Wien - "Sin City" made in Germany. So in etwa könnte man Matthias Glasners Comicverfilmung "Nachts im Paradies" beschreiben: Ein abgefuckter Taxler (Jürgen Vogel), notgeile Alkoholleichen und eine "letzte Hure", herrlich verrucht gespielt von Birgit Minichmayr im Latex-Pailletten-Outfit. Canal+ hat die Serie vor der Versenkung gerettet. Zum Glück.

Jürgen Vogel und Birgit Minichmayr bei der Premiere von
Jürgen Vogel und Birgit Minichmayr bei der Premiere von "Nachts im Paradies".
Foto: Canal+

In den USA haben Real-Comicverfilmungen eine lange Tradition. Nicht so in Deutschland. Da denkt man am ehesten an "Der bewegte Mann" mit Til Schweiger, für den das deutsche Publikum Mitte der 1990er in Scharen in die Kinos strömte. Es gibt nicht viele deutsche Regisseure, die den Mut für so ein riskantes Manöver hätten, und wer wäre besser geeignet als Matthias Glasner ("Sterben"), ein provokanter Bilderstürmer, der bei "Nachts im Paradies" die Regieaufgaben mit Bettina Oberli geteilt und das Drehbuch mit Hannah Schopf geschrieben hat.

Er hat seinen guten Freund Jürgen Vogel und Birgit Minichmayr von der norwegischen Polarnacht (in seinem 2012er Drama "Gnade") in die deutsche Finsternis verpflanzt. Wenn man es nicht besser wüsste, könnte man meinen, man ist in Frank Millers "Sin City" gelandet, jenem Sündenpfuhl, in dem es ohne Unterbrechung auf gescheiterte Existenzen niederregnet. Ein bisschen von Jim Jarmuschs Taxi-Film "Night on Earth" (1991) steckt auch drinnen.

Surreale Züge

Tatsächlich sind wir aber im Universum des Münchener Künstlers Frank Schmolte gelandet, der 2019 in der Graphic Novel "Nachts im Paradies" seine Erlebnisse als Taxler rund ums Oktoberfest in Schwarz-Weiß verdichtete. In diesem "dekadenten Moloch" sind alle "doomed", sagt eine Figur. Gleich zu Beginn sehen wir wie Jürgen Vogels Vincent in seinem Taxi hockt, umgeben von betrunkenen Nachtgestalten. Währenddessen irrt seine 18-jährige Tochter (außerordentlich begabt: Lea Drinda aus der Fernsehserie "Der Greif") durch die Nacht. In einem Club wird ihr Drink mit Drogen versetzt, und nun taumelt sie umher, verfolgt von Halbstarken, die sie vergewaltigen wollen und in ihrem Kopf zu sabbernden Rottweilern mutieren. Das Ganze nimmt interessante surreale Züge an, wie wenn sich die Tochter wünscht, dass der Vater sie auf einem schwarzen Hengst rettet, aber in Wahrheit ist es eine röhrende Ducati, und der Vater ist kein Held.

Nachts im Paradies | Deutscher Trailer | CANAL+
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Minichmayr als die "letzte Hure"

Und dann landet auch Birgit Minichmayrs Edelprostituierte, oder die "letzte Hure", wie sie auch genannt wird, in Vincents Taxi. Mit kirschroten Lippen, die im Dunkeln leuchten, und einem hautengen, goldenen Paillettenkleid in hochhackigen Lackstiefel über dem Knie und schwarzer Latexjacke, ist die österreichische Schauspielerin der Traum einer Femme fatale. Sie "erfüllt die letzten Wünsche derer, die schon alles haben", sagt sie, deshalb der Name. "Dann bin ich der letzte Taxi-Fahrer", kontert Vincent. Sie lacht. "Wir beide sind der Spätkapitalismus".

Nach nur einer Folge ist es schwer zu sagen, wo das alles hinführt, aber wenn Matthias Glasner an Board ist, dann wird es um nicht weniger als das große Existenzielle gehen. Ursprünglich hätte "Nachts im Paradies" - von der Wiener Satel Film mitproduziert - das erste deutsche Original von Lionsgate+ (ehemals Starzplay) werden sollen, aber der Streamer hat sich noch während der Dreharbeiten aus dem Geschäft zurückgezogen. Canal+, seit 2022 auch in Österreich aktiv, ist dankenswerterweise eingesprungen und zeigt nun den Sechsteiler. (APA, 7.3.2024)