Lina Ehrentraut (li.) und Svea Mausolf (re.), die auf Instagram als Sveamaus bekannt ist, wurden von Autorin Stefanie Sargnagel am 8. März in den Stadtsaal Wien zu einer Lesung voller Comics, Memes und Spaß eingeladen.
Damian Rosellen/Heike Kandalowski,

Freche Kurzhaarschnitte, seltsame Wohnzimmereinrichtungen und zum Abrunden noch die Band Modern Talking: Die Motive von Svea Mausolfs Memes stammen oft aus dem Leben von Boomern und erreichen auf Instagram 187.000 Follower. Die Comic-Künstlerin Lina Ehrentraut beschäftigt sich hingegen mit emotionalen Aspekten zwischenmenschlicher Beziehungen, mit Sex und Selbstzweifeln.

STANDARD: Wie ist es, in der Öffentlichkeit lustig und kein Mann zu sein?

Sveamaus: Man wird als Frau generell mit mehr Hass konfrontiert, nicht nur im Humorsektor. Für mich ist es schwierig, dieses Frau-Sein und Mann-Sein zu unterscheiden. Als homosexuelle Frau werde ich von heterosexuellen Männern oft gar nicht als richtige Frau wahrgenommen. In einer Welt, die für Frauen sowieso schwieriger ist, gibt mir das aber auch Freiheit, weil ich in diesen Konstrukten gar nicht stattfinde.

Ehrentraut: Man hat es als queere Person in unserer Gesellschaft natürlich schwerer, aber dafür gibt es viel Wertschätzung von Menschen, die auch betroffen sind. In meiner Indie-Comic-Szene gibt es generell viele queere Personen. Das ist eine sehr dankbare Bubble.

STANDARD: Was passiert, wenn Sie aus der eigenen Bubble ausbrechen?

Sveamaus: Accounts, die sich mit Frauenhass auseinandersetzen, werden oft in die misogyne Szene gespült und bekommen Hass zu spüren. Mit meiner steigenden Reichweite habe ich auch gemerkt, dass ich mich zügeln muss, um nicht anzuecken. Mittlerweile finde ich nicht nur mehr in der liebevollen Bubble statt.

STANDARD: Heute ist der 8. März. Wie nennen Sie diesen Tag?

Ehrentraut: Feministischer Kampftag.

Sveamaus: Ich finde, feministischer Kampftag sollte jeden Tag sein.

Ehrentraut: Ich bewege mich nicht in der binären Bubble, wo ich den Begriff Frauentag verwenden würde. Dieser Tag soll dem intersektionalen Feminismus gewidmet sein.

STANDARD: Wie gehen Sie damit um, wenn jemand "Frauentag" sagt?

Ehrentraut: Mit Leuten, die diese Themen nicht mitkriegen, unterhalte ich mich gerne darüber. Aber wenn jemand mit einer kompletten Blockade an das Thema rangeht, überlege ich mir, wie viel Energie ich aufwenden möchte.

STANDARD: Bei einem klassischen Sveamaus-Meme sieht man ein Foto mit einem Boomer-Spruch. Wie kam es dazu?

Sveamaus: Angefangen hat das mit Politikern, und irgendwie bin ich bei Selfies von Boomern gelandet. Ich arbeite mich an meinen eigenen Erfahrungen ab, mit denen ich täglich konfrontiert bin.

STANDARD: Entdecken sich manchmal die Leute auf Ihren Bildern?

Sveamaus: Ich achte darauf, dass die Bilder nicht aus dem deutschsprachigen Raum sind. Für mich sind das eher leere Gefäße, die ich befülle. Einmal hat sich jemand erkannt, dann habe ich mich entschuldigt und das Bild sofort gelöscht.

STANDARD: Angela Merkel kommt besonders oft vor.

Sveamaus: Dieses Gesicht hat mich ein Leben lang begleitet. Ich bin keine Christdemokratin und finde viel von dem, was sie fabriziert hat, schrecklich, aber sie ist eine Konstante in meinem Leben.

STANDARD: In Ihrem Comicdebüt "Melek + ich" geht es viel um die Auseinandersetzung mit sich selbst.

Ehrentraut: Ich denke viel über Einsamkeit und verschiedene Wege nach, die man gehen kann. Durch meine Comics kann ich tagträumen und ausprobieren, wie mein Leben verlaufen wäre, wenn ich andere Entscheidungen getroffen hätte. Dafür muss man auch gar nicht so gut schreiben können. Durch die Kombination aus Bild und Text entsteht eine zusätzliche Ebene, in der man ohne Worte Dinge erklären kann, die sonst in reinem Fließtext nur schwer darstellbar wären.

STANDARD: Kostet es viel Überwindung, wenn man Einsamkeit, Zweifel und Sexualität so offen darstellt?

Ehrentraut: Als dickere, sexpositive Person ist das normal. Meine Geschichten sind nicht autobiografisch. Es ist Fiktion, in der Elemente aus meinem Leben vorkommen. Dinge, die mir zu privat sind, kommen dort gar nicht vor.

STANDARD: Wie reagieren Leute in Ihrem Alltag eigentlich auf das, was Sie machen?

Sveamaus: In meinem Lohnarbeitsalltag in der Bildbearbeitung habe ich alle blockiert.

STANDARD: Alle?

Sveamaus: Eine habe ich nicht blockiert, weil sie mir immer Igelvideos schickt.

STANDARD: Ist das kein Risiko bei 187.000 Followern?

Sveamaus: Ja, ich habe mir da selbst ans Bein gepisst. Aber das passiert.

STANDARD: Das Internet ist prägend für Ihre Kunst. Ist es ein guter Ort?

Ehrentraut: Ich liebe das Internet. Ich bin dort auch viele Stunden am Tag. Es ist schade, dass ich weniger lese als früher, aber vom Entertainmentfaktor her ist das Internet tipptopp. Fünf Sterne fürs Internet.

Sveamaus: Ich würde sogar sechs Sterne vergeben.

STANDARD: Schlechte Seiten hat es keine?

Sveamaus: Ich glaube, auch Bücher haben schlechte Seiten.

STANDARD: Ihre Kunst verbindet eine Vorliebe für das Abgründige.

Ehrentraut: Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Leute aus Österreich meine Sachen gerne mögen.

Sveamaus: Mir gefällt es dreckig und eklig. Da kann es schon einmal richtig wehtun. Ich denke, der Österreicher mag das auch. (Jakob Thaller, 8.3.2024)