Das Glück, ein innovatives Lebensmittel in die Regale der Supermärkte gebracht zu haben, währte nicht lange. Im Handumdrehen bot ein Handelsriese die gleiche Rezeptur als günstigere Eigenmarke feil – zu Preisen weit unter den Herstellungskosten, erinnert sich eine österreichische Bioproduzentin. Vorbei war es mit dem Geschäft.

Geschäfte mit Lebensmitteln stehen entlang der gesamten Wertschöpfungskette stark unter Druck.
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Ein Jungunternehmer blieb auf eigens für eine Handelskette erzeugten Waren im Wert von tausenden Euro sitzen. Immer wieder waren ihm Werbekosten einseitig übergewälzt worden. Sich den Aktionen zu verweigern spielte es nicht. Seine Lieferverträge wurden dennoch gekündigt, mit der Frist von einer Woche.

An die große Glocke hängen beide Betriebe ihre Erfahrungen nicht. Das Risiko von Repressalien sei zu groß.

Kein Markt ist höher konzentriert als der Lebensmittelhandel. In keiner Branche tritt das Ungleichgewicht von Verhandlungsmacht stärker zutage. Der rasante Ausbau von Eigenmarken stärkt Handelskonzerne ebenso wie ihr Vorstoß als Produzenten in immer tiefere Stufen der Wertschöpfung. Am Ende des Tages falle vielen Lieferanten nur mehr die Rolle des jederzeit austauschbaren Lohnherstellers zu, warnen Branchenkenner.

"Ein Oligopol"

"Wir haben es mit einem Oligopol zu tun, mit all seinen negativen Auswirkungen", sagt Johannes Abentung. Zwei Jahre ist es her, dass der frühere Direktor des Bauernbunds die Leitung einer Ombudsstelle übernahm, um Licht in unlautere Handelspraktiken zu bringen.

Auf Druck der EU war das sogenannte Fairnessbüro mit einiger Verspätung eröffnet worden. 21 Beschwerden zählte es im ersten Jahr, 235 im zweiten. Sein Ziel ist es, Konflikte zu entschärfen sowie zwischen Handel und Lieferanten zu vermitteln. Zwei Fälle meldete Abentung 2023 der Wettbewerbsbehörde.

Einer davon betraf zwei Apfelproduzenten. Ein Zwischenhändler hatte ihr Obst länger als ein Jahr lang nicht bezahlt. Ein Teil der Äpfel wurde als Abfallware sortiert, um den Bauern Minusbeträge zu verrechnen.

Dorn im Auge ist Abentung auch ein Handelskonzern, der von österreichischen Lieferanten höhere Tierwohlstandards einforderte. Statt ihrem Sortiment habe er in seinen Filialen aber verstärkt günstigeres Fleisch aus dem Ausland gelistet. Landwirte, die ihre Ställe umbauten, seien auf hohen Investitionen sitzengeblieben.

"Lippenbekenntnisse"

Der Handel habe einen fairen Umgang mit Bauern versprochen, oft bleibe es bei Lippenbekenntnissen, zieht VP-Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig Bilanz. "Es ist ein Kampf mit ungleichen Waffen."

Vertrauen genießt das Fairnessbüro bisher jedoch nur eingeschränkt. Statt der Ursachen des massiven Machtungleichgewichts würden lediglich Symptome bekämpft, meinen namhafte österreichische Produzenten. Es sei ein politisches Werkzeug, um Handlungsbereitschaft zu signalisieren. Was es vielmehr brauche, seien Sanktionen und Bußgelder. Diese zu verhängen liege aber allein in der Verantwortung des Kartellgerichts und der Wettbewerbsbehörde.

Totschnig verspricht weitere Schritte, etwa Nachschärfungen rund um das Gesetz für faire Wettbewerbsbedingungen. Er stehe dazu im Austausch mit dem Wirtschaftsministerium.

"Schwarze Klauseln"

Was meinen Händler dazu? Gemessen an der Gesamtzahl von zehntausenden Lieferantengesprächen sei die Zahl der Beschwerden weiterhin verschwindend klein, sagt Rainer Will, Chef des Handelsverbands. Dass sich die Zahl der Beschwerden vervielfachte, liege in erster Linie an der gestiegenen Bekanntheit der Ombudsstelle. Will spricht von einer "weitestgehend hervorragenden Zusammenarbeit zwischen Landwirtschaft und Handel".

Einer Branchenuntersuchung der Kartellbehörde zufolge sehen sich hingegen vier von zehn Lieferanten von "schwarzen Klauseln" betroffen. Die Spielarten, um kleineren Lieferanten das Messer anzusetzen, haben sich längst professionalisiert. Sie reichen von verspäteten Zahlungen und einseitig veränderten Liefervereinbarungen über rückwirkende Rabatte bis zu Zahlungsaufforderungen ohