Zekerijah Karahmet ist bei vier Attraktionen Mädchen für alles – und liebt das: "Der Prater ist mein Leben."
Heribert Corn

Für Millionen von Besuchern ist der Wurstelprater ein Ort der Zerstreuung, zugleich gehen 2.700 Menschen hier dem Ernst des Lebens nach: Sie arbeiten, wo sich andere vergnügen. Dienste am Wochenende und abends, Überstunden in den Ferien: Das sind alles Faktoren, die es, gepaart mit dem Arbeitskräftemangel, erschweren, Personal zu finden.

Das veranlasste den Praterverband – das ist der Zusammenschluss der Unternehmerinnen und Unternehmer in dem Vergnügungspark – heuer dazu, über andere Wege als die klassische Stellenausschreibung Jobs zu suchen. Mit dem Arbeitsmarktservice wurde Ende Februar ein Speeddating zwischen Schaustellerinnen und Schaustellern sowie Jobsuchenden organisiert.

Zum Start der Hauptsaison am 15. März sind noch Stellen offen. Doch welche Jobs gibt es im Prater überhaupt? Und wie fühlen sie sich an? Fünf Perspektiven auf einen besonderen Arbeitsplatz.

Der Kontrolleur des Traumlands

Zekerijah Karahmet verdient sein Geld mit einem Beruf, den es nur an einem Ort in Wien gibt: Er ist im Prater Schaustellergehilfe – quasi ein Mädchen für alles. Ein großgewachsenes, breitschultriges Mädchen mit Glatze für alles. Der 51-jährige "Zeki", wie er hier genannt wird, ist für vier Attraktionen zuständig: Magic Dreamland, Wiener Rutsche, eine Unterhaltungsspielhalle und einen Schießstand. Er sperrt sie auf und kontrolliert, dass alles funktioniert: Bewegen sich die Rollen, Wippen und Räder, die Besucher überwinden müssen? Machen die Flipper, was sie sollen? Und sind die Getränkeautomaten voll?

Ist etwas zu reparieren, erledigt das Karahmet oft gleich selbst. "Es ist ein interessanter Job, nie fad. Mir taugt das."

"Es ist ein interessanter Job, nie fad. Mir taugt das", sagt "Zeki" über seinen Job als Schaustellergehilfe, den er seit 33 Jahren macht.
Heribert Corn

33 Dienstjahre im Prater hat Karahmet beisammen. Geplant war diese Karriere nicht: In seinem Geburtsland Bosnien hätte er als Dreher arbeiten wollen, doch der Krieg 1991 funkte ihm dazwischen. Um nicht zum Heer zu müssen, tauchte Karahmet in Wien unter.

Im Sommer verdiente er in der Halle beim Bogenschießstand Geld, im Winter lieferte er Kohlen aus – und lernte Deutsch: mit einem Buch, "Tag und Nacht", wie er erzählt. Heute hat er einen Vollzeit-Ganzjahresvertrag – und kann sich nicht vorstellen, etwas anderes zu machen: "Der Prater ist mein Leben."

Von der Aushilfe zum Fan

Sich weit hinauslehnen, das darf nur Milan Ceculovic. Einmal streckt er den Kopf auf der rechten Seite der Liliputbahn raus, ein anderes Mal auf der linken: "So sehe ich, ob sich alle richtig verhalten." Das ist eine wichtige Aufgabe des Schaffners. Ertappt er Fahrgäste dabei, die Regeln etwas zu locker zu nehmen, ermahnt er sie bei der nächsten Station: "Aber eh in einem scherzhaften Ton".

Milan Ceculovic entwertet Tickets, gibt dem Fahrer Signale – und lässt milde Strenge walten.
Heribert Corn

Zu dem Job kam der 36-Jährige durch Zufall: Ceculovic hatte bereits mehrere Jahre im Liliputbahn-Betrieb gearbeitet, als er eines Tages als Schaffner aushelfen musste. Das gefiel ihm so gut, dass er dabei blieb. Heute kann Ceculovic nicht nur mitfahren, sondern die Dieselloks auch selbst steuern.

Als Schaffner hat er seinen Platz ganz hinten, im Dienstabteil. Über einen kleinen Knopf schickt er dem Fahrer vorne Signale: für los- und rückwärtsfahren oder stehen bleiben. Weitere Aufgabe: das Kontrollieren und Entwerten der Karten. Bei Ländermatches oder Konzerten im Stadion, wenn die Garnituren mit Platz für rund 100 Fahrgäste voll seien, könne das schon stressig werden, erzählt Ceculovic.

Am meisten schätze er an seinem Job, im Grünen zu arbeiten und den Kontakt zu Menschen. Am Wochenende oder abends zu arbeiten stört ihn nicht – im Gegenteil: "Ich kann ins Freibad gehen, wenn alle anderen im Büro sind."

Prater-Patrol für die Sicherheit

Josef Feigl hat seine Augen überall. Dort, wo er selbst vorbeikommt. Und da, wohin rund 20 Kameras blicken. Feigl leitet das Security-Team im Prater. Wie groß es ist, darf der 53-Jährige nicht verraten. Nur so viel: Bewacht wird Tag und Nacht, in Neunstundenschichten.

