Manche werden das Adidas-Modell 84 schon getragen haben. Auch in Düsseldorf ist es zu sehen.
Adidas Archive/ Studio Waldeck

Etwa 200 Paar Sneaker sind momentan in Düsseldorf im NRW-Forum versammelt. In die Schau gelangt man durch einen überdimensionierten Schuhkarton, entwickelt wurde das Ausstellungskonzept von der Kuratorin Alina Fuchte und von Jolande Hörrmann. Mit ihr haben wir über jene Schuhe geredet, die uns vom Schulhof bis ins Kino begleiten.

STANDARD: Was unterscheidet Ihren Ausstellungsraum von einem Sneaker-Store?

Hörrmann: Wir begeben uns in der Schau ins Innere eines Schuhkartons und damit in die Sneakerkultur. Es geht nicht nur um den Verkauf von Sneakern, sondern auch um die Geschichten, die um die Schuhe herum gesponnen werden.

STANDARD: Warum sind Sneaker heute fester Bestandteil der Popkultur?

Hörrmann: Wir sehen Sneaker von Kindesbeinen an auf dem Schulhof, an Sportstars, in der Hip-Hop-Kultur. Oder in Serien wie der "Prince of Bel-Air" – Will Smith hat in den Neunzigerjahren mit den Air Jordans die Jugendkultur geprägt. In Filmen wie "Zurück in die Zukunft" tauchten Schuhe wie der Nike MAG auf. Er wurde später weiterentwickelt. Schuhe können identitätsstiftend sein.

Man beachte das (leider angeschnittene) Schuhwerk: Will Smith im Jahr 1991 in "The Fresh Prince of Bel-Air".
imago images/Cinema Publishers Collection

STANDARD: Es gibt etliche Sneaker-Experten da draußen. Was kann eine Ausstellung ihnen noch erzählen?

Hörrmann: Das ist eine gute Frage. Wir gehen nicht nur auf die Sammlerkultur ein, sondern widmen uns neuen Technologien, weisen auf Marken im Eco-Bereich hin, die in kleinen Schritten auf nachhaltige Produktion setzen. Es geht um Themen wie Überproduktion und die Langlebigkeit von Schuhen, da können sicher auch Sammlerinnen und Sammler noch was mitnehmen.

STANDARD: Spielt das Thema Nachhaltigkeit unter Sammlerinnen und Sammler schon eine Rolle?

Hörrmann: Einzelne nachhaltigere Sammlerstücke gibt es schon, zum Beispiel Modelle von Adidas und Stella McCartney oder von Sean Wotherspoon. Ein großes Thema werden aber sicher Schuhe, die erst auf Bestellung in 3D gedruckt und auf den eigenen Fuß angepasst werden können. Brands wie Zellerfeld schlagen da eine neue Richtung ein. Das wird in Zukunft mitgedacht werden müssen. Und die Sammlerkultur verändern.

Niemals ganz weg: das Modell Superstar von Adidas.
Studio Waldeck

STANDARD: Teil der Ausstellung sind die Nikes mit leuchtenden LEDs aus "Zurück in die Zukunft". Wann sind Sneaker relevant?

Hörrmann: Wenn sie Geschichten erzählen. Der selbstschnürende "Zurück in die Zukunft"-Schuh aus dem Jahr 1989, damals eine Filmvision, wurde 25 Jahre später vom Designer Tinker Hatfield in die Realität überführt. 2015 konnte der Schuh die Schnürsenkel von alleine zusammenziehen. Das Modell wurde für den guten Zweck gespendet. Die Technologie wird heute im Leistungssport angewendet.

STANDARD: Hat Social Media die Sneaker verändert?

Hörrmann: Es ist kein klarer Trend auszumachen. Im letzten Jahr waren die riesigen Big Red Boots, die Erfindung eines New Yorker Kunstkollektivs, in den sozialen Netzwerken präsent. In diesem Jahr sehen wir klassische Silhouetten wie den Nike Cortez, den Adidas Superstar und den unauffälligen Samba, der sich seit den Fünfzigerjahren nicht wirklich verändert hat – vielleicht ein Vorzeichen für die Fußball-EM in Deutschland. Dank der 3D-Technologie könnte in Zukunft ressourcenschonender produziert werden. Man könnte sagen: Was heute Trend ist, kann morgen schon wieder vorbei sein. Trends werden auch nicht mehr so sehr von Marken, sondern von Social-Media- oder Tiktok-Stars gesetzt.

Groß, laut, tomatenrot: die Big Red Boots des New Yorker Künstlerkollektivs Mschf.
Mschf

STANDARD: Der interessanteste Sneaker in der Ausstellung?

Hörrmann: Eigentlich das Non-Fungible Token (NFT) eines Schuhmodells. Zu Beginn des ersten Sneaker-Hypes Anfang der Zweitausenderjahre gab es anlässlich des von Jeff Staple entworfenen Nike SB Pigeon Dunk tagelange Campouts vor dem New Yorker Store. Der Designer hat 2021 ein NFT von diesem Sneaker entwickelt, den Metapigeon Dunk könnte man mit einer Kryptowährung kaufen. Wie die Mythen rund um Sneaker in heutige Technologien übersetzt werden, finde ich spannend.

Blick auf eine Sneaker-Wand in der Düsseldorfer Ausstellung.
Anne Orthen

STANDARD: Das teuerste Modell der Schau?

Hörrmann: Der Requisitenschuh aus zurück aus "Zurück in die Zukunft", weil er ein Unikat ist.

STANDARD: Wird die Sneakerkultur noch von männlichen Sammlern dominiert?

Hörrmann: Die Tendenz gibt es, aber die Dinge verändern sich. Es gibt längst auch Frauen wie die Sneakerqueen, die in Deutschland die Kultur prägen, sie hat mit Adidas zwei Modelle entworfen. Auch die britische Modedesignerin Wales Bonner ist für die Sneakerkultur wichtig, ihre Entwürfe für Adidas sind sehr gefragt.

STANDARD: Wird noch immer zwischen Frauen- und Männersneakern unterschieden?

Hörrmann: Innerhalb der Sneakerkultur wird das immer mehr angeprangert. Leider setzen die Marken setzen das noch nicht so um.

STANDARD: Welche Rolle hat Virgil Abloh für die Sneakerkultur?

Hörrmann: Er gehörte sicher zu den Protagonisten dieser Kultur, er hat ja nicht nur legendäre Kollektionen wie The Ten entworfen, sondern auch Vorlesungen zu dem Thema gehalten und junge Menschen inspiriert, Schuhe zu customizen, also individuell zu gestalten.

STANDARD: Neben Kanye West ...

Hörrmann: Und Pharrell Williams. Kanye alias Ye hat sich natürlich ins Abseits geschossen mit seinen antisemitischen Kommentaren. Das thematisieren wir in der Ausstellung, auch weil wir eines seiner Modelle, den Yeezy 2 Red October, zeigen.

STANDARD: Ihr Bezug zu Sneakern?

Hörrmann: Ich habe immer lieber in kleinen Sneakerstores als online eingekauft. Mein Lieblingsschuh ist der Adidas Hacienda, benannt nach dem legendären Club in Manchester. Der Schuh wurde dem Design des Clubs nachempfunden. (Anne Feldkamp, 9.3.2024)

Jolande Hörrmann hat gemeinsam mit Kuratorin Alina Fuchte an der Sneaker-Ausstellung gearbeitet.
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