Ewald Lanzl betreibt mit seiner Frau auch einen kleinen Bauernhof in Bad Aussee. Eben war er eine Woche mit Holzarbeit beschäftigt. 2006 wurde die Firmenzentrale in Thalheim gebaut und mit Wärmepumpe ausgestattet. Man sei da Vorreiter gewesen, sagt Lanzl.

STANDARD: Ich hab mich schlaugemacht: Edgy, sleek oder Curl Splash ist jetzt in. Was erwartet einen da?

Lanzl: Da erwischen Sie mich am linken Fuß. Ich bin jetzt sechzig Jahre Friseur, aber in den letzten zehn Jahren bin ich wenig fachlich unterwegs. Irgendwann einmal bist du im Alten verhaftet. Du musst aber moderne Dinge einbringen. Das überlasse ich den Jüngeren.

Ewald Lanzl in der Firmenzentrale in Thalheim bei Wels. 
Ewald Lanzl (74) ist praktisch im Friseurgeschäft der Mutter aufgewachsen. Dort hat er als Kind Aufgaben und später die Friseurlehre gemacht. Mit der Kette Klipp wollte er etwas kreieren, was es so noch nicht gab. Heute arbeiten zwei Söhne mit, und er hat Zeit für den Bauernhof und Hobbys – Naturfotografie und Radfahren. Seit er 14 ist, ist er bei der Feuerwehr.
Vio Wakolbinger

STANDARD: Was sich sicher nicht geändert hat: Die Leute wollen schöner hinausgehen, als sie kommen. Wie kommt man zu einer Entscheidung?

Lanzl: Man sitzt vor dem Spiegel, nimmt die Haare weg, schaut sich die Kopfform an. Dann beurteilt man Körpergröße, Körperart, ob schmal oder molliger. Dann überlegt man, wie man das Gesicht so umrahmt, dass das attraktiv ausschaut. Da gehört dazu, dass man mit dem Menschen redet. Macht er Sport, ist er auf der gemütlichen Seite, hat er viel Zeit, oder muss es schnell gehen.

STANDARD: Wünschen sich die Leute Frisuren, die ihnen nicht passen?

Lanzl: Eine Kundin kommt mit einem Bild eines Kurzhaarschnitts. Dann sage ich, da muss ich beim Ohr freischneiden. Sagt sie: Das Ohr auf keinen Fall freischneiden. Man kann sich als Laie nicht vorstellen, wie der Schnitt zu machen ist. Wenn ich das so schneide und vorher nicht darüber spreche, sagt der Kunde: Um Gottes willen, wie haben Sie mich denn hergerichtet?

STANDARD: Apropos hergerichtet: Den Kurzhaarschnitt bekomme ich in Wien vereinzelt um 16 Euro. Bei Klipp kostet er fast zehn Euro mehr. Was ist ein angemessener Preis?

Lanzl: Es können 150 Euro sein oder acht. Der Preis entsteht durch Lohnkosten mal Zeit. Zeit ist ein entscheidender Faktor. Ein Mechaniker hat wesentlich höhere Stundensätze als ein Friseur. Unsere Preise sind angemessen. Der Preis setzt sich ja auch aus Lohnkosten und Abgaben zusammen. Wenn ich Abgaben hinterziehe, kann ich einen günstigen Preis machen. Das will ich natürlich niemandem unterstellen. Es gibt ein Dreiecksverhältnis – der Kunde, unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und das Unternehmen. Den Spagat zu schaffen, dass keiner der drei bevorteilt, aber auch keiner benachteiligt wird, ist die Kunst.

STANDARD: Die Preise sind auch beim Friseur deutlich gestiegen. Sagen die Leute jetzt öfter "Nur schneiden"?

Lanzl: Manche sagen: Lassen wir heute einmal die Pflege weg. Aber die Besuchshäufigkeit ist gleich. Wir haben auch ein Angebot für Kunden, die knapp bei Kasse sind. Sie können die Haare selbst föhnen oder nur zum Schneiden kommen.

Ewald Lanzl
Dass die Zahl der Ausbildungsbetriebe sinkt, macht Lanzl Sorgen. Vielen sei der Aufwand zu groß.
Vio Wakolbinger

STANDARD: Schneiden ist das eine, Föhnen, Färben, Pflegen das andere. Konsumieren Frauen mehr?

Lanzl: Da hat sich schon etwas getan. Wir machen zum Beispiel bei Männern sehr viel Oberkopfdauerwellen – dieses Wuschelige da oben. Aufstylen bei Männern ist auch sehr en vogue. Und die Männer kommen natürlich öfter zum Schneiden. Der Farbanteil ist aber etwas geringer.

STANDARD: Gar nicht wenige rasieren sich den Kopf gleich kahl.

Lanzl: Das muss man wollen. Das hat sich seit der Krimiserie Kojak dort und da durchgesetzt. Es gibt den Trend, da trägt man Vollbart und hat oben nix. Da hat jeder seine Façon.

STANDARD: Schauspieler und Schauspielerinnen sind Vorbilder?

Lanzl: Schauspielerinnen sind es eher bei den Damen, Fußballer sind sehr beispielgebend bei Männern.

STANDARD: Die gut verdienenden Fußballer fliegen sicher zum Haareschneiden nach London, und dort gibt es einen Friseur, der all die hochgeschorenen Frisuren macht, oder?

Lanzl: Nein (lacht). Das kann jeder Friseur machen. Da hat halt einmal einer damit angefangen. Der Hype ist aber schon wieder vorbei, es wird nicht mehr ganz so geschoren.

