Buch Wodak Antisemitismus Wien
Das neue Buch wurde von der Sprachwissenschafterin Ruth Wodak herausgegeben.
Foto: Czernin Verlag

Er will nicht vergehen, der Antisemitismus, er nimmt nur manchmal andere, paradoxe Formen an. Die Sprachwissenschafterin Ruth Wodak erinnert in dem von ihr herausgegebenen Buch "Das kann immer noch in Wien passieren. Alltagsgeschichten" an die von Rechtsextremen durchsetzten Demonstrationen gegen die Covid-Maßnahmen, bei denen die Demonstranten gelbe Judensterne mit der Aufschrift "Ungeimpft" auf der Jacke trugen. Judenhass der Nazis als Opferstatus für "Impfgegner".

Die erste Ausgabe des Buches ist vor 23 Jahren erschienen. Wodak sammelte damals die Erlebnisse vieler Freunde mit dem spezifischen Wiener "Immer-noch"- und "Schon-wieder"-Antisemitismus. Jetzt wurde der Band aktualisiert – auch um "zu Rücksicht und Respekt gegenüber vulnerablen Gruppen zu mahnen, seien es Juden und Jüdinnen, Muslime, Roma und Sinti, Flüchtlinge, Migrant:innen und sexuelle Minderheiten"(Wodak).

Es hat sich einiges geändert, auch verbessert in diesen 23 Jahren, es gibt eine regierungsoffizielle "Strategie gegen Antisemitismus", es gab späte Restitutionen, es wurde eine Installation mit den Namen aller 65.000 jüdischen Opfer des Nationalsozialismus errichtet, das Lueger-Denkmal kontextualisiert, offener Antisemitismus wie zu Zeiten der Waldheim-Affäre ist nicht mehr möglich. Aber der unterirdische, schmutzige Strom der "jüdischen Weltverschwörungstheorie" ist noch da, gerade jetzt wieder bei Covid.

Die Beiträge des Buches stammen von bekannten Namen wie den Schriftstellern Doron Rabinovici und Robert Schindel, Ariel Muzicant, dem früheren Präsident der Kultusgemeinde (mit dessen Vornamen ein gewisser Herbert Kickl als Gag-Writer von Jörg Haider seinerzeit Witze gemacht hat), der Journalistin Anna Goldenberg, der Kunstraub-Historikerin Sophie Lillie, dem Medizinforscher András Mádai und Oscar Bronner, STANDARD-Herausgeber. Der berichtet darüber, wie die Aufarbeitung eines jahrzehntealten antijüdischen Justizskandals trotz guten Willens der Justizministerin Alma Zadić immer noch in den administrativen Widerstandsnestern der Justizverwaltung hängt.

Und der muslimische Antisemitismus und der Anti-Israelismus der Linken? Das braucht eigene Bücher. (Hans Rauscher, 8.3.2024)