Der russische Präsident Vladimir Putin eröffnet die "Spiele der Zukunft".
EPA/MAXIM SHIPENKOV

Es ist Freitag, und eine Nachricht der russischen Botschaft in Wien, nun ja, flattert herein. Sagen wir so, das passiert der STANDARD-Sportredaktion nicht jeden Tag. Nicht einmal jeden Freitag. Sei's drum, was liegt der Botschaft denn am Herzen? Sie findet es bedauerlich, dass die "Spiele der Zukunft", die derzeit in Kasan stattfinden, "in den österreichischen Medien zur Gänze unerwähnt bleiben", und sie findet es "daher angebracht, über dieses einzigartige Sportevent zu informieren".

An dieser Stelle sollte der STANDARD vielleicht gleich eingestehen, dass ihm die "Games of the Future" oder auch "Future Games" bis dahin nicht untergekommen sind, sie waren ihm tatsächlich kein Begriff. Ansonsten hätte er sich vielleicht, nein: garantiert früher darum gekümmert. Denn diese Geschichte hat es in sich. Und sie wird uns nicht nur nach Kasan führen, sondern auch nach Salzburg, nach Fürth und nach Wolgograd, das frühere Stalingrad.

Aber schön der Reihe nach. Die russische Botschaft hat völlig Recht. Interessant sind die Zukunftsspiele, die am 21. Februar begonnen haben und noch bis Montag (4. März) dauern, allemal und in vielerlei Hinsicht. Man kann sogar sagen, dass der Sport ein solches Event noch nicht gesehen hat. Ein guter Teil der Disziplinen läuft auf "Phygital"- Basis ab, das Wort "Phygital" verbindet die Wörter "physisch" und "digital". Die Athletinnen und Athleten, die in Kasan antreten, messen sich also in beiden Bereichen - einerseits im E-Sport, also quasi mit Konsole, andererseits im "Real Life", also quasi in echt.

Basketball bei den "Future Games" in Kasan.
IMAGO/Maksim Bogodvid

Im Fußball zum Beispiel treten zwei Teams virtuell und dann tatsächlich auf dem Kickplatz (Indoor, Kleinfeld) gegeneinander an, dann werden die beiden Resultate addiert, und der Sieger steigt auf. Und genauso spielt es das auch in etlichen anderen Sportarten, zum Beispiel im Basketball, Eishockey, Skateboarden, Autorennen, Kampfsport, BMX. Etliche Shooter-Spiele gibt es natürlich auch, sie werden mit Laser-Tag kombiniert. Und Tanzen und Drohnenrennen und, und, und.

Der russische Präsident Wladimir Putin hat die Spiele eröffnet, die Regierungshäupter etlicher anderer Staaten ließen es sich nicht nehmen, Putin zur Seite zu stehen. Welche Staaten das waren? Keine große Überraschung: etwa Belarus, Tadschikistan, Kasachstan, Kirgistan, Usbekistan und Serbien. Doch noch viel mehr Länder sind sportlich in Kasan vertreten. Die russische Botschaft schreibt das auch stolz dem STANDARD.

"277 Teams mit mehr als 2000 Sportlerinnen und Sportlern aus 107 Ländern nehmen teil, auch aus Österreich." Moooooment! Auch aus Österreich? "Auch aus Österreich!" Jetzt wird es richtig interessant. Wird nicht Russland, seit es vor zwei Jahren den brutalen Invasionskrieg in der Ukraine begann, von der Staatengemeinschaft boykottiert? Zumindest von jenem guten Teil dieser Gemeinschaft, dem auch Österreich angehört?

Der russische Präsident Wladimir Putin probiert es mit Hockey.
AP/Kristina Kormilitsyna

Auf der sehr beeindruckenden Webseite der "Spiele der Zukunft" finden sich Infos zu allen teilnehmenden Ländern, zu allen Teams, zu allen Sportlerinnen und Sportlern. Bis man auf Österreich stößt, dauert es ein wenig, Österreich stellt auch nur einen Aktiven, aber immerhin. Ajdin Islamovic ist im Fußball vertreten. Ajdin Islamovic, Nickname "Eyedin98", ist 25 Jahre alt, stammt aus Salzburg, spielt dort ziemlich gut Fußball, immerhin in der Salzburger Liga. Im Computerspielen, also bei "FIFA", ist er aber noch besser, viel besser. Da hat Islamovic schon für Österreich gespielt, da findet er sich auch auf der Webseite des Fußballbunds (ÖFB), da ist er Profi und Legionär in Deutschland. Wobei, auch das wirft das Internet aus: sein Verein, Greuther Fürth, hat sich vor wenigen Tagen von Islamovic getrennt.

