Ein Frau gibt ihre Stimme in Kalifornien ab.
REUTERS/Loren Elliott

Im US-Präsidentschaftsrennen geht am Dienstag mit dem Super Tuesday der bisherige Höhepunkt in diesem Jahr über die Bühne. Aber diesmal "fehlt das Wahldrama", schreibt die US-Zeitung "New York Times".

In mehr als einem Dutzend Bundesstaaten mit einer Gesamtbevölkerung von rund 134 Millionen Bürgern und Bürgerinnen werden parteiinterne Vorwahlen abgehalten, so viele wie an keinem anderen einzigen Tag. Demokraten und Republikaner entscheiden dabei, wen sie als Kandidaten für die Präsidentschaftswahl im November aufstellen.

Doch eigentlich stehen die jeweiligen Kandidaten bereits einigermaßen fest: Präsident Joe Biden ist bei den Demokraten faktisch gesetzt. Bei den Republikanern heißt der haushohe Favorit Donald Trump. Von bislang zehn Abstimmungen hat der Ex-Präsident alle bis auf eine mit großem Abstand gewonnen. Seine Rivalin Nikki Haley steht massiv unter Druck, den Weg freizumachen für eine Wiederauflage des Duells von 2020: Biden gegen Trump.

Einige spannende Fragen stellen sich allerdings doch. Etwa: Wie schneidet Haley ab, und welche Folgen wird sie daraus ziehen? Wird Biden wegen seiner Israel-Politik erneut von einem Teil der demokratischen Wählerinnen und Wähler abgestraft? Wie schneidet Trump bei Republikanern mit Hochschulabschluss ab?

Außerdem finden spannende Rennen um Ämter in Senat, Justiz und Verwaltung statt – mit wichtigen Vorentscheidungen in Texas und Kalifornien. Wird die Trump-Fraktion in Texas gemäßigtere Republikaner aus ihren Ämtern verdrängen? Und kommt es zu einem richtungsweisenden Showdown bei den Demokraten in Kalifornien? Ein Überblick zum traditionell wichtigsten Vorwahltag.

Frage: Was genau ist der Super Tuesday?

Antwort: An diesem Dienstag finden Vorwahlen in 15 der 50 US-Bundesstaaten und im Außengebiet Amerikanisch-Samoa statt. Von Arkansas bis Alaska und von Texas bis Kalifornien können registrierte Wahlberechtigte ihre Stimme für den bevorzugten Bewerber abgeben. Tatsächlich stimmen nicht beide Parteien in jedem dieser Bundesstaaten ab. In Alaska sind es etwa nur die Republikaner, die Demokraten ziehen am 6. April nach. In einem 16. Bundesstaat, nämlich Iowa, werden bei den Demokraten wiederum die Ergebnisse der seit Wochen laufenden Briefwahl bekanntgegeben. Dabei kommen sehr viele Stimmen für die Delegierten auf den Parteitagen zusammen. Zur Erinnerung: Präsidentschaftsanwärter brauchen eine Mehrheit der Delegiertenstimmen ihrer Partei, um sich die Nominierung am Parteitag, der sogenannten National Convention, zu sichern.

Frage: Wie viele Delegierte werden am Super Tuesday bestimmt?

Antwort: Gut ein Drittel. Laut der Nachrichtenagentur Reuters werden bei den Republikanern an diesem einen Tag 874 Delegierte für den Parteitag im Sommer bestimmt, das sind 36 Prozent. Bei den Demokraten von Präsident Joe Biden stehen 1421 Delegierte auf dem Spiel, was 37,7 Prozent entspricht.

Frage: Wann gibt es erste Ergebnisse?

Antwort: Erste Ergebnisse werden aufgrund der Zeitverschiebung hierzulande in der Nacht zum Mittwoch erwartet. Doch das umfassende Resultat kann dauern. Alaska liegt je nach Zeitzone zehn Stunden hinter Österreich, wegen des komplizierten Wahlsystems dauert die Auszählung oft besonders lange. In Kalifornien werden bis zum 12. März noch Briefwahlstimmen berücksichtigt, die bis Dienstag gestempelt wurden.

