Medienleute abdrängen, die Hand vor deren Kameralinse halten: Das kennt man von vielen Corona-Demos, wo Teilnehmer Journalisten immer wieder angriffen, schubsten, beschimpften und bedrohten oder kurz gesagt an deren Berichterstattung zu hindern versuchten. Dabei ist das Filmen einer Demo rechtlich ganz klar gedeckt – DER STANDARD berichtete ausführlich.

Pro Palestine Demo, 16. 10. 2023 Ballhausplatz, Wien, Österreich.
Eine andere Pro-Palestine-Demo am 16. 10. 2023 auf dem Ballhausplatz.
Tabea Kerschbaumer

Dass nicht nur Rechtsextreme und Schwurbler die Pressefreiheit attackieren, sondern auch Personen, die traditionell aus der linken Hälfte der Republik stammen, zeigen einige Demos seit dem Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 und dem daraus resultierenden Krieg in Gaza.

Graue Wölfe

Demos, die "Solidarität mit Palästina" bekunden, auf denen aber vor allem auch hart gegen Israel ausgeteilt wird und manche Parolen als antisemitisch einzustufen sind, finden in Wien regelmäßig statt. Mit dabei sind auch – wie zuletzt am Samstag letzter Woche – Anhänger der nationalistischen und antisemitischen türkischen Grauen Wölfe.

Berichtet wird über politische Demos regelmäßig vom Presseservice Wien, einem Medienprojekt zur Dokumentation sozialer Bewegungen und Mobilisierungen in der rechtsextremen und islamistischen Szene. So auch am 3. März. Wie ein auf X (vormals Twitter) veröffentlichtes Video des Presseservice Wien zeigt, wurde die Person, die versuchte, eine Rede auf dem Platz der Menschenrechte zu filmen, von mehreren Demonstrierenden handgreiflich abgedrängt. "Wir wollen Sie hier nicht haben" oder "Ich hab mir deine Beiträge schon angeschaut", wird in die Kamera gerufen, während die filmende Person immer weiter zurückgedrängt wird.

"Nur die Polizei kann unter sehr strengen Voraussetzungen Menschen vom Ort einer Versammlung ausschließen und für den Zutritt von Journalistinnen und Journalisten allenfalls einen Presseausweis verlangen" erklärt Walter Strobl, Leiter des Rechtsdienst Journalismus beim Presseclub Concordia, im Gespräch mit dem STANDARD. "Letztlich kommt es aber nicht auf den Presseausweis an, sondern darauf, ob man über eine Sache von öffentlichem Interesse berichtet.“

„Wenn irgendein Privater glaubt, er darf Teile des öffentlichen Raums abriegeln, Journalistinnen und Journalisten von einer Demo ausschließen oder einen Ausweis verlangen, unterliegt er einem groben Irrtum", führt Strobl weiter aus. Wenn man trotzdem abdränge, sollte das "den Behörden zur Kenntnis gebracht werden, diese sind verpflichtet, Journalistinnen und Journalisten zu schützen“. Doch laut Presseservice Wien waren zwei Medienkontaktbeamte der Polizei hier wenig hilfreich.

Unter jenen, die in dem Video auftauchen, ist auch der Landessekretär des KZ-Verbands Wien, Ernst Wolrab, der auch eine Rede hielt, in der er Israel wegen eines "Genozids" verurteilt. "Ich habe als Privatperson dort gesprochen und nicht als Vertreter des KZ-Verbands", sagt Wolrab dem STANDARD. Auf die Frage, warum er die Hamas nicht kritisierte, sagt er: "So schlimm der Angriff der Hamas auf die Zivilbevölkerung in Israel auch war, muss man das im Kontext von 75 Jahren Terror gegen das palästinensische Volk sehen."

Diskussionen

Die Haltung Einzelner zum Krieg in Gaza sorge im Wiener KZ-Verband schon seit Jänner für Diskussionen, erzählt am Donnerstag Winfried Garscha dem STANDARD: Er rückte im Jänner der früheren Obfrau Dagmar Schindler als Obmann nach, nachdem sich diese – "aus persönlichen Gründen" – zurückgezogen hatte. Unter anderem wollten einige, dass man die Statuten dahingehend ändern solle, dass sie künftig nicht nur "antifaschistisch", sondern auch "antiimperialistisch" beinhalten sollen. Garscha sieht keine Notwendigkeit für eine Veränderung, denn man sei "78 Jahre gut mit unseren Statuten gefahren".

Der überparteiliche Verband wurde 1945 von Widerstandskämpferinnen und -kämpfern und Opfern des Faschismus gegründet. In einer außerordentlichen Generalversammlung am 23. März wird jedenfalls ein neuer Vorstand gewählt, so Garscha: "Ich hoffe, dass es sich bei der Wahl so ausgeht, dass es keine Veränderung in den Statuten braucht, ansonsten halte ich den Bestand des KZ-Verbands für gefährdet." (Colette M. Schmidt, 7.3.2024)