Gerhard Karner
"Wir wollen nicht die Massen überwachen", betonte Karner. Es gehe dezidiert um Terrorbekämpfung.
APA/GEORG HOCHMUTH

Wien – Bei einem Präventionsgipfel wird ab Montag in Wien über aktuelle Herausforderungen durch islamistischen Extremismus und Terrorismus – insbesondere infolge des Terrorangriffs der Hamas auf Israel am 7. Oktober – beraten. Die Entwicklung habe weitreichende Folgen für die Radikalisierung in Europa und Österreich, so DSN-Chef Omar Haijawi-Pirchner bei der Eröffnung. Wie Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) drängte er erneut auf Möglichkeiten zur Überwachung von Messengerdiensten.

Der islamistische Terrorismus habe seit dem 7. Oktober eine besondere Dynamik bekommen, sagte Karner. "Der DSN funktioniert", betonte er und verwies auf Erfolge bei Terrorermittlungen im vergangenen Jahr. Nötig seien aber "zeitgemäße Ermittlungsmethoden nach internationalen Standards", so Karner. Derzeit können Nachrichtendienst und Polizei auf richterliche Anordnung nur Telefonate und SMS-Verkehr überwachen, nicht aber Messengerdienste wie Whatsapp oder Telegram. "Wir wollen nicht die Massen überwachen, wir wollen, ja wir müssen den Terror bekämpfen, und das geht nur, wenn wir auf Augenhöhe mit den Terroristen arbeiten", betonte Karner.

Gefahrenszenario erweitert sich

Terrororganisationen wie der "Islamische Staat" (IS), Al-Kaida oder jetzt die Hamas würden "die Gunst der Stunde nutzen", um zum Krieg gegen den Westen aufzurufen, erklärte der Chef Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) Haijawi-Pirchner. Das Gefahrenszenario für die EU und Österreich erweitere sich dadurch massiv. "Auch in Österreich sind wir nicht davor gefeit, wieder einen terroristischen Anschlag zu erleben", so der DSN-Chef. Große Bedeutung hätten derzeit der afghanische IS-Ablegers Provinz Khorasan (ISPK oder engl. ISKP), aber auch die Hamas, die etwa in Deutschland zu Anschlägen aufgerufen habe.

Die Terrorgruppen würden gezielt die sozialen Medien nutzen für die Verbreitung von Desinformation und Propaganda. Jugendliche seien dabei als Zielgruppe besonders leicht beeinflussbar. Auch die Radikalisierung an den Schulen nehme zu, weil die Schüler Propaganda aus dem Internet oder von zuhause mitbringen würden, so Haijawi-Pirchner.

Fake-News als Risiko

Die Generation Z sei die erste, die in einem digitalen Lebensraum aufgewachsen sei, der ganz maßgeblich von den sozialen Medien bestimmt sei, sagte der Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit, Franz Ruf. Die zahlreichen Fake News, Deep Fakes und Online-Propaganda würde daher zu einer weitreichenden Ideologisierung und Radikalisierung eines immer jüngeren Publikums führen.

Eine weitere Herausforderung sind dem DSN-Chef zufolge die Hochrisikogefährder, bedeutsam seien auch psychische Auffälligkeiten bei diesen. Als große Bedrohung für Österreich bezeichnete Haijawi-Pirchner auch die schlechten Zustände in den Lagern in Syrien, in denen IS-Anhänger festgehalten werden. Die Insassen seien kampferprobt und daher besonders gefährlich. Der deutsche Geheimdienstexperte und frühere Agent des deutschen Geheimdiensts BND, Gerhard Conrad, wollte in seinem Impulsvortrag den 7. Oktober nicht als "Zäsur" bezeichnen, dafür sei es noch zu früh. Jedoch könne man von einem "hoch disruptiven Ereignis" sprechen, dessen Folgen noch nicht abschätzbar seien.

Die am Montag eröffnete Präventionskonferenz dauert zwei Tage. Experten und Organisationen beraten dabei im Novotel am Wiener Hauptbahnhof über die aktuellen Herausforderung durch die Radikalisierung seit dem 7. Oktober 2023. Im vergangenen Jahr hatte sich der Präventionsgipfel dem Thema Fake News gewidmet. (APA, 11.3.2024)