Die deutsche Rentenversicherung braucht in den kommenden Jahren viel Geld. Ein Teil davon soll vom Aktienmarkt kommen.
Die deutsche Rentenversicherung braucht in den kommenden Jahren viel Geld. Ein Teil davon soll vom Aktienmarkt kommen.
Jens Schicke via www.imago-image

Deutschland hat ein ähnliches Problem wie Österreich: Immer weniger Menschen zahlen ins Pensionssystem ein, immer mehr kommen ins Pensionsalter. Auf einen Beitragszahler fallen also immer mehr Pensionsempfänger.

Ohne Gegensteuerung würden entweder die Renten, wie die Pensionen in Deutschland heißen, stark sinken müssen. Oder das Pensionsantrittsalter wie auch die Beitragssätze müssten stark steigen. Oder alles zusammen.

Das jedoch will niemand in der deutschen Ampelkoalition. Daher haben Sozialminister Hubertus Heil (SPD) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) nun die Eckpunkte für eine Rentenreform vorgelegt. Und diese beinhaltet ein Novum. Erstmals will der Staat am Kapitalmarkt investieren, um Geld für das Pensionssystem hereinzubekommen.

Video: Deutsche Regierung stellt Aktienrente vor.
AFP

"Über ein Jahrhundert wurden die Chancen des Kapitalmarkts in der gesetzlichen Rentenversicherung liegengelassen. Jetzt nutzen wir sie", sagt Lindner. Der Bund will in den nächsten Jahren ein Sondervermögen aufbauen, das "Generationenkapital" genannt wird. Bis Mitte der 2030er-Jahren sollen 200 Milliarden Euro beisammen sein. Es ist ausdrücklich nicht vorgesehen, dass die Pensionsbeiträge selbst in Aktienfonds fließen.

Globale Anlage

Woher die Mittel für den Kapitalstock kommen sollen, wird im Finanzministerium so beschrieben: Darlehen des Bundes, Eigenmittel in Form von Barmitteln und Vermögenswerten. Diese sollen dann "renditeorientiert und global diversifiziert am Kapitalmarkt" angelegt werden. Ab dem Jahr 2036 rechnet der deutsche Finanzminister mit einem Ausschüttungsbetrag von durchschnittlich zehn Milliarden Euro jährlich.

Sollten die Geschäfte schlecht gehen und keine Erträge erwirtschaftet werden, so sollen damit nicht die Versicherten belastet werden. Im Finanzministerium heißt es: "Von den Chancen des Generationenkapitals profitieren die Rentenversicherten, das Risiko trägt der Bund."

Eingerichtet wird ein dauerhafter Fonds, der von einer unabhängigen öffentlich-rechtlichen Stiftung verwaltet wird. Deren Vorstand soll über die Anlage der Mittel im Rahmen einer Anlagerichtlinie des Bundes entscheiden.

Das Generationenkapital wird nach seiner Installierung der dritte Topf, der die deutsche Rentenversicherung speist. Derzeit finanzieren Beitragszahler und -zahlerinnen die aktiven Rentnerinnen und Rentner, außerdem gibt es Zuschüsse des Staates aus Steuermitteln. Diese beliefen sich im Jahr 2022 auf 109 Milliarden Euro. Die Regierung will nun auch festlegen, dass das Rentenniveau nicht unter 48 Prozent eines Durchschnittslohns fallen darf.

Ein Wunsch der FDP

Die Aktienrente war schon im Wahlkampf vor der Bundestagswahl 2021 eine Forderung der FDP. Allerdings hatte das Vorhaben damals noch anders ausgesehen: Die FDP hatte dafür geworben, dass jeder zwei Prozent seines Einkommens in eine Aktienrente steckt.

Kritik an den Plänen der Regierung kommt von der Präsidentin des Sozialverbandes VdK, Verena Bentele: "Eine Geldanlage in Aktien rentiert sich, wenn überhaupt, erst nach etwa 30 Jahren", sagte sie zur Deutschen Presse-Agentur. Zur Stabilisierung des Rentensystems sei das viel zu spät. "Der Engpass entsteht jetzt, in den nächsten Jahren, wenn die Babyboomergeneration aus dem Erwerbsleben ausscheidet", so Bentele. "Wir brauchen keine spekulativen Investitionen auf dem Aktienmarkt, für die langfristig Milliarden Euro Schulden gemacht und nachfolgende Generationen belastet werden."

Dem widerspricht Arbeitsminister Heil: "Ich finde, das ist eine intelligente Form langfristiger Zukunftsvorsorge. Es geht nicht um irgendwelche Zockereien auf den Finanzmärkten, sondern um langfristig angelegtes Geld, um die gesetzliche Rente zu stärken." (Birgit Baumann aus Berlin, 5.3.2024)