Das Bild zeigt Hanna Niedrist
Kritische oder blöde Kommentare unter ihrem Content nimmt die 22-jährige Wienerin meist gelassen.
Elias Hartmann

Schon wieder jede Menge Zweifel. Es ist fast klischeehaft, wie die Karriere von Hanna Niedrist als Influencerin begonnen hat. "Das, was du da machst, ist schön und gut, nur hat das keine Zukunft", musste sie sich noch vor ein paar Jahren von ihren Eltern anhören. Mittlerweile ist @austriasginger, wie Niedrist auf Social Media besser bekannt ist, mit knapp 20 Millionen Likes einer der gefragtesten Tiktok-Stars in Österreich und kann gut von ihrem Job leben. Wie ist das passiert? Zwischen einem Shooting für die WKO und einem Auftrag für ein Jobfestival in Salzburg verrät die 22-jährige Wienerin dem STANDARD, was ihr Erfolgsrezept ausmacht, wie sie mit Kritik umgeht – und warum sie glaubt, dass KI-Influencer keine Konkurrenz für sie sind.

Frühes Kameratalent

Die Skepsis der Eltern galt nicht ihr, sondern dem Berufsbild Influencer. Und doch wundert man sich ein wenig, wenn man bei Niedrist nachfragt. Schließlich waren sie es, die die kleine Hanna anfangs an die Kamera gewöhnt haben. Ihre roten Haare waren es damals, die auf einem Spielplatz die Aufmerksamkeit der Inhaberin einer Werbeagentur erregten. Wenige Termine später wurde sie im zarten Alter von vier Jahren Katalogmodel für Kindermode und wuchs mit Werbeaufträgen auf - nicht zuletzt, weil es ihr "auch wirklich Spaß gemacht" hat.

Das Bild zeigt Hanna Niedrist als Kind
Schon als kleines Kind strahlte Hanna Niedrist vor der Kamera mit anderen um die Wette – in Katalogen für Kindermode.
Privat

Neben dem Modeln begann sie während ihrer Schulzeit aus Spaß, Videos auf musical.ly hochzuladen und setzte dies auch nach ihrem Abschluss am Gymnasium fort. Die Plattform sollte später von ByteDance aufgekauft werden und im heutigen Tiktok aufgehen. Ursprünglich als Hobby gestartet, ahnte sie noch nicht, dass dies der Grundstein für eine erfolgreiche Karriere sein würde. Zu der Zeit, als sie maturierte, war der Beruf des Influencers in Österreich auch noch nicht so etabliert wie in anderen Ländern, zum Beispiel in Deutschland.

Kleine Umwege zum Ziel

Trotz des Wunsches, ihrer Leidenschaft für Social Media zu folgen, fühlte sich Niedrist durch die Erwartungen ihrer Eltern ein bisschen dazu gedrängt, ein Studium aufzunehmen – eine Entscheidung, die sie später bereuen soll. "Da hätte ich mich früher durchboxen und sagen sollen, dass ich lieber das mache, was mir Spaß macht. Aber auch daraus habe ich im Endeffekt gelernt und war dann umso mehr motiviert, es den Leuten zu zeigen, dass ich es schaffen kann", sagt sie heute.

Zu einer Zeit, als Influencer-Marketing in Österreich an Fahrt aufnahm und Unternehmen begannen, das Potenzial für sich zu nutzen, war Niedrist "einfach zur richtigen Zeit am richtigen Ort". Ihre frühen Erfahrungen und das wachsende Interesse an Social Media ermöglichten ihr den Einstieg ins professionelle Influencer-Marketing. Mit Auftragsvideos und Kooperationen mit Unternehmen verdient sie seit drei Jahren genug, um ihre Leidenschaft zum Hauptberuf zu machen.

Kein leichtes Geld

Als Tiktokerin ist dies kein leichtes Unterfangen, besonders in Österreich nicht. Anders als in Deutschland gebe es keinen Creators Fund, also ein Programm, das Content Creators wie sie finanziell unterstützt. Und die Vergütung durch Youtube, insbesondere für die mit Tiktok vergleichbaren Shorts, bezeichnet Niedrist als sehr begrenzt. Selbst dort wären ein erheblicher Zeitaufwand und eine kontinuierliche Generierung von Millionen von Aufrufen erforderlich, um nennenswerte Einnahmen zu erzielen. Snapchat biete mittlerweile ebenfalls die Möglichkeit, vergütet zu werden, doch die Haupteinnahmequelle der Wienerin sind Kooperationen mit Marken und Unternehmen. "Ohne solche Partnerschaften kann ein Influencer auch gar nicht überleben", ist Niedrist überzeugt.

