Es ist nicht nur das wohl wichtigste Update für iPhones seit langem, es ist auch eines, das Apple unüberhörbar wenig Freude bereitet. Der am 7. März in Kraft tretende Digital Markets Act zwingt das Unternehmen dazu, sein Betriebssystem für die Nutzerinnen und Nutzer in der EU zu öffnen. Knapp vor diesem Stichtag liefert Apple nun die passende Software-Aktualisierung.

Die Hölle friert zu

Das gerade veröffentlichte iOS 17.4 erlaubt innerhalb der EU, was Apple bisher mit allen Mitteln zu verhindern versuchte: die Installation von alternativen App-Stores. Zumindest theoretisch, denn derzeit steht der Praxis noch ein kleines Hindernis im Weg: Es gibt schlicht noch keine alternativen App-Stores, damit man das auch wirklich ausprobieren kann.

iOS 17.4
iOS 17.4 bringt viel Neues, das wenigste davon aber freiwillig.
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Ist dem aber einmal so, soll es möglich sein, einen anderen App-Store auf EU-iPhones zu installieren und von dort dann auch Apps zu beziehen. Wer will, könnte sogar eine dieser Alternativen zur Default-Wahl machen, also diese als primäre Softwarequelle festlegen.

Schwieriger Ausblick

Wer jetzt darauf hofft, dass damit die große neue Freiheit auf iPhones zukommt, der dürfte schnell enttäuscht werden. Zwar betont Apple, dass durch andere App-Stores auch Programme vertrieben werden könnten, die es im eigenen Programmladen nicht geben würde. Das aber primär, um vor den Gefahren von alternativen Programmquellen zu warnen. Immerhin könnten dort auch pornografische Inhalte oder gar Piraterie-Apps vertrieben werden, fürchte der iPhone-Hersteller.

Ob es dazu kommt, ist aber längst nicht gesagt. Das liegt einerseits daran, dass sich Apple viel überlegt hat, um den Betrieb alternativer App-Stores so unattraktiv wie möglich zu machen. Dieser Schritt geht mit allerlei finanziellen sowie organisatorischen Vorschriften für die Betreiber einher. Welcher App-Store zugelassen wird, bestimmt Apple.

Prüfung

Doch auch bei Apps bleibt das letzte Wort bei dem iPhone-Hersteller. Über andere Stores vertriebene Apps sollen ebenfalls, wenn auch in einem reduzierten Maß, von Apple geprüft werden. Dazu zählen neben der Suche nach Schadsoftware auch die Überprüfung der Richtigkeit der App-Beschreibung sowie ein Check, ob die Basisfunktionalität gegeben ist. Zudem wird jede App mit einem digitalen Zertifikat von Apple signiert, im Fall des Falles könnte der iPhone-Hersteller dieses auch zurückziehen und so Apps verbannen.

Apple argumentiert all das mit Sicherheitsüberlegungen, man müsse den durch den DMA entstandenen Gefahren entgegenarbeiten, kommentiert das Unternehmen merklich verärgert über die neuen Vorschriften der EU. Ein echtes "Sideloading", also die manuelle Installation von Apps, wird es übrigens weiterhin nicht geben, auch wenn der Begriff in der Debatte oft fälschlich benutzt wird.

Wann es die ersten alternativen App-Stores geben wird, ist derzeit noch unklar. Bereits angekündigt hat die ukrainische Firma MacPaw einen solchen, dieser soll noch "im Frühling" folgen. Auch Spielehersteller Epic will die neuen Möglichkeiten nutzen, um auf diesem Weg sein Spiel "Fortnite" auf iPhones zurückzubringen. Dieses hatte man ja nach einem Streit mit Apple um die finanzielle Beteiligung an In-App-Käufen zurückgezogen, es folgte ein langer Rechtsstreit.

iOS 17.4 steht voll und ganz im Zeichen des Digital Markets Act der EU.
AFP/KENZO TRIBOUILLARD

Neue Bezahloptionen

Apropos: Mit iOS 17.4 können Apps in der EU nun andere Dienstleister für Bezahlvorgänge nutzen, auch das ist bisher auf Apple beschränkt. Ob das jemand wirklich nutzen wird, muss sich aber erst zeigen. Sammelt Apple doch in solchen Fällen eine Plattformsteuer ein, die gerade einmal drei Prozent geringer ist als die sonstige Apple-Steuer für Bezahlvorgänge.

Abzuwarten bleibt, ob das auch alles so bleibt, wie es derzeit ist. Die Apple-Umsetzung des DMA hat schon im Vorfeld für viel Ärger bei anderen Firmen, aber auch zahlreiche kritische Stimmen aus der Politik gesorgt. So sprechen Spotify, Epic und Co in einem offenen Brief von einem Fall von "bösartiger Compliance", gegen den die EU einschreiten müsse.

Browser

Eine zweite durch den DMA erzwungene Änderung zeigt sich beim ersten Aufruf von Safari nach dem Update auf iOS 17.4. Wird dort doch noch einmal explizit nachgefragt, welchen Browser man zur Standardeinstellung zur Anzeige von Webseiten machen will. Konkret werden dabei folgende Programme in zufälliger Reihung zur Auswahl gestellt:

Doch damit nicht genug, gibt es für Browser noch eine weitere neue Freiheit. Ab sofort ist es möglich, vollständige alternative Browser für das iPhone anzubieten. Denn was vielen nicht bewusst ist: Bisher zwingt Apple andere Browser – also auch Chrome, Firefox oder Edge – mit Webkit die Rendering Engine von Safari zu verwenden.

iOS Browserwahl
Beim ersten Aufruf von Safari unter iOS 17.4 wird noch einmal nach dem bevorzugten Browser gefragt.
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Künftig können also andere Browser eine vollständige Version ihrer Software mit eigener Rendering Engine anbieten, wie es unter Android schon immer der Fall ist. Ob das wer annimmt, und wenn ja wann, wird sich aber auch in diesem Fall erst zeigen. Der zusätzliche Entwicklungsaufwand ist beträchtlich, das Angebot wieder nur auf die EU beschränkt. Rund um Chrome war aber schon zu hören, dass Google bereits seit einiger Zeit an so einer Vollversion seines Browsers für iPhones arbeitet, da man die nahende Apple-Regulierung bereits erwartet hatte.

