shield Initiative nicht mit der heimischen Neutralität vereinbar sei. Bundesparteichef Herbert Kickl schießt seit Monaten aus allen Rohren gegen das Projekt – ob man in der Partei nun tatsächlich an die Aushöhlung der heimischen Neutralität durch Sky Shield glaubt oder sie einfach als publikumswirksames Thema für den kommenden Nationalratswahlkampf entdeckt hat.

Ein Militär-Lkw mit einem Luftabwehrsystem
Das Verteidigungsministerium will acht Stück des deutschen IRIS-T-SLS-Luftabwehrsystems anschaffen. Die FPÖ hat gar nichts dagegen – solange Österreich sie nicht gemeinsam mit anderen EU-Staaten betreibt, sagt der blaue Wehrsprecher dem STANDARD.
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Das Raketenabwehrsystem sei in Wahrheit ein Nato-Projekt, befindet Kickl. Österreichs Beteiligung bezeichnete er als "verheerende neutralitätspolitische Entscheidung", welche die Republik direkt "in einen Krieg mit Russland führen" könne. Überhaupt werde man für einen Ausstieg aus dem Projekt sorgen, wenn man nach der Nationalratswahl wieder in der Regierung sitze.

Video: Schon im Sommer 2023, als die Sky-Shield-Beteiligung Österreichs bekannt gegeben wurde, übte die FPÖ scharfe Kritik.
APA

Beschaffung auf Schiene

Für das Verteidigungsministerium ist die heimische Beteiligung allerdings bereits auf Schiene, die Ausarbeitung der genauen Pläne schon ziemlich konkret. Und nicht nur soll die Koordination der Sky-Shield-Raketen aus Salzburg erfolgen – vorgesehen ist der geheime "Regierungsbunker" im Pongau, aus dem 300 Meter unter der Erdoberfläche bereits heute Österreichs Luftraum überwacht wird. Wie DER STANDARD erfuhr, soll auch die Hälfte der bisher geplanten acht mobilen Raketeneinheiten in Salzburg stationiert werden. Während je zwei Kurz- und zwei Mittelstreckensysteme zur Fliegerabwehr ins steirische Zeltweg kommen, sollen ebenfalls je zwei Exemplare in Salzburg untergebracht werden. Und zwar im Rahmen eines neuen Fliegerabwehrbataillons, welches das Bundesheer dort aufbauen will.

Das scheint verteidigungspolitisch naheliegend – in der Salzburger Schwarzenberg-Kaserne gab es bis vor wenigen Jahren noch ein Fliegerabwehrbataillon. Zumindest ein wenig Restkompetenz dürfte aus dieser Zeit noch übrig sein. Auch geografisch ist eine Stationierung in Salzburg günstig: Ziemlich genau in der Mitte des Staatsgebiets gelegen, ließen sich die auf Lkws platzierten Abwehrsysteme bei Bedarf schnell an jeden Ort der Republik bringen.

Svazek im Regierungsbunker

Politisch ist die Entscheidung dagegen vor allem aus einem Grund bemerkenswert: Die Erste Landeshauptmannstellvertreterin in Salzburg heißt Marlene Svazek – und gehört jener freiheitlichen Partei an, deren Bundesparteichef Kickl aus Wien so scharf gegen die geplanten Luftabwehrraketen schießt. Und: Svazek ist auch Bundesparteiobmann-Stellvertreterin in der FPÖ.

Svazek, die im Jänner den Regierungsbunker besucht hat, soll bei ihrem Lokalaugenschein Verständnis für die Sinnhaftigkeit der neuen Luftabwehr geäußert haben. Für die Landesregierung wäre die Stationierung in Salzburg zudem durchaus prestigereich. Nicht zuletzt, weil sie auch zahlreiche neue Arbeitsplätze ins Bundesland bringen wird. Wie genau steht die Salzburger FPÖ-Chefin also zu Sky Shield? Wie zur Stationierung in Salzburg? Und wie sieht sie die scharfe Ablehnung ihres Chefs in Wien?

Kein Kommentar der FPÖ Salzburg

Auf STANDARD-Nachfrage will sich Svazek nicht konkret zu den Plänen äußern – wegen mangelnder Zuständigkeit, wie es aus ihrem Büro heißt. Die Kompetenz für Anschaffung und Stationierung liege schließlich beim Bund, konkret beim Verteidigungsministerium. Verwiesen wird deshalb auf den blauen Wehrsprecher Volker Reifenberger, übrigens selbst Salzburger - und Offizier der Miliz. Und was sagt er zur Stationierung der Sky-Shield-Raketen in "seinem" Bundesland mit blauer Regierungsbeteiligung? Wird man gar versuchen, die Pläne zu bekämpfen?

Ganz und gar nicht, sagt Reifenberger im Gespräch mit dem STANDARD. Er hält die Stationierung in Salzburg sogar für sinnvoll. "In Zeltweg gibt es ja schon ein Fliegerbataillon. In Salzburg gab es eines, bis es aufgelöst wurde." Gibt es da Auffassungsunterschiede mit seinem Bundesparteiobmann Kickl, der so leidenschaftlich gegen die Raketen agitiert? Nein, sagt Reifenberger. Gemeinsame Linie sei: Kauf von neuen Luftabwehrraketen: ja. "Das ist mit Sicherheit notwendig und militärisch richtig", sagt er. Aber gemeinsamer Betrieb der Systeme mit anderen Staaten: nein.

FPÖ-Wehrsprecher: "Goldhaube" als "Hochwertziel"

Mit einer gemeinsamen Beschaffung mit anderen EU-Ländern hat der blaue Wehrsprecher kein Problem. "Wenn man über eine größere Einkaufsplattform einen günstigeren Preis bekommt, ist das ja sinnvoll." Auch gegen eine gemeinsame Ausbildung zur Bedienung der Systeme im EU-Rahmen hat er keine Einwände. Die rote beziehungsweise blaue Linie wäre für Reifenberger aber "bei einem gemeinsamen Betrieb" erreicht. Würde Österreich sich etwa mit seinem militärischen Radarsystem "Goldhaube", das tief in den osteuropäischen Raum hineinblicken kann, am Datenaustausch im Sky-Shield-Verbund beteiligen, könne das die heimischen Radaranlagen aus russischer Sicht zu einem "Hochwertziel" machen, sagt Reifenberger. (Martin Tschiderer, 4.3.2024)