Das Bild zeigt Hanna Niedrist
"Geboren in Wien, getauft in Tirol": Niedrist fühlt sich nicht nur sehr verbunden zu Tirol, sie verbringt auch viel Zeit dort.
Elias Hartmann

Dass die Wienerin ihr Geld nicht leicht verdient, liegt zu einem gewissen Teil auch daran, dass sie nur Kooperationen mit Unternehmen oder für Produkte interessieren, hinter denen sie zu 100 Prozent steht. Eine Zusammenarbeit mit She-in oder Temu könne sie sich etwa auf gar keinen Fall vorstellen und generell nichts machen, was nach Fast Fashion riecht. "Solche Unternehmen könnten mir Millionen bieten, und ich würde es nicht machen. Da stecken Firmen dahinter, mit denen ich nichts zu tun haben will. Das weiß meine Managerin natürlich und hat dementsprechende Anfragen auch schon abgelehnt", sagt Niedrist.

Auch einer Zusammenarbeit mit Tiktok selbst als bezahlter "Shop-Star" stünde sie skeptisch gegenüber. Sie ist zwar offen für neue Möglichkeiten, würde aber vor einer möglichen Zusammenarbeit die Bedingungen genau prüfen. Die Idee, dass Tiktok zu einer Shopping-Plattform wird, findet sie "nicht so cool", da sie auf solchen Plattformen nicht einkaufen möchte.

Halb Wienerin, halb Osttirolerin

Auf ihren Social-Media-Kanälen behandelt Hanna Niedrist aber nicht nur Themen rund um Mode und Lifestyle. Neben humorvollen Einblicken in ihren Alltag thmeatisiert sie auch gerne den Kontrast zwischen Stadt- und Landleben. Dass sie "ganz Social Media dafür zerfetzt", dass sie sich als halbe Osttirolerin bezeichnet, lässt sich höchstens daraus ableiten, dass sie meist hochdeutsch spricht und somit eher bundesdeutsch wirkt. Im Gespräch mit ihr wir schnell klar, dass sie eine sehr enge Verbindung zum Bundesland hat, aus dem ihr Vater stammt.

Seit die 22-Jährige ihre Selbstständigkeit begonnen hat, findet sie es auch zunehmend angenehmer, längere Zeit in Tirol zu verbringen. Die Möglichkeit, von dort aus remote zu arbeiten – manchmal sogar für ein oder zwei Wochen –, erweist sich nicht nur als beruhigende Zuflucht vor dem hektischen Alltag in Wien, sondern auch als Quelle der Inspiration. Fast schon ein Klassiker auf ihren Kanälen sind die "Oma-Sketches", in denen sie die Eigenheiten und Sprüche ihrer Tiroler Großmutter zum Leben erweckt – und wie Hanna lächelnd anmerkt, stammen 99 Prozent dieser Aussagen tatsächlich direkt von ihrer Oma.

Hater haben es schwer

Dass sie selbst eine authentische "österreichische Rothaarige" sein will, also @austriasginger, sei in der U-Bahn spontan eingefallen, weil sie ihr altes Pseudonym gestört hat. Der Unterstrich und die Zahlen mussten weg, weil sich das schlecht einprägt und auf Social Media einfach nicht gut funktioniere. Ihr Markenzeichen ist dabei nicht nur auf- sondern auch einleuchtend. Die Haarfarbe soll auch tatsächlich ein Grund dafür gewesen sein, weshalb sie schon früh für blöde Kommentare der anderen sensibilisiert worden sei.

Im Laufe der Jahre scheint sie eine bemerkenswerte Resilienz gegenüber Online-Kritik entwickelt zu haben, deren Schlüssel in ihrer Kindheit liegt: Als rothaariges Mädchen wurde sie von ihren Eltern bewusst auf die Möglichkeit von Mobbing vorbereitet. Diese frühzeitige Stärkung, gepaart mit Hannas früher Schule aus Werbedrehs und Shootings, schuf quasi eine schützende Mauer um sie herum, die sie vor den üblichen Angriffen in Kindergarten und Schule bewahrte.

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Bei @austriasginger ist der Name Programm – Authentizität ist der Tiktokerin besonders wichtig.
Elias Hartmann

Eine Mauer, die sich bis heute behalten hat. Hasskommentare nimmt sie dementsprechend gelassen entgegen und führt das in vielen Fällen auf Neid zurück. "Außerdem ziehe ich das Positive daraus, weil sie meinen Content dadurch nur noch mehr pushen. Manchmal bedanke ich mich deshalb unter solchen Kommentaren, dann wird es ihnen eh zu blöd weiterzutrollen", ergänzt die 22-Jährige schmunzelnd. Zwischen den Sätzen lässt sich heraushören, dass ihr Bemerkungen, die ihre Familie und ihre Herkunft betreffen, trotz ihrer robusten Haltung hin und wieder dann doch zu schaffen machen - sie überschreiten eine persönliche Grenze.

