Death Valley, Wasser
In kaum einer Gegend kann es so heiß und trocken werden wie im Death Valley in den USA –die Temperaturanzeige auf diesem Bild zeigt aufgrund eines Defekts dennoch eine etwas zu hohe Temperatur an.
REUTERS/David Becker

Das Death Valley in Kalifornien kann ein wahrlich unwirtlicher Ort sein. Am 10. Juli 2021 wurde dort mit 54,4 Grad Celsius eine der höchsten Lufttemperaturen auf der Erde gemessen. Durchschnittlich zwei Tage im Monat regnet es, dann fallen an manchen Stellen ein paar Tropfen, ansonsten ist es bis auf vereinzelte Überschwemmungen meist staubtrocken.

Umso mehr verwundert es, dass es Forschenden gerade im Death Valley, einem der heißesten und trockensten Orte der Welt, kürzlich gelungen ist, Trinkwasser zu erzeugen – aus der Luft. Sie nutzten dafür ein Gerät, das aussieht wie ein Teleskop und klein genug ist, dass es in einem Rucksack Platz hat. Während der Nacht nimmt das Gerät Luftfeuchtigkeit auf, untertags wandelt es die absorbierte Feuchtigkeit mithilfe der Sonnenenergie in Trinkwasser um. Pro Gerät und Tag lassen sich immerhin ein bis zwei Gläser mit Trinkwasser füllen, zeigten die Forschenden in einer kürzlich veröffentlichten Studie in der Fachzeitschrift "Nature".

Klimawandel verschärft Wasserkrise

Für die Wissenschafter ist das ein großer Erfolg. Ein solcher Wasserernter soll es künftig möglich machen, auch in besonders heißen und trockenen Regionen der Erde Trinkwasser zu erzeugen. Der Bedarf wäre groß: Laut den Vereinten Nationen haben derzeit zwei Milliarden Menschen – rund ein Viertel der Weltbevölkerung – kein sauberes Trinkwasser. Bis 2050 könnten – verstärkt durch den Klimawandel – fünf Milliarden Menschen regelmäßig Wasserknappheiten erleben.

Objektiv betrachtet mangelt es freilich nicht an Wasser auf diesem Planeten: Mehr als zwei Drittel der Erdoberfläche sind mit Wasser bedeckt. Das Problem liegt eher darin, das Wasser als Trinkwasser zur Verfügung zu stellen. Meerwasserentsalzungsanlagen brauchen viel Energie und sind teuer – zudem braucht es dafür einen Zugang zum Meer. Die Grundwasserspiegel wiederum sinken seit Jahren beinahe überall auf der Welt, wie Studien gezeigt haben – besonders in trockenen und landwirtschaftlich stark genutzten Gegenden. Dadurch wird es zum Teil immer schwieriger, an Trinkwasserquellen zu gelangen.

Atmosphäre nutzen

Eine weitere Wasserquelle: die Atmosphäre. "In der Atmosphäre befindet sich zu jedem Zeitpunkt sechsmal mehr Wasser als in allen Flüssen dieser Welt", sagt der US-amerikanische Chemiker Kyle Cordova, der seit Jahren zu dem Thema forscht, dem STANDARD. Das Potenzial, diese Luftfeuchtigkeit zu nutzen, um auch bei fehlendem Regen Trinkwasser herzustellen, sei immens.

In Regionen mit vergleichsweise hoher Luftfeuchtigkeit passiert das bereits seit langem. Sogenannte Nebelnetze – meist Metallgestelle, die mit feinmaschigen Netzen umwickelt sind – können die Feuchtigkeit der Luft einfangen und das kondensierte Wasser in Behälter leiten. Sie kommen heute etwa in Chile, in Peru oder auf den Kanaren zum Einsatz. Eine andere Idee ist es, Hydrogele einzusetzen, um Luftfeuchtigkeit zu absorbieren und zu speichern.

Extrem poröses Material

Allerdings funktionieren diese Verfahren nur bei ausreichend hoher Luftfeuchtigkeit. In Wüsten wie in der Sahara oder im Death Valley, in denen die Luftfeuchtigkeit im Sommer häufig unter zehn Prozent sinkt, stoßen solche Technologien schnell an ihre Grenzen.

Genau hier sollen deshalb neue Wasserernter zum Einsatz kommen, wie sie Forschende kürzlich im Death Valley testeten. Die Technologie, die dahintersteckt, trägt den sperrigen Namen "metallorganische Gerüstverbindungen". Mit freiem Auge sieht das Material, das in den Wassererntern zum Einsatz kommt, aus wie Pulver. Erst unter dem Mikroskop werden die Molekülketten sichtbar. Diese sind extrem porös – eine kleine Menge davon hat eine Oberfläche so groß wie ein Fußballfeld.

