Tiguan und Passat im Gruppenbild, da wird die aktuelle VW-Designsprache gleich augenscheinlich. Wermutstropfen beim Passat: Es gibt keine Limousine mehr. Im Fahrkapitel erreichen beide Fahrzeuge ein ganz neues Niveau.
Volkswagen Olaf Itrich

Heute gehen wir Gassi. Ist so ein lauer Vorfrühlingstag in der Provence. Brav läuft der Tiguan neben uns her. 50 Meter, mit maximal vier Kilometern pro Stunde – Stockerl werfen und apportieren lassen geht nicht, da ist er zu gut dressiert. Hat er dann sein Ziel erreicht, kann man sich beruhigt auf einen Kaffee in die Sonne setzen, wohl bekomm's, Karin, und dem Nachhall der Trobadore lauschen, die zur Zeit der weiland hier herrschenden deutschen Salier-Kaiser ihre jeweilige Minna besangen.

Reißen wir uns los von müßigen Gedanken, das geschilderte Szenario hat weder mit Hunden noch Tigern noch höfischer Sangeskunst zu tun, es ist vielmehr Teil eines Assistenzpakets, das auf mannigfache Weise Ein- und Ausparken erleichtert. Soll ja immer häufiger Menschen geben, die da nicht mehr ganz sattelfest sind.

Ergonomische Gestaltung des Cockpits und ein riesiger zentraler Bildschirm sind die Hauptauffälligkeiten aktueller VW-Modelle, so auch im Passat. Der im Übrigen durch hochwertige Materialanmutung und üppige Raum- und Platzverhältnisse zu punkten trachtet.
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Begleitetes Denken – Pardon: Parken, Speichern von bis zu fünf Parkmanövern, "Remote-Parking" per Smartphone oder eben Aufzeichnen der letzten 50 gefahrenen Meter, damit der Wagen dann immer selbsttätig die gewünschte Endstation erreicht.

Dasselbe dienstleistungsorientierte Können auf den ersten und letzten Metern einer Fahrt beherrscht auch der Passat, und damit sind wir endgültig bei der Doppelconference, der Doppelpräsentation, die VW dieser Tage in erwähnter Region zelebrierte.

690 bis 1920 Liter Volumen fasst der Kofferraum. Bei Plug-in-Hybrid ist es branchenüblich weniger, da lässt sich der Kofferraumboden nicht mehr eine Stufe tiefer stellen.
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Zwei auf einen Schlag, das ist in mehrerlei Hinsicht nachvollziehbar: hie ein in Würde alternder Star, der sich seit 1973 über 34 Millionen Mal verkaufte, da ein Jungdutter mit mehr als 7,6 Millionen zahlenden Gästen seit 2007 – und beide basierend auf der weiterentwickelten, deshalb mit Zusatz Evo versehenen und in zwiefachem Wortsinn verdienstreichen MQB-Architektur (Modularer Querbaukasten).

Es ist eine Aktion Paukenschlag: Derweil alle (europäische) Welt gebannt auf die Mobilitätswende und die zugehörigen E-Mobile starrt, die nur den Nachteil haben, dass die Kundschaft sich nicht in den politmedial gewünschten Massen einstellt, rücken die Wolfsburger mit Tiguan und Passat zwei exzellente – ich wiederhole: exzellente konventionell angetriebene Fahrzeuge ins Rampenlicht.

Besondere Auffälligkeit im Tiguan-Bedienkonzept ist der "Fahrerlebnisschalter", der runde Drehregler vor den zentralen Becherhaltern. Da lässt sich unter anderem auch die Lautstärke regeln – das Klima nicht, da bleibt es noch, wie bei allen VWs, eine Weile beim Touchkonzept. Bedauerlich.
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Exzellent zum Beispiel und ganz besonders im Fahrkapitel. Mit japanischer Zulieferhilfe (ja können die das denn nicht selbst?) haben die Deutschen ein bravouröses adaptives Fahrwerk hingezaubert, das auf den letzten Drücker fertig wurde und von der – soweit machbar – optimalen Balance der Reaktion auf Zug und Druck lebt. Nennt sich DCC Pro, werkt mit Zweiventildämpfern, ein Ventil reagiert auf Zug, eines auf Druck, stets blitzartig, ein Wunder, dass das Öl nicht zu sieden beginnt. Eintauchen, ausfedern: selten so harmonisch und geschmeidig erlebt.

Schon der Tiguan, speziell aber der Passat fährt sich damit, in Verbindung mit einer Lenkung, deren lückenlos lineare Führung nichts zu wünschen übrig lässt, wie ein Oberklassemodell – Baureihensprecher Martin Hube scheut sich nicht, einen Vergleich mit dem BMW 5er Touring in den Mund zu nehmen, in diesem Passat könne man "Business-Klasse neu erleben", ich will zur Widerrede ansetzen, unterlasse es nachdenklich aber doch.