Authentizität ist Trumpf

Der gängigen Annahme, dass Attraktivität für Influencerinnen und Influencer oft der Schlüssel zum Erfolg sein kann, widerspricht sie nicht ausdrücklich. Eine differenzierte Sichtweise sei dennoch angebracht. "Ich will nicht, dass mir Leute folgen, weil ich hübsch bin", betont sie, "Ich will, dass die Leute mir folgen, weil sie meinen Content und meine Persönlichkeit mögen, die ich auf Social Media zeige." Gleichzeitig kritisiert Niedrist die Oberflächlichkeit, die oft in den sozialen Netzwerken herrscht, und plädiert für eine ehrlichere Darstellung des Lebens.

Vehement lehnt sie die Idee ab, dass das Leben von Influencern stets perfekt sein müsse, und zeigt sich bewusst von verschiedenen Seiten – sowohl geschminkt als auch ungeschminkt. Zudem hinterfragt sie im Gespräch auch die Werbetauglichkeit von Influencern, die hauptsächlich auf ihr Aussehen setzen – und betont, dass wahre Authentizität und ein individueller Content langfristig wertvoller seien als eine hohe Followerzahl, die auf rein äußerlichen Merkmalen basiert.

Das Bild zeigt Hanna Niedrist
"Man sieht natürlich nicht 100 Prozent aus meinem Leben, aber was man sieht, ist zu 100 Prozent echt", behauptet Niedrist im Gespräch mit dem STANDARD.
Elias Hartmann

Sie gehöre Ihrer Ansicht nach zu den wenigen Influencerinnen, die sich ohne Vorbehalte genau so präsentieren, wie sie sind. Niedrist scheut sich dabei nicht davor, auch schwierige Themen anzusprechen, wie ihre persönliche Auseinandersetzung mit Endometriose - einer Herausforderung, mit der sie seit Jahren konfrontiert ist. Ihre Erfahrungen teilt sie offen und ehrlich, wobei sie betont: "Man sieht natürlich nicht 100 Prozent aus meinem Leben, aber was man sieht, ist zu 100 Prozent echt. Das ist im Endeffekt das, was mich als Influencerin ausmacht."

Gesunde KI-Skepsis

Dementsprechend wenig kann Niedrist auch KI-Influencerinnen wie Aitana Lopez abgewinnen, die ein nahezu unerreichbares Schönheitsideal verkörpern. Die zunehmende Verwendung von künstlicher Intelligenz in der Influencer-Branche betrachtet Niedrist mit einer gewissen Skepsis, insbesondere auch vor dem Hintergrund von jüngsten Vorfällen wie den Deepfake-Nacktfotos von Taylor Swift. Diese Entwicklungen empfindet sie als "creepy" und stellt die Ethik hinter der Nutzung solcher Technologien in Frage.

In ihrer eigenen Arbeit spielen KI-Tools bislang nur eine untergeordnete Rolle. Sie nutze gelegentlich ChatGPT, um ihren Ideen einen neuen Spin zu geben – betont aber, dass der Kern ihres Contents selbstgemacht ist. Sie legt auch besonderen Wert darauf, dass ihre Beiträge ihre Persönlichkeit widerspiegeln und verzichtet auf übermäßige Bearbeitung, um realistisch zu bleiben: "Ich mache jedenfalls nichts, was mich in dem Bild komplett unrealistisch verfälschen würde."

Ob ihr eine Aitana Lopez in Zukunft den Rang ablaufen könne? Das glaube sie nicht. "Ich bin echt, und mich kann man auch auf der Straße treffen", sagt sie mit einem charmanten Lächeln. Aber ganz so sicher wie sie – auch im Gespräch mit dem STANDARD – authentisch rüberkommt, scheint sie sich bei der Antwort auf die Frage dann doch nicht zu sein. Immerhin: "Mein Glaube an die Menschheit ist zu groß, als dass ich ihr zutrauen würde, nur mehr Content von Leuten zu konsumieren, die es nicht gibt", ergänzt sie noch schnell. Ein voller Sympathiepunkt für die halbe Osttirolerin, den eine KI wohl kaum erreichen können wird. (Benjamin Brandtner, 2.3.2024)