Der Grundprozess ist schon seit Jahrtausenden bekannt. Mittels sauerstoffarmen Verschwelens, auch Pyrolyse genannt, wurden schon in der Steinzeit Birkenteer und -pech zum Verkleben hergestellt. Köhler nutzten den Prozess dann über Jahrhunderte, um in Kohlemeilern Holzkohle zu erzeugen. In Zeiten des Klimawandels kommt die Pyrolyse wieder zu neuen Ehren. Denn die Produkte sind nicht nur etwas für Hobbygärtner und Liebhaber der Grillkohle.

Strohballen auf Feld
Ein Traktor auf einem Feld schwadet Heu. Auch minderwertiges Heu lässt sich mit neuen Verfahren industriell nutzen.
IMAGO/Silas Stein

Die Forschung zu Pflanzenkohle oder "Biokohle" – international auch unter dem Begriff Biochar bekannt – hat in den vergangenen 20 Jahren massiv zugenommen. Das bestätigt auch Elisabeth Wopienka. Die technische Chemikerin leitet das Green Carbon Lab des COMET-Kompetenzzentrums BEST – Bioenergy and Sustainable Technologies in Wieselburg. Dort untersuchen sie und ihr Team, wie sich die Produkte des thermochemischen Prozesses – sogenannte grüne Kohle, grünes Gas und grünes Öl – optimal produzieren und einsetzen lassen. Fördermittel stammen unter anderem vom Klimaschutzministerium und dem Land Niederösterreich, die Abwicklung erfolgt über die Forschungsförderungsgesellschaft FFG.

Neuer alter Kohlenstoffspeicher

Der Klimawandel bringt jedenfalls einen neuen Aspekt: So ist die Pyrolyse heute auch als Technologie für die Kohlenstoffabscheidung und -speicherung anerkannt. Das funktioniert dann, wenn die verkohlte Biomasse nicht wieder verbrannt, sondern langfristig als Kohlenstoffsenke eingesetzt wird – zum Beispiel als Bodendünger. Ein Kilogramm grüner Kohle speichert dabei circa 2,5 bis drei Kilogramm Kohlendioxid. "Der Kohlenstoff bleibt dann über Jahrhunderte der Atmosphäre entzogen." Einen ähnlichen Speicherungseffekt erreiche man auch, wenn die grüne Kohle Baustoffen wie Beton oder Asphalt beigemischt wird, sagt Wopienka.

Die Pyrolyse könnte unter bestimmten Bedingungen aber auch dazu eingesetzt werden, um CO2-intensive Industrieprozesse zu "defossilisieren". So kann Biochar etwa fossile Kohle zur Abdeckung von Metallschmelzen ersetzen oder in der Stahlproduktion eingesetzt werden. Dabei wird der Schmelze im Lichtbogenofen ein bestimmter Prozentsatz Kohlenstoff beigemengt ("aufgekohlt"), um Stahl mit genau definierten Härte- und Festigkeitseigenschaften herstellen zu können. In Wieselburg überprüft man nun, ob und wie man grüne Kohle mit gleichbleibender Qualität für diesen Industrieprozess erzeugen und so fossile Kohle ersetzen könnte.

Biokohle
Biokohle als Alternative zu fossiler Kohle.
Picturedesk/Science Photo Librar

"Im Prinzip eignet sich jegliche Biomasse, die nicht zu feucht ist, für die Pyrolyse", sagt Wopienka. Zum Einsatz kommen aber im Sinne einer kaskadischen Nutzung bevorzugt Reststoffe, die nicht mehr anders verwendet werden können: zum Beispiel Gär- und Siebreste, verschimmelte Heuballen oder Baum- und Strauchschnitt. Wasseranteile bis zu 20 Prozent gelten als optimal, aber auch höhere Wasseranteile sind noch pyrolisierbar. "In diesem Fall wird die Biomasse im Prozess getrocknet", sagt Wopienka.

"Effizient ist das Verfahren dort, wo ohnehin eine Trocknung stattfinden muss." Ansonsten gebe es aber auch andere Verfahren, wie etwa die hydrothermale Karbonisierung, mit der auch wässrigere Bioreste verkohlt werden können. "Für homogene Qualitäten werden sich bunt durcheinandergewürfelte Reststoffe eher weniger eignen", meint Wopienka. "Aber was das Optimum für Industrieprozesse ist, ist eben eine unserer Forschungsfragen."

Gewinnbringender Nebeneffekt

Untersucht wird vom Forschungsteam bei BEST auch, wie sich die Pyrolyse für Kommunen gewinnbringend einsetzen ließe. Moderne Pyrolyseanlage produzieren ja nicht nur grüne Kohle, sondern eben auch Pyrolysegas und Pyrolyseöl. Auch diese lassen sich weiterverwerten, entweder thermisch als klimaneutrale Nah- oder Fernwärme – oder stofflich, zum Beispiel für die Weiterverarbeitung zu CO2-neutralen Kraftstoffen wie Benzin, Diesel oder Kerosin.

Für Kommunen oder Zusammenschlüsse von landwirtschaftlichen Betrieben sieht Wopienka jedenfalls neue Geschäftsmodelle. "Mit Anlagen, die unserer Pilotanlage gleichen, könnten pro Stunde 60 Kilogramm Biomasse verkohlt werden", sagt Wopienka. "Daraus entstehen stündlich circa 20 Kilo Pflanzenkohle, 20 Kilogramm Synthesegas und 20 Kilogramm Pyrolyseöl." Bei guter Auslastung mache das übers Jahr durchaus beachtliche Tonnagen. "Biogene Reststoffe brauchen so nicht mehr kostenpflichtig entsorgt zu werden, sondern werden zu werthaltigen Produkten umgewandelt."

Jetzt gehe es nur noch darum, Produzenten und Abnehmer zusammenzubringen, sagt Wopienka. Auf den Standort Wieselburg sieht die Forscherin dabei neue Aufgaben zukommen – vor allem in der technologischen Weiterentwicklung und Qualitätssicherung solcher Prozesse. (Norbert Regitnig-Tillian, 8.3.2024)