Acker
Gesunde und nachhaltig bewirtschaftete Böden sichern nicht nur die Lebensmittelversorgung, sondern können als CO2-Speicher auch dabei helfen, die Auswirkungen des Klimawandels zu verringern.
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Die Bodennutzung spielt als Faktor im Klimawandel in öffentlichen Debatten nach wie vor eine untergeordnete Rolle – das ist nicht zuletzt an den aktuellen Politquerelen zu einer Flächenverbrauch-Obergrenze ablesbar. Ein Grund dafür liegt wohl auch darin, dass gerade Bewohnerinnen und Bewohner urbaner Räume weniger Bezug zu Landwirtschaft haben als zu Themen wie Mobilität oder Wohnen. Der Gedanke, dass Böden bei richtiger Bewirtschaftung enorme Kohlenstoffspeicher sein können, ist in den Köpfen der Menschen viel weiter weg als etwa ein Umstieg aufs E-Auto.

Kinder als Zielgruppe

Folgerichtig ergibt es bei Aufklärungsmaßnahmen Sinn, in den Städten anzusetzen. Genau das macht das Projekt "HuLK" („Humus – Landwirtschaft – Klima“), in dem Forschende von den Instituten für Pflanzenbau und Bodenforschung der Wiener Boku mit Partnern versuchen, Kinder bereits früh in ihrer Bildungslaufbahn mit der Rolle von Böden und Landnutzung vertraut zu machen. Damit ist es Teil einer breiteren, auch von der EU stark propagierten Initiative, die mehr Aufmerksamkeit auf das Thema lenken will.

Zielgruppe von HuLK sind Kindergärten, Volksschulen und Mittelschulen. Ein Schwerpunkt liegt auf sozioökonomisch schwächeren Stadtgebieten mit hohem Migrantenanteil, wo Schülerinnen und Schüler nicht nur weniger Berührungspunkte zur Klimadebatte, sondern auch geringeren Zugang zu einem von Experimenten getragenen Unterricht haben. Unterstützt wird HuLK von der Förderagentur FFG mit Mitteln des Klimaschutzministeriums. Als Vorzeigeprojekt in seinem Bereich wurde es 2023 auch mit dem "Erdreich"-Bodenschutzpreis des Klimaschutzministeriums ausgezeichnet.

Boden als lebendiges Ökosystem

"Auf den ersten Blick ist der Boden für viele eine langweilige, tote Sphäre. Wir wollen zeigen, dass es sich um ein lebendiges Ökosystem handelt. Wenn man genauer hinschaut, entdeckt man darin Milliarden Lebewesen, die atmen und Kohlenstoff verbrauchen", veranschaulicht Gernot Bodner von der Boku, der das Projekt gemeinsam mit seinen Kolleginnen Sabine Huber und Magdalena Bieber umsetzt. "Greift man über die Landnutzung in den Kohlenstoffhaushalt ein, kann sich das auch stark auf das Klima auswirken – positiv wie negativ."

Mähdrescher
Wie viel CO2 Böden binden können, hängt auch von ihrer Bewirtschaftung ab. Flächen, die durchgehend bepflanzt sind, speichern das Treibhausgas wesentlich besser als Flächen ohne Bewuchs. Letztere geben sogar mehr CO2 ab, als sie aufnehmen.
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In der Wissenschaft würden in den letzten Jahren zwei Themen intensiv diskutiert, sagt Bodner: einerseits Carbon-Farming, das auf eine langfristige Kohlenstoffspeicherung abzielt, andererseits eine regenerative Landwirtschaft, die naturnahe Strategien für eine gute Bodengesundheit ins Zentrum rückt. "Früher dachte man, dauerhaft im Humus gespeicherter Kohlenstoff sei eine Frage der chemischen Stabilität von verholzten Pflanzenteilen", erklärt der Ökologe. "Heute ist klar, dass für Carbon-Farming im Gegenteil jene Pflanzen wichtig sind, die von Mikroorganismen leicht verstoffwechselt werden. Zerfallsprodukte haften dank ihrer elektrischen Ladung an mineralischen Komponenten und bleiben so langfristig im Boden."

Bodenprofile basteln

Neue Strategien zur Bodenregeneration benötigen ebenfalls ein besseres Verständnis des Mikrobioms und der entstehenden Kohlenstoffverbindungen. Prozesse der Natur sollen in der Landwirtschaft möglichst gut nachgespielt werden. "Eines der wichtigsten Merkmale einer innovativen, naturnahen Bewirtschaftung ist, dass der Boden immer mit Pflanzen bedeckt sein soll, auch vor der Aussaat und nach der Ernte", sagt Bodner. Landflächen mit durchgehendem Bewuchs werden auch viel eher zu Kohlenstoffspeichern, nackte Ackerböden geben dagegen mehr CO2 ab, als sie aufnehmen.

Achtjährigen Schulkindern kann man das so nicht erklären. Hier ist es wichtig, Zusammenhänge sinnlich erfahrbar zu machen. Die Boku-Forschenden rücken in bis zu neunköpfigen Teams aus, um in den Klassen Gruppenarbeiten zu organisieren. "Wir basteln mit den Kindern Bodenprofile, bepflanzen sie mit verschiedenen Spezies und beobachten mit Wärmebildkameras, wie den Pflanzen heiß wird, wenn die Wasserspeicher zur Neige gehen", gibt Bodner ein Beispiel. "Damit können wir gut veranschaulichen, wie ein gesunder Boden als Puffer für Klimaextreme dient."

Trockener Ackerboden
Böden können Klimaextreme abfedern, aber auch verstärken, etwa wenn Böden so stark ausgetrocknet sind, dass sie nur geringe Mengen Niederschlag aufnehmen können.
IMAGO/Martin Wagner

Neugier mit Experimenten wecken

Bei anderen Experimenten werden Digitallupen benutzt, um kleinste Lebewesen zu beobachten, oder es wird das Atmen des Bodens nachgewiesen – einfach, indem Erde und ein CO2-Sensor in einem luftdichten Plastiktopf eingeschlossen werden. Bei weiteren Aktivitäten holen die Forschenden die Kinder an die Uni oder schicken sie auf Exkursionen in Labore oder Landbaubetriebe. "Erwachsene" Varianten dieser experimentbasierten Vermittlung wurden von Bodner und Team bereits bei Schulungen von Landwirten oder Studierenden eingesetzt. Im neuen EU-Projekt "Curiosoil" soll die "Bodenerziehung" auf eine noch breitere Basis gestellt werden.

Auch wenn die strukturellen und sozialen Schranken im Bildungssystem mit Projekten dieser Art kaum zu durchbrechen sind, hofft der Ökologe darauf, die Kinder zumindest neugierig auf Wissenschaft zu machen. Bodner: "In einer Volksschule im 20. Bezirk hat ein Mädchen bei unserem Besuch begonnen, Pflanzen im Schulgarten auszurupfen, und dabei immer wieder gerufen: ,Ich bin eine Forscherin!‘ Momente wie diese sind sehr berührend." (Alois Pumhösel, 31.3.2024)