Daniel Harding
Daniel Harding: Gutes Händchen für Mahler und Strauss.
IMAGO/CTK Photo

Wien – Wann eine Musikepoche wirklich endet, ist nicht so leicht zu sagen. Die Musikhistorie setzt zwar streng genaue Grenzen. Die Realität des Komponierens allerdings hält sich nicht an die Wissenschaft. Dann hört man im Wiener Konzerthaus eben Hugo Alfvéns (1872–1960) Tondichtung A Legend of the Skerries und wähnt sich Mitten im 19. Jahrhundert, obwohl das edle Stück mit seinen stürmischen Aufschäumungen 1905 uraufgeführt wurde.

Das von den Schären, den kleinen Inseln im Archipel an der schwedischen Küste inspirierte Opus ist beim Swedish Radio Symphony Orchestra und dem britischen Dirigenten Daniel Harding in souveränen Händen.

Das klang selbst in den opulenten Passagen so klar und behutsam umgesetzt, dass für die Rückert-Lieder von Gustav Mahler nichts zu befürchten war. Im Großen Saal kann es einem guten Interpreten schon passieren, mit den diskreten Miniaturen in übermächtigen Orchesterwogen unterzugehen.

Nicht Christian Gerhaher. Der Deutsche ist eine Instanz, wenn es um die Verbindung von nicht nur lyrischem Ausdruck mit brillanter Technik geht. Umgarnt von einem aufmerksam ihn tragenden Orchester entfaltet Gerhaher seine Legatokultur, gibt Tönen je nach Bedarf, dramatische Bestimmtheit oder bei Bedarf bewusst vibratolos-fahle Aura. Selbst in Einzeltönen werden verschiedenste Nuancen lebendig.

Dokument der Weltentrücktheit

Um Mitternacht zeigte die ganze Bandbreite der Möglichkeiten eines Jahrhundertinterpreten, der die Beherrschung des Materials mit Ausdrucksintelligenz mixt. Das finale Ich bin der Welt abhanden gekommen wird denn auch zum Dokument der Weltentrücktheit. Was dann noch zu bestätigen war: Harding und die schwedischen Gäste erweckte auch Strauss’ Klassiker Also sprach Zarathustra, der alle emotional-virtuosen Höhen und Tiefen durchlebt, mit wundersamer Klarheit und Geschmeidigkeit – auch im Walzerseligen.

Ähnliche Qualität erhofft man sich von der Tschechischen Philharmonie, wenn sie am Sonntag im Konzerthaus mit Dirigent Semyon Bychkov und Geiger Augustin Hadelich Romantisches, tatsächlich im 19. Jahrhundert von Dvořák Geschriebenes präsentiert. (Ljubisa Tošic,8.3.2024)