Harry Kane und die Bayern brauchen ein Erfolgserlebnis.
AFP/ALBERTO PIZZOLI

Stern des Südens, leuchte jetzt!

Wo wird lauschend angegriffen, wo wird täglich spioniert? Wo ist Presse, wo ist Rummel, wo wird immer diskutiert?" Kaum eine Vereinshymne trifft den Nagel so auf den Kopf wie Stern des Südens, jene des deutschen Rekordmeisters. Beim FC Bayern geht es immer drunter und drüber, derzeit eher drunter, das mag schon stimmen. Aber hier und jetzt und im Rückspiel gegen Lazio Rom kommt der Turnaround, versprochen.

Gründe dafür gibt es zuhauf, der beste: Bayern ist immer noch Bayern, also nicht so schlecht, wie überall steht, sondern Zweiter der deutschen Liga. In 24 Runden gab es 17 Siege, drei Remis und vier Niederlagen, und die Bayern haben 65 Tore erzielt, mehr als jeder andere Bundesligist.

Zweitbester Grund: Lazio ist immer noch Lazio, Neunter in der Serie A. Zwölf Siegen stehen vier Remis und elf Niederlagen gegenüber, in 27 Runden haben die Römer nur 32-mal gescort.

Aber bleiben wir bei den Bayern. Die Saison ist bis dato zum Vergessen, stimmt schon, und der Salto nullo, also das Negativ-Triple, droht. Im Cup ist der FCB in Runde zwei am Drittligisten Saarbrücken gescheitert, in der Liga liegt Leverkusen zehn Punkte voran, und auch in der Champions League hängen die Trauben hoch. Aber Außenseiter wäre Bayern auch nur gegen Manchester City, gegen Real Madrid und vielleicht noch gegen Inter Mailand.

Gegen Lazio gelingt der Turnaround – dank Harry Kane und Jamal Musiala. Was für ein Offensivduo! Haben denn alle vergessen, wie Kane zu Saisonbeginn bejubelt wurde, als er Tor um Tor erzielte und Rekord um Rekord brach? Der Mann kam von Tottenham, weil er endlich Titel holen will. Und im Mittelfeld ist Musiala, mit 21 Jahren schon großer deutscher EM-Hoffnungsträger, längst zur tragenden Figur gereift. Gut drauf ist übrigens auch der Salzburger Konrad Laimer, der wohl Joshua Kimmich ersetzt.

Seit die Bayern – kluger Schachzug! – den Abschied von Trainer Thomas Tuchel per Saisonende fixiert haben, hat die Mannschaft eine Sorge weniger. Dass sich Tuchel als Champions-League-Sieger verabschieden muss, würde freilich perfekt zu den Turbulenzen der vergangenen Monate passen. "FC Bayern, Stern des Südens, du wirst niemals untergeh'n." (Fritz Neumann, 5.3.2024)

Schade, Bayern, alles ist vorbei!

Marschieren wie die Feuerwehr" werde der FC Bayern München, ließ Routinier Thomas Müller wissen. In der ausverkauften Arena werde "ein Knistern in der Luft" liegen. Also: "Pack ma’s!" Das alles klingt doch verdächtig wie das Pfeifen im Bayerischen Wald. Vor noch gar nicht allzu langer Zeit wäre ein Heimspiel gegen einen Mittelständler der Serie A, eine Mannschaft wie Lazio Rom, beim deutschen Rekordmeister kaum der Rede wert gewesen. Drüberfahren und fertig!

Der Aufstieg ins Viertelfinale der Champions League? Eine Selbstverständlichkeit! Denn was ist schon ein Tor Rückstand gegen eine Truppe, die Antiquitäten wie den 36-jährigen Spanier Pedro und den 34-jährigen Ciro Immobile ihre herausragenden Kräfte nennt, die nach Stand der Dinge in der nächsten Saison kein europäisches Leiberl haben wird?

Aber Lazio und das gerne angeführte Geschick der Italiener, einen Vorsprung über die Zeit zu bringen, sind ja gar nicht das Problem der Bayern. Die können sich die bange Frage "Wer san mia?" längst nicht mehr mit dem alten, selbstbewussten "Mia san mia!" beantworten. Seit dem "Corona-Triple" unter Trainer Hansi Flick 2020 ging es nur noch bergab, anfangs fast unmerklich, aber dafür stetig. Und beschleunigt noch durch die Abgänge von Unersetzlichen wie David Alaba und Robert Lewandowski.

Unter Sportvorstand Hasan Salihamidžić geriet der nötige Umbau der Mannschaft zur Demolierung. Der panikartige Trainerwechsel von Julian Nagelsmann zu Thomas Tuchel zeitigte nur dank schwacher Konkurrenz nicht die Konsequenz, die die Bayern am meisten fürchten: die Titellosigkeit.

In der laufenden Saison wird sie sich kaum mehr abwenden lassen. Bayer Leverkusen unter Coach Xabi Alonso ist nicht Dortmund. Und selbst wenn der Aufstieg unter die besten acht Teams in der Königsklasse gelingt, stellt sich die Frage, wen die Bayern da noch schlagen können sollen.

Hält Lazio auch nur halbwegs dagegen, wird es den Bayern wie Blei in die Beine fahren. Und in dem einen oder anderen Kopf könnte sich auch mit der Aussicht aufs sofortige Scheiden von Coach Tuchel der Gedanke festsetzen, dass eine Pleite mehr oder weniger auch keine große Rolle mehr spielt. (Sigi Lützow, 5.3.2024)