PWAs bleiben

Eigentlich wollte Apple mit iOS 17.4 die Unterstützung für Progressive Web Apps (PWAs) streichen, die sich fix am Homescreen verankern können, und die im Vergleich zu normalen Webseiten auf einige zusätzliche Systemfunktionen zugreifen können. Vor wenigen Tagen kam aber die Kehrtwende, diese Pläne wurden zurückgezogen. Man reagiere damit auf das Feedback der eigenen User, versichert der iPhone-Hersteller. In der Realität dürfte es wohl wichtiger gewesen sein, dass die EU-Politik beinahe umgehend eine Untersuchung dieser Pläne angekündigt hatte.

Die Nutzung von PWAs bleibt damit so wie früher, und ist damit in einer Hinsicht entschieden eingeschränkt: Solche Apps dürfen weiter nur auf Basis von Webkit und nicht anderen Browsern laufen. Ob das der EU reicht, ist ein weiterer spannender Punkt für die kommenden Monate.

iOS 17.4 Update
iOS 17.4 ist da und es ist ziemlich groß geworden.
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Kontaktloses Bezahlen jenseits von Apple Pay

Bleibt noch eine letzte durch den DMA diktierte Öffnung: Ab iOS 17.4 ist es – in der EU – möglich, kontaktloses Bezahlen auch mit anderen Apps abzuwickeln. Bisher war der Zugriff auf den NFC-Chip auf Apple Pay beschränkt. Klingt gut, ob das je Auswirkungen haben wird, muss sich aber erneut noch zeigen. Eine Rundruf des STANDARD bei heimischen Banken offenbarte bei diesen jedenfalls wenig bis gar kein Interesse, die neuen Möglichkeiten für eigene Bezahl-Apps zu nutzen.

Der Rest

Doch iOS 17.4 hat auch jenseits der von der EU vorgegebenen Öffnung auch noch so manch anderes Feature zu bieten. Dazu gehören etwa eine Reihe von neuen Emojis, die allesamt mit Emoji 15.1 vergangenen Herbst im zugehörigen Standard gelandet sind. Bei Apple Podcasts gibt es nun zu jeder Folge ein passendes Transkript. Dabei können auch einzelne Passagen direkt herauskopiert werden.

Ein größeres Update gibt es für iMessage, wenn auch eines, das man auf den ersten Blick gar nicht sieht. Mit iOS 17.4 führt Apple eine neue Form der Ende-zu-Ende-Verschlüsselung namens PQ3 ein, die auch vor Quantencomputern sicher sein soll. Attacken über solche Rechner mögen zwar noch einige Jahre in der Zukunft liegen, Apple will damit aber sicherstellen, dass auch heute eingesammelter Datenverkehr in einigen Jahren noch sicher ist. Andere Messenger wie Signal hatten einen entsprechenden Schutz bereits vor einigen Monaten eingeführt.

Die neue Verschlüsselung ist dabei nicht bei allen sofort aktiv, die Verbreitung soll in den kommenden Monaten nach und nach ausgeweitet werden. Bis Ende des Jahres soll dann aber bei sämtlichen Geräten mit entsprechend aktueller Software PQ3 zum Einsatz kommen.

Schutz

Mit iOS 17.3 hat Apple einen neuen Schutz für gestohlene Geräte eingeführt. Mit dem Folgeupdate bessert das Unternehmen nun an entscheidender Stelle nach: Jenes Timeout, das zur Verzögerung von Passwortänderungen eingeführt wurde, kann nun immer zum Einsatz kommen. Bisher gab es dabei eine Ausnahme für "vertraute Orte", also etwa das Umfeld der eigenen Wohnung. All das bleibt aber ohnehin weiter optional.

iOS 17.4 Akkueinstellungen
Die Akku-Einstellungen wurden überarbeitet.
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Dazu kommen dann noch verbesserte Akku-Statistiken. So werden nun Details zu bereits vorgenommenen Ladezyklen und den zugehörigen Haltbarkeitsversprechen von Apple prominenter platziert. Bei Car Play gibt es eine neue Ansicht für manche Autos, und Siri kann jetzt bei Bedarf in mehreren Sprachen antworten. Und dann gibt es natürlich noch jede Menge Bugfixes und die Bereinigung einer Reihe von Sicherheitslücken, wie sie jedes größere Update auszeichnen.

Verfügbarkeit

Das Update auf iOS 17.4 kann wie gewohnt über die Systemaktualisierung direkt am Gerät heruntergeladen werden. Parallel dazu gibt es auch wieder Updates für iPadOS und andere Apple-Betriebssysteme. Die erwähnten Öffnungen für die EU gibt es dort aber allesamt nicht, auch das ein Punkt, der in den weiteren Debatten zwischen der EU und Apple sicherlich eine Rolle spielen wird. (Andreas Proschofsky, 5.3.2024)