Josef Feigl hat eine Bodycam zur Abschreckung und einen Pfefferspray als "letzte Konsequenz".
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Die Hälfte der Dienstzeit verbringen die Securitys in einem Kammerl an der Ausstellungsstraße, wo ein Monitor die Überwachungsvideos zeigt. Die restlichen Stunden sind sie draußen: In Zweierteams marschieren oder fahren sie mit Rädern definierte Routen ab, bis zu 30 Kilometer täglich. "Man muss sportlich sein", sagt Feigl. Mit dabei: Warnweste und Bodycam – sowie ein Pfefferspray, der aber nur "in letzter Konsequenz" eingesetzt werde. "Dafür, dass der Prater öffentlich zugänglich ist, passiert hier sehr wenig."

Verstöße gegen das Fahrverbot, Kreislaufkollapse, verlorene Kinder: "Klassiker", die Feigl beschäftigen. Und: Konflikte in Teenagergruppen, die es nicht schafften, "etwas verbal zu lösen. Da gehen wir dazwischen." Hotspot sei in dieser Hinsicht zuletzt der Calafatiplatz gewesen. Wie sich das heuer entwickle, bleibe abzuwarten. Fix ist für Feigl dagegen ein "Riesenvorteil" an der Arbeit im Prater: "Es ist sehr familiär. Wir passen aufeinander auf."

Die Mischung macht’s in der Meierei

Das Schweizerhaus hat die Stelze. Die Meierei die Marillenknödel. "Die haben sich bis Wiener Neustadt herumgesprochen", sagt Sabine Holzdorfer. Die 54-Jährige ist an manchen Tagen mit dabei, wenn die Knödel zubereitet werden. An anderen serviert sie die Süßspeise. Und an wieder anderen brüht sie den Kaffee dazu. Holzdorfer arbeitet in dem Lokal, das in einem für die Weltausstellung 1873 erbauten Pavillon in der Hauptallee situiert ist, als Küchenaushilfe, Kellnerin und Schankkraft – schon seit dem Teenageralter.

Sabine Holzdorfer arbeitet in einer "Ruheoase" – stets gut bewacht von Hund "Nikita Spirit of Graz".
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Mehr als 80 Jahre führt ihre Familie die Meierei bereits: "Es haben immer alle mitgeholfen." Das hat Holzdorfer, seit 2009 auch Geschäftsführerin, beibehalten: Wo Unterstützung nötig ist, packt sie an.

Menschen für Arbeit in der Gastronomie zu gewinnen gilt als besonders schwierig – weshalb seitens der Meierei mit Fünftagewoche, Flexibilität und Gratiskost gelockt wird: "Bei uns kann man sich viel ausmachen", sagt Holzdorfer.

Im Unterschied zu den Lokalen im Trubel des Wurstelpraters ist das Arbeitsumfeld in der Meierei beschaulicher: "Wir sind eine Ruheoase." Das würden auch prominente Gäste schätzen. Deren Namen verrät Holzdorfer nicht, teilt aber ein anderes Geheimnis– ihr Marillenknödel-Familienrezept: "Erdäpfel- und Topfenteig mischen."

Schwindelfreier Schrauber

Ein Problem, das viele Menschen kennen, hat Franz Taraba definitiv nicht: Wenn er etwas auseinandergeschraubt hat, dann kann er es auch wieder richtig zusammenbauen. Und zwar ohne dass ein Teil übrig bleibt. Alles andere wäre bei den Dingen, an denen Taraba im Prater werkt, wohl auch bedenklich: Der Techniker hält Fahrgeschäfte wie den 117 Meter hohen Praterturm oder die auf 40 Metern schwingende Schwarze Mamba instand und repariert sie bei Bedarf.

Franz Taraba begann im Prater mit Gokarts, bald zog es ihn höher hinaus.
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Gelernt hat er das durch seine Familie: Tarabas Großvater und Vater waren fahrende Schausteller, die mit Autodrom, Kinderkarussell und Tagada von Jahrmarkt zu Jahrmarkt zogen. Fahrgeschäfte auf- und abzubauen und ihr Innenleben zu verstehen wurde für den heute 44-Jährigen so ein Leichtes.

Das Leben als Nomade hat er mittlerweile gegen ein sesshaftes im Prater eingetauscht. Erst kümmerte er sich um Gokarts, bald schon um den mächtigen Praterturm: "Schwindelfreiheit wurde mir in die Wiege gelegt."Geduld offenbar auch. Denn selbst wenn sich die Reparatur einer Attraktion über zwei Tage zieht, bleibt Taraba dran.

Sein Job ist mit großer Verantwortung verbunden: Täglich überprüft er etwa, dass die Bügel der Fahrgeschäfte fest in Position bleiben. "Wenn ich etwas angeschaut habe, weiß ich, dass es sicher ist. Das ist das Wichtigste." (Stefanie Rachbauer, 15.3.2024)