652 bis 1650 Liter lautet das Kofferraumvolumen beim Tiguan dritter Generation.
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"Du hast das Ziel erreicht. Es befindet sich auf der rechten Seite." Die stets duzende Navigationsansagerin wäre das erste Störelement, das mir bei den Ausfahrten mit Passat und Tiguan auffällt, das ist unhöflich, noch mal zurück in die Benimmschule. Der andere Punkt ist der, dass es den gemeinsam mit den Kollegen von Škoda entwickelten Passat und anders als deren neuen Superb nicht mehr als Limousine gibt, auch die SUVisierte Hochbeinkombiversion Alltrack ist bedauerlicherweise dem Rotstift zum Opfer gefallen.

Auf 4,92 Meter Länge angewachsen ist der Passat in neunter Generation, 4,77 waren es zuletzt, "das reicht dann auch, wir haben nicht den Ehrgeiz, die Fünfermarke zu durchbrechen", beruhigt Hube. Es ist jedenfalls einer der ganz selten gewordenen Kombis, die auf den Zusatz Lifestyle verzichten, das Heck also nicht abflachen, und so großzügige Raumverhältnisse und Allrounderqualitäten schaffen. 652 bis 1650 Liter Volumen weist der Kofferraum aus, bei Plug-in-Hybrid wird es knapper, und damit sind wir bei der Antriebspalette.

Die Heckleuchtengestaltung mit einer Art von Rauchglas drüber brachte 2018 erstmals der T-Cross ins Spiel. Inzwischen zieht sich das als Designmerkmal über alle neuen VWs, vorne wie hinten.
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Im Vollausbau reicht die von 1,5-Mildhybrid über drei Selbstzünder bis zu zwei Plug-in-Hybriden, bei Letzteren verkleinert sich der Tank auf 45 Liter, ein größerer hat nicht mehr Platz. Selbe Motorisierungen beim Tiguan, ergänzend kommen dort ein schwächerer 1,5-Liter-48-Volt-Mildhybrid (130 PS) hinzu und ein 2,0-Liter-Turbobenziner (265 PS) – zum Ausgleich entfällt der 122-PS-Einstiegsdiesel. Die E-Reichweite bei PHEV steigt jeweils auf 120 km – wobei die 19,7-kWh-Batterie dieselbe Bauraumgröße hat wie die bisherige mit 10,6.

Der Tiguan ist der neue Golf: Seit Jahren ist der moderat auf 4,54 m Länge (bisher 4,49 m) gewachsene SUV das weltweit meistverkaufte VW-Modell, von Anfang an vermochte dessen durchdachtes Konzept zu überzeugen, wenn auch in der ersten Generation ein bisserl arg viel billiges Hartplastik verbaut war.

Apropos: Im Passat-Innenraum sind rund 80 Prozent aller Materialien rezykliert, im innen ebenfalls hochwertig anmutenden Tiguan ist es nicht viel anders, das Kapitel Kreislaufwirtschaft ist inzwischen dankenswerterweise bei allen Herstellern angekommen.

Und noch einmal ein Blick nach innen: Die Welt da vorn bei Passat und Tiguan dominiert ein riesiger (optionaler) 15-zölliger Berührungsbildschirm. Bis VW die Temperaturbedienung wieder auf physische Tasten und Knöpfe umstellt, wird's noch dauern. Immerhin hat der Tiguan einen multifunktionalen "Fahrerlebnisschalter", einen großen Drehregler für Fahrprofile, Antriebsmodi, Lautstärke.

Und das Außendesign? Folgt einer neuen, unaufdringlich-eleganten Grundphilosophie. Soll also möglichst vielen gefallen.

Rund um Passat und Tiguan

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Der erste Passat erblickte 1973 das Licht der Welt und war noch als Fließheckmodell konzipiert. 1974 folgte bereits der Kombi – auf den musste der ebenfalls 1974 lancierte Golf noch bis 1993 warten.

Volkswagen

Zur Passat-Erfolgsgeschichte zählt auch die: 1983 begann mit der Stufenheckversion Santana das (Joint-Venture-)Engagement von VW in China, Grundlage für die langjährige Marktdominanz.

Stockinger

Der Tiguan hat dem Golf den Rang als weltweit meistverkauftes VW-Modell abgelaufen. Die erste Generation erschien 2007 – relativ spät in dieser SUV-Klasse, aber auf Anhieb ein Verkaufsschlager.

Skoda

Aktuell größter MQB-SUV-Beitrag ist der neue Škoda Kodiaq, der mit 4,76 m Länge den Tiguan um 22 cm toppt. Die vergleichbare Tiguan-Langversion Allspace heißt künftig Tayron, kommt im Sommer. (Andreas Stockinger, 6.3.2024)