STANDARD: Sie haben 1972 den von Ihrer Mutter 1951 gegründeten Friseursalon in Thalheim übernommen. Was schwebte Ihnen damals vor?

Lanzl: Ich habe mich stark mit dem Preisfrisieren auseinandergesetzt, bin österreichischer Friseurstaatsmeister geworden und bei der Weltmeisterschaft mitgefahren. Da waren wir aber nicht so gut. Ich habe ungefähr 60 Pokale auf dem Dachboden, die rosten vor sich hin. Ich will sie nicht mehr sehen. Nach der Weltmeisterschaft habe ich mit dem Preisfrisieren aufgehört. Dann war mein Bestreben, einen Friseursalon-Typ zu kreieren, der noch nie da gewesen ist. Das habe ich mir drei, vier Jahre überlegt, dann hab ich meine Frau gefragt. Die hat gesagt: Bitte gar schön, in Gottes Namen, mach es, weil du gibst sonst eh keine Ruh.

STANDARD: Wo ging es erstmals los?

Lanzl: Ich habe einen Testsalon in Wels in einem Einkaufszentrum gemacht, da war der Pampam-Markt und Hettlage, und er war gleich sehr erfolgreich. In dieser Zeit sind sehr viele Fachmarktzentren und Einkaufszentren gebaut worden. Da sind wir mitgesogen worden.

Ewald Lanzl
Vermehrt komme es auch vor, dass Mitarbeiter über manche Kundschaft klagen: "Gewisse Kunden glauben, wenn sie für etwas zahlen, haben sie ein Recht auf den Menschen."
Vio Wakolbinger

STANDARD: Sie haben 160 Filialen, hatten schon einmal 180. Viele Handelsketten verabschieden sich von Flächen, in den Einkaufszentren und -straßen herrscht ein Kommen und Gehen. Spüren Sie das?

Lanzl: Wir spüren schon, dass sich Standorte verschlechtern, und haben auch einige geschlossen. Aber häufig war es der Mitarbeitermangel. Wir mussten wirklich sagen, mit drei Mitarbeitern kann man diesen Standort nicht mehr betreiben.

STANDARD: Sie zahlen über Kollektivvertrag, aber Friseur gehört zu den am schlechtesten bezahlten Berufen. Auch ein Grund für das Problem?

Lanzl: Nicht mehr. Es gibt mittlerweile schlechtere, was eh nicht sehr rühmlich ist. Wir haben unseren Mitarbeitern außertourlich, zusätzlich zu den üblichen Lohnerhöhungen, einmal eine zehnprozentige Erhöhung gegeben. Damit haben wir die Fluktuation eingedämmt. Wir haben das wieder im Griff und bekommen vermehrt wieder neue Mitarbeiter. Bei den Lehrlingen sind wir bis zu 40 Prozent hinaufgegangen. Wir haben jetzt 160 Lehrlinge in Ausbildung, vergangenes Jahr haben wir 80 eingestellt, weil wir so viele Bewerbungen haben.

STANDARD: Zieht es Burschen vermehrt in die Branche? Ich sehe immer mehr Friseure.

Lanzl: Wir haben in unserem Unternehmen 97 Prozent Frauen und drei Prozent Männer. Aber bei den Lehrlingen letztes Jahr haben wir zehn Prozent Männer gehabt. Das ist schon eine schöne Entwicklung.

STANDARD: Hat sich die Kundschaft verändert?

Lanzl: Die Masse nicht. Aber gewisse Kunden glauben, wenn sie eine Dienstleistung beanspruchen und etwas zahlen, dass sie ein Recht auf den Menschen haben. Mitarbeiter beklagen hin und wieder, dass manche Kunden sehr aggressiv, sehr lästig sind. Da müssen wir auch hin und wieder schützend eingreifen.

STANDARD: Den Smalltalk beim Friseur gibt es gratis dazu. Gibt es einen Katalog, worüber man plaudert? Erstens Wetter, zweitens hohe Preise ...?

Ewald Lanzl
Begonnen hat Lanzl mit einem Testsalon in Wels in einem Einkaufszentrum, neben einem Pampam-Markt und Hettlage. Anfangs musste er die Zentrumbetreiber davon überzeugen, dass ein Friseur gut zu anderen Geschäften passt.
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Lanzl: Das mit dem Wetter braucht man nicht vorzugeben, das kommt von selbst. Aber nein, das kann man nicht sagen. Das muss jede Mitarbeiterin für sich selbst entscheiden. Manche Kunden wollen eine Zeitung lesen, da spricht man meistens gar nicht mehr.

STANDARD: Sind Sie reich geworden mit dem Geschäft?

Lanzl: Was soll ich sagen. Fahren Sie mit mir heim, und schauen Sie sich mein Haus an, dann werden Sie sagen: Na, ich weiß nicht. Recht reich sind Sie nicht geworden. Aber ich bin sehr zufrieden. Es geht uns gut, nicht schlecht ist fast zu wenig.

STANDARD: Noch eine ganz praktische Frage: Hundert Bürstenstriche pro Tag, was ist an diesem Rat dran?

Lanzl: Viel. Eine Schweinsborstenbürste und hundert Bürstenstriche, einmal nach vor, einmal zurück, einmal nach links und einmal nach rechts, das belebt den Haarwuchs, macht die Haare stärker.

STANDARD: Haben Sie im Geschäft etwas fürs Leben gelernt?

Lanzl: Sehr viel. Einer meiner Kunden, ein Arzt, hat gesagt: Herr Lanzl, die Leute versalzen sich das Leben. Also wenig Salz essen. (Regina Bruckner, 10.3.2024)