Models schauen ernst lächeln Laufsteg
Seltene Ausnahme: lachende Models während der Show von Emporio Armani in Mailand.
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Es ist die während der Modewochen wahrscheinlich meistgestellte Frage: Wieso sehen die Models auf den Laufstegen immer so furchtbar grantig aus? Warum lächeln die nie? Kaum eine Redaktionskonferenz, in der das Thema in den Modemonaten Februar und März nicht mindestens einmal auf den Tisch kommt.

Dabei ist die Fragestellung doch eigentlich seltsam. Oder sollte mit einer Gegenfrage beantwortet werden: Ja wieso denn nicht? Von anderen in der Öffentlichkeit stehenden Berufsgruppen wird nämlich selten ein Lächeln eingefordert. Warum auch? Wenn Politikerinnen und Politiker die Mundwinkel nach oben ziehen, wissen wir, dass sie im Wahlkampfmodus sind. Fußballspieler und Fußballspielerinnen, die mit starrer Miene einen Elfmeter verwandeln? Ich kann mich nicht erinnern, dass ein grumpy Fußball-Profi jemals Anlass für eine Debatte oder eine Geschichte war. Angespannte Mienen auf dem Platz sind schließlich ein Zeichen von Konzentration.

Doch Moment mal – steckt hinter dem Wunsch, die schönen Frauen und Männer auf den Laufstegen lächeln zu sehen, etwas ganz anderes? Gilt Modeln etwa nicht als echter Job? Die Vermutungen gehen sogar noch weiter. Während Models in den Fünfzigerjahren die gefälligen "living dolls" gaben, wurden spätestens mit Designern wie Yohji Yamamoto auf den internationalen Laufstegen nicht nur Ernsthaftigkeit, sondern auch andere Frauenbilder verbreitet. Ist die Tatsache, dass weibliche Models bei der Arbeit nicht lächeln müssen, möglicherweise auch eine Errungenschaft der Emanzipationsbewegung?

Momente des Lächelns

Wem das jetzt hier zu ernst wird: Ja, auch in der Mode gab und gibt es sie noch immer, die Momente des Lächelns. Erst unlängst traten die Models während der Emporio-Armani-Show in Mailand mit Regenschirmen lachend unter falschen Schneeflocken vor die Kameras. Das Model Pat Cleveland tanzte in den 1970er-Jahren gut gelaunt über die Laufstege. 1991 hakten sich die vier Supermodels Linda Evangelista, Christy Turlington, Naomi Campbell und Cindy Crawford während einer Versace-Show gemeinsam singend beieinander ein, dazu lief George Michaels "Freedom!".

UNCUT: Iconic Super Model finale walk of the Versace Fall 1991 show ("Freedom")
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Und ja, auch Naomi Campbell nahm ihren Sturz von ihren Vivienne-Westwood-Plateauschuhen 1993 mit Humor. Die Bilder des in die Knie gegangenen, lachenden Supermodels haben Modegeschichte geschrieben.

Tatsächlich muss man genauer hinschauen. Denn nicht jede Marke lässt streng schauen. Vielmehr setzen sich die Luxusmodehäuser mit vermeintlich ausdruckslosen Mienen von den zugänglichen Motiven der Retailer ab.

Jene Regel der Modeindustrie wurde in der satirischen Tragikomödie "The Triangle of Sadness" zielsicher aufs Korn genommen: Model Carl (alias Harris Dickinson), posierte da mit seinen Kollegen vor der Kamera. Wird ihnen der Markennamen "H&M" zugerufen, setzen die Männer ein künstliches Lächeln auf – Hashtag #HappyLife. Sobald sie den Namen der Luxusmarke Balenciaga hören, verfinstern sich die Mienen.

The Triangle of Sadness this scene is everything! #shorts
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Die Szene führt vor: Alles ist Inszenierung. Und Mundwinkel können verdammt fake nach oben gezogen werden. Vielleicht gibt das ja auch jenen zu denken, die noch daran glauben wollen, dass lächelnde Models bei der Arbeit glücklicher sind. (Anne Feldkamp, 6.3.2024)