Das macht hellhörig. Anruf bei Greuther Fürth. "Wir können bestätigen, dass Ajdin Islamovic nicht mehr länger unser Spieler ist", verlautet die Pressestelle. Mehr will der Verein offiziell nicht festhalten, darauf hat er sich wohl mit Islamovic verständigt. Ein Zusammenhang zwischen der Trennung und der Reise nach Russland wird aber nicht in Abrede gestellt. Aus dem Teamumfeld ist zu erfahren, dass der junge Salzburger eine Einladung zu den Zukunftsspielen erhalten und dann beim Verein angefragt hatte, ob er denn hinfahren könne. Und dass er sich nach dem Nein des Vereins krankgemeldet habe und dennoch nach Russland gereist sei.

Dass die Trennung deshalb erfolgte, liegt auf der Hand. Anruf beim ÖFB. Dessen Generalsekretär Thomas Hollerer hat von den Spielen in Kasan noch nie gehört. "Und selbstverständlich handelt es sich nicht um eine österreichische Entsendung." Hollerer fügt hinzu, dass der ÖFB bei allem, was Russland betreffe, sehr vorsichtig agiere und zuletzt etwa auch in Kontakt mit Behörden war, als der frühere Austria-Wien-Fußballer Aleksandar Jukic zum FK Sotschi wechselte.

Es hat ein wenig gedauert, bis sich die Telefonnummer aufstellen ließ, und Eyedin98 hebt auch nicht sofort ab. Aber er ruft flott zurück. "Ja, ich bin noch in Kasan", sagt er dem STANDARD. Der junge Salzburger wirkt einigermaßen überrascht, dass er kontaktiert wird. Es seien auch andere europäische Nationen vertreten, sagt er. "Spanien, Belgien, Portugal, Serbien auf jeden Fall." Auf der Webseite der Spiele sind sogar knapp zwanzig europäische Teilnehmerländer angeführt. Darunter Großbritannien, Frankreich und Deutschland. Auch Kanadier und US-Amerikaner sporteln in Kasan mit.

Islamovic sagt, er habe zunächst "lange überlegt", ob er die Reise antreten solle. "Aber ich liebe solche Events", sagt er. Und der Krieg in der Ukraine? "Ich finde, man muss Sport und Politik auseinander halten", sagt Islamovic. Alles andere wäre "doppelmoralisch" - nicht nur angesichts von Öl und Gas, die aus Russland nach Europa fließen. Wenn er in Kasan - die mit 1,24 Millionen Einwohnern sechstgrößte Stadt Russlands liegt 720 Kilometer östlich von Moskau - auf der Straße unterwegs sei, "dann sehe ich Burger King, dann sehe ich Eurospar und noch viel mehr".

Die Spiele sind für den Österreicher "eine unvergleichliche Sache", er habe "enorm viel erlebt". Und damit meint er nicht nur, dass er Putin bei der Eröffnungsfeier "fast Auge in Auge gegenüber gestanden" ist. Er habe "enorm viele interessante Leute kennen gelernt und tolle Erfahrungen gemacht".

E-sports-Spieler bekämpfen sich im Lasertag von Kasan.
EPA/MAXIM SHIPENKOV

Am 17. Februar, berichtet Islamovic, sei er nach Russland gereist, zunächst nach Wolgograd zu einem Trainingslager mit dem Team, für das er nominiert wurde. Das Team heißt "Rotor International", ihm gehören vier Spieler aus Russland sowie je einer aus Haiti, Mauretanien, Turkmenistan und eben Österreich an. Rotor International ist, berichtet Islamovic, "leider schon ausgeschieden". Bei einem Turniersieg hätte er richtig gut verdient, auch so gab es etwas Preisgeld, "es ist nicht die Welt". Jedenfalls ist die Reise kein Verlust, und natürlich kamen die Veranstalter für alle Kosten auf. Gazprom ist Hauptsponsor der Zukunftsspiele, die laut Webseite mit insgesamt zehn Millionen US-Dollar dotiert sind, allein im Fußballturnier waren 1,2 Millionen US-Dollar ausgelobt.

Ums Geld, sagt Ajdin Islamovic, sei es ihm aber garantiert nicht gegangen. Die Einladung zu den Zukunftsspielen in Kasan hätte er auf jeden Fall angenommen, und er sei froh darüber, sich so entschieden zu haben. Im übrigen wolle er noch nicht allzu viel verraten, aber in einiger Zeit werde er selbst ausgiebig über die Zukunftsspiele berichten, auf seinen sozialen Kanälen. Die russische Botschaft in Österreich wird hocherfreut sein. "Die Spiele der Zukunft", schreibt sie dem STANDARD, "bedeuten Freiheit von politischer Vorbedingung, jeglicher Diskriminierung und Doppelmoral." (Fritz Neumann, 2.3.2024)