Frage: Warum könnte es diesmal nicht sehr spannend werden?

Antwort: Traditionell ist der Superwahltag für die US-Präsidentschaftskandidaten entscheidend: Das Abschneiden der Präsidentschaftsanwärter kann einen Wahlkampf begraben oder ihn erst so richtig in Lauf bringen. So war das etwa 2020: Joe Bidens Kampagne wollte zunächst nicht so richtig Fahrt aufnehmen. Am Super Tuesday überraschte er dann alle mit Siegen in zehn der 14 Vorwahlstaaten und drängte damit andere Kandidaten aus dem Rennen. Diesmal werden keine großen Überraschungen erwartet: Präsident Biden hat keine nennenswerte Konkurrenz bei den Demokraten, und Donald Trump führt in den Umfragen der Republikaner.

Frage: Stehen die Kandidaten im Anschluss an den Super Tuesday dann endgültig fest?

Antwort: Formell sind die Vorwahlen danach nicht entschieden: Denn bei den Republikanern geht die Rechnung für den führenden Trump nicht ganz auf. Er verfügt Reuters zufolge nach der Vorwahl im Regierungsbezirk Washington, D.C., über 247 Stimmen, Haley über 43. Doch da mindestens 1215 Stimmen zum Sieg erforderlich sind, würde es selbst dann nicht reichen, wenn er am Dienstag alle 874 Stimmen gewinnen würde. Die Trump-Republikaner gehen jedoch von einer beachtlichen Ausbeute von mindestens 773 Stimmen aus. Das würde Trumps Vorsprung auf Haley massiv ausbauen. Umfragen zeigen Trump ebenfalls deutlich vorn.

Frage: Worum geht es für Trump?

Antwort: Auch wenn für den Ex-Präsidenten eine Garantie mathematisch nicht in Reichweite ist, würde ein starkes Abschneiden beim Super Tuesday jedenfalls letzte Zweifel an Trumps Nominierung ausräumen und den Druck auf Haley erhöhen, das Handtuch zu werfen. Die ehemalige Gouverneurin macht derzeit noch keine Anstalten, sich zurückzuziehen: Sie hat mit Vorbereitungen für die Vorwahl in Georgia am 12. März begonnen.

Beobachter sprechen von ihrer letzten Chance, Trump auszubremsen. Zwar rechnet man ihr keine großen Erfolgschance zu, sie könnte aber Trumps potenzielle Schwachstellen freilegen. Schließlich hat dieser Mühe, gut gebildete Vorstädter für sich zu gewinnen – eine Bevölkerungsgruppe, die für seinen Traum von einem Comeback im Weißen Haus nicht unbedeutend ist.

Haley bei einer Wahlkampfveranstaltung.
Nikki Haley hat noch keinen Exit-Plan.
EPA/ADAM DAVIS

Interessant wird diesbezüglich etwa die Abstimmung bei den Republikanern in North Carolina an der Ostküste. Zwar geht es auf dem Papier nur um 74 Delegierte. Jedoch dürfen hier auch Bürger ohne Parteiregistrierung an der republikanischen Vorwahl teilnehmen. Haley verspricht sich davon einen Vorteil. Beobachter erwarten sich Hinweise von der Wahl und Nachwahlbefragungen, wie groß die Unterstützung von gemäßigten Wählern jeweils für Trump und Haley ist. Das dürfte auch für Bidens Aussichten in dem umkämpften Bundesstaat eine Rolle spielen. 2020 hatte hier noch Trump gewonnen, das will Biden ändern. Am Dienstag findet hier auch eine spannende Vorentscheidung im Gouverneursrennen statt, die jeweiligen Aussichten Bidens bzw. Trumps im November vorausahnen lassen könnte.

Frage: Was steht für Biden beim Super Tuesday auf dem Spiel?

Antwort: Der amtierende US-Präsident kann sich der Nominierung der Demokraten so gut wie sicher sein. Sein größtes Hindernis ist kein Rivale, sondern der Gazakrieg. Zuletzt hat Biden zwar die Vorwahl im US-Bundesstaat Michigan klar gewonnen. Bei der Abstimmung bekam er allerdings einen gehörigen Denkzettel verpasst: Über 100.000 Wähler verweigerten ihm ihre Unterstützung und stimmten stattdessen demonstrativ mit "uncommitted" ab – zu Deutsch etwa "neutral". Eine Kampagne hatte dazu aufgerufen, die Vorwahl zu nutzen, um gegen die Nahost-Politik des Präsidenten zu protestieren. Zuletzt gab es wieder Last-Minute-Kampagnen für ähnliche Protestabstimmungen am Super Tuesday: etwa in Kalifornien, Colorado, North Carolina, Minnesota und Vermont.

Doch keiner dieser Staaten hat eine ähnlich große muslimisch-arabische Gemeinde wie Michigan. Viele ihrer Mitglieder, die 2020 für Biden stimmten, sind wütend, weil er im Gazakrieg Israel unterstützt und ihrer Auffassung nach viel zu wenig für die Palästinenser tut, von denen Zehntausende durch die israelische Militärkampagne nach dem Massaker der Hamas im Oktober getötet wurden.

Joe Biden auf einem Poster neben Israels Premier Benjamin Netanjahu.
Joe Biden hat mit Proteststimmen wegen seines Israel-Kurses zu kämpfen.
EPA/ABIR SULTAN

Frage: Was passiert in Kalifornien und Texas?

Antwort: In manchen Bundesstaaten geht es am Super Tuesday nicht nur um die Präsidentschaftswahl. In Kalifornien suchen die Demokraten etwa eine Nachfolgerin beziehungsweise einen Nachfolger für die verstorbene Senatorin Dianne Feinstein. In Vorwahlen entscheidet sich, ob Kandidat Adam Schiff im November gegen seinen wenig aussichtsreichen Wunschgegner, den Republikaner Steve Garvey, antritt – oder aber gegen seine jüngere und liberalere Parteikollegin Katie Porter. Möglich ist dies, weil der traditionell demokratische "Golden State" auf ein System der "Top Two"-Primary setzt: Kandidatinnen und Kandidaten aller Parteien treten zur gleichen Vorwahl an, die beiden Bestplatzierten gehen dann am eigentlichen Wahltag im Herbst quasi in die Stichwahl.

Außerdem ist Kaliforniern ein wichtiger Teil der Strategie der Demokraten, das US-Repräsentantenhaus, wo die Republikaner derzeit eine hauchdünne Mehrheit haben, zurückzugewinnen. Auch hier könnten im Zuge des Super Tuesday einige wichtige Vorentscheidungen um vier im November angestrebte Sitze fallen. Vorentscheidungen um umkämpfte Kongresssitze gibt es auch in North Carolina und Texas. Dort versucht der Generalstaatsanwalt Ken Paxton, ein Trump-Republikaner, gegen jene gemäßigteren Republikaner auf dem Wahlzettel zu mobilisieren, die mit einem Amtsenthebungsverfahren gegen ihn wegen Korruptionsvorwürfen im Herbst gescheitert waren.

Frage: Warum so viele Vorwahlen an einem Tag?

Antwort: In den USA finden Wahlen traditionell am Dienstag statt, was den "Tuesday" erklärt. Doch die einzelnen Bundesstaaten entscheiden über den Ablauf der Abstimmungen, auch bei den Primaries genannten Vorwahlen. Im Jahr 1976 fanden erstmals sechs Primaries an einem Tag statt, damit war auch die Bezeichnung "Super" Tuesday in der Presse geboren. Der Ablauf in den USA ist von Wahljahr zu Wahljahr unterschiedlich. Im Jahr 2008 gab es einen "Super Duper Tuesday" mit Vorwahlen in 24 Bundesstaaten.

Seit Jahrzehnten wird über eine Reform des Systems diskutiert, unter anderem über eine "National Primary", bei der alle Staaten am selben Tag abstimmen würden. Die Bündelung auf möglichst wenige Tage wäre ein Schritt dorthin. (Flora Mory, Reuters, APA, 5.3.2024)