Einsatz in Haushalten

Das ermöglicht es laut Forschenden, auch bei geringer Luftfeuchtigkeit größere Mengen an Wasser innerhalb der vielen Öffnungen und Vertiefungen des Materials einzulagern. Ab einer gewissen Hitze – beispielsweise durch die Sonne – geben die Gerüstverbindungen das Wasser dann wieder an die Umgebung ab. Das Wasser, das dabei entstehe, sei trinkbar und müsse nicht behandelt werden. Emissionen entstehen bei dem Prozess grundsätzlich keine. Zudem können die Geräte laut Forschenden potenziell über viele Jahre laufen, bevor sie erneuert werden müssen.

Laut Omar Yaghi, Chemieprofessor an der University of California, Berkeley, der maßgeblich an der Entwicklung der Wasserernter beteiligt war, könnten solche Geräte künftig von vielen Haushalten in besonders trockenen Regionen verwendet werden. Das Gerät, das Yaghi derzeit mit seinem Unternehmen Water Harvesting baut, ist nicht größer als eine Mikrowelle und soll rund sieben bis zehn Liter Trinkwasser pro Tag liefern – genug, um den Trinkwasserbedarf von zwei bis drei Menschen abzudecken.

Wasserknappheit in Jordanien

"Es ist ein bisschen wie Magie, auf diese Art Wasser zu erzeugen", sagt Cordova. Einige Jahre lang forschte Cordova gemeinsam mit Yaghi in Berkeley an der neuen Technologie. Seit 2019 will er die Wasserernter mit dem von ihm gegründeten Start-up Aquaporo für die Wassererzeugung in Jordanien nutzen.

"In Jordanien ist die Wasserknappheit so schlimm wie in kaum einem anderen Land", sagt Cordova, der selbst in dem Land lebt. Wasser werde per Lkws zu den Bewohnerinnen und Bewohnern transportiert, vor allem an jene, die in ländlichen Gebieten wohnen. "Wenn kein Lkw kommt, haben die Menschen im Alltag kein Wasser mehr."

14 bis 20 Liter pro Tag

Der Wasserernter, den Cordova nun in Jordanien testet, sieht ein wenig aus wie ein Kühlschrank und soll rund 14 bis 20 Liter Trinkwasser pro Tag aus der Luft produzieren – auch bei einer Luftfeuchtigkeit von 20 Prozent. Um nicht die Luftfeuchtigkeit innerhalb eines Hauses zu reduzieren, nutze das Gerät ausschließlich Außenluft, sagt Cordova. Der Stromverbrauch der Anlage sei mit dem einer Klimaanlage vergleichbar. Ein Algorithmus soll dabei bestimmen, zu welcher Tageszeit das Gerät wie viel Wasser produziert, um den Energieverbrauch möglichst gering zu halten.

Wasserernter, Aquaporo
So soll der Wasserernter von Aquaporo in Wohnungen und Häusern aussehen. Die dafür benötigte Luft soll von außen kommen.
Aquaporo

"Wenn alle 2,4 Millionen Familien in Jordanien ein solches Gerät zu Hause hätten, würde das die Wasserknappheit extrem entschärfen", sagt Cordova. Noch wäre ein solches Gerät bei einem Preis von 2.000 Dollar für viele Familien jedoch zu teuer – gerade für jene, die am meisten unter Wasserknappheit leiden. Das Unternehmen arbeite deshalb mit der jordanischen Regierung zusammen, um die ersten tausend Geräte ab diesem Jahr für Familien im ganzen Land gratis zur Verfügung zu stellen.

Auch in der Landwirtschaft

Ein Testgerät sei in Jordanien bereits seit drei Jahren rund um die Uhr im Einsatz – bisher ohne Ausfälle. "Wenn es in einem Land wie Jordanien funktioniert, funktioniert es überall", sagt Cordova. Künftig könnten die Wasserernter womöglich nicht nur für die Trinkwasserversorgung, sondern auch in der Landwirtschaft zum Einsatz kommen. Voraussetzung wäre jedoch, dass die Geräte auch wirtschaftlich sind und genügend Strom dafür zur Verfügung steht. Gerade in der Landwirtschaft, die in vielen Regionen der Welt rund 70 Prozent des Frischwassers nutzt, sind die benötigten Wassermengen häufig deutlich höher als in Haushalten.

Das Testgerät von Aquaporo, das seit drei Jahren läuft, sieht noch etwas sperrig aus.
Aquaporo

Laut Cordova könnten die Wasserernter künftig ein Baustein sein, die Wasserkrise in vielen Teilen der Welt besser in den Griff zu bekommen. "Für viele Menschen ist Wasser noch immer eine Selbstverständlichkeit. Dabei ist es eine der kostbarsten Ressourcen auf diesem Planeten." (Jakob Pallinger, 12.3.2024)