Das Bild zeigt einen Opel Corsa an der Ladestation
Für Carlos Tavares stehe die freie Mobilität auf dem Spiel, wenn E-Autos nicht für eine breite Masse zugänglich gemacht werden.
Jan Huebner/Voigt, via www.imago

Die ehrgeizige Vision einer umweltfreundlichen Zukunft durch Elektromobilität steht weiterhin vor einer großen Herausforderung: den hohen Anschaffungskosten für Elektroautos. Während die Umweltvorteile von Elektroautos weitgehend anerkannt sind, bleibt der hohe Preis für viele potenzielle Käufer ein wesentliches Hindernis. Das verlangsamt nicht nur den individuellen Umstieg auf E-Autos, sondern beeinträchtigt auch deren gesellschaftliche Akzeptanz und letztlich den Übergang zu nachhaltigeren Verkehrslösungen. Auch Branchenexperte Carlos Tavares, CEO von Stellantis, warnt nun in einem aktuellen Interview davor, dass zu teure E-Autos die individuelle Mobilität gefährden.

Stellantis ist einer der größten Automobilkonzerne weltweit und steht für namhafte Marken wie Citroën, Fiat und Opel. Tavares hat maßgeblich zur Formung der europäischen Autoindustrie in den letzten Jahrzehnten beigetragen und sieht für sie in der Elektromobilität die einzige klimafreundliche Option. Der Manager ist überzeugt, dass ohne den Umstieg auf Elektroautos die Ziele des Pariser Klimaabkommens nicht erreicht werden können. "Wir müssen auf Elektromobilität umsteigen", bestärkt Tavares gegenüber der "Welt am Sonntag" seine Haltung.

Kritik an der EU

Im Interview warnt Tavares davor, dass die Elektromobilität ohne erschwingliche Fahrzeuge zum Scheitern verurteilt sei. "Ich warne schon lange davor, dass die freie Mobilität der Bürgerinnen und Bürger gefährdet ist, wenn emissionsfreie Fahrzeuge nicht bezahlbar sind", so Tavares. Er betont, dass die freie Mobilität, die in den letzten 50 Jahren in Europa zu einem Merkmal des gesellschaftlichen Wohlstands geworden ist, auf dem Spiel stehe, wenn Elektroautos nicht für die breite Masse zugänglich gemacht werden. Dies sehe er als eine fundamentale Bedrohung für die demokratische Grundfreiheit der individuellen Mobilität.

Tavares kritisiert den europäischen Ansatz zur Förderung der Elektromobilität als dogmatisch und zu einseitig. Er stellt sich zwar nicht gegen den Ausstieg der EU aus dem Verbrennermotor im Jahr 2035. Allerdings argumentiert er, dass eine pragmatischere Herangehensweise, die effiziente Verbrennungsmotoren in die Überlegungen miteinbezogen hätte, den Übergang zur Elektromobilität hätte erleichtern können. Der Stellantis-Chef plädiert für eine Kombination aus Verbrennungs- und Elektromotoren, um die Mobilität für die Mittelschicht zu sichern und gleichzeitig den CO2-Ausstoß reduzieren zu können.

Subvention trotz Gewinns notwendig

Für den langfristigen Erfolg der Elektromobilität nennt Tavares vier entscheidende Faktoren: die Verfügbarkeit sauberer Energie, ein dichtes und leistungsfähiges Ladenetzwerk, ausreichende Reichweite der Fahrzeuge und vor allem die Erschwinglichkeit der Elektroautos. Er betont, dass ohne die Erfüllung dieser "vier Sterne" die Akzeptanz und Verbreitung von Elektrofahrzeugen unter den Bürgerinnen und Bürgern nicht gegeben sein wird.

Selbst wenn sein Unternehmen schon beachtliche Gewinne erzielt, verteidigt er die Notwendigkeit staatlicher Subventionen für Elektroautos. Er argumentiert damit, dass die Investitionen in nachhaltige Technologien und die Sicherstellung der langfristigen Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens erhebliche finanzielle Mittel erfordern. Eine Gewinnmarge von über zwölf Prozent sei für Tavares kein Hindernis, sondern eher notwendige Reserve, um in einem herausfordernden Marktumfeld bestehen zu können. Die umfangreichen Investitionen, die Stellantis tätige, darunter rund 50 Milliarden Euro für Batteriezellfabriken und andere Technologien, seien essenziell, um die Transformation zur Elektromobilität zu bewältigen.

Gegen China gewappnet

Tavares deutet auch an, dass die Präsenz chinesischer Hersteller in Europa eine neue Herausforderung darstelle. Viele etablierte westliche Automobilhersteller könnten in Bedrängnis gebracht werden, da die Produktionskosten in China um bis zu 30 Prozent niedriger liegen. Trotz dieser drohenden Konkurrenz zeigt sich Tavares zuversichtlich, dass Stellantis gut aufgestellt ist, um sich den Herausforderungen zu stellen.

Durch hohe Zölle in den USA sei Stallantis bereits vor chinesischen Wettbewerbern geschützt, und die Europäische Union plane ebenfalls, die Zölle zu erhöhen, um faire Wettbewerbsbedingungen zu schaffen. Durch die Entwicklung neuer Autoplattformen und strategische Partnerschaften wie die Beteiligung am chinesischen Hersteller Leapmotor ist Stellantis zudem auch darauf vorbereitet, sich gegen die aufkommende Konkurrenz aus China zu behaupten und seine Position im globalen Automobilmarkt zu festigen. (red, 4.3.2024)

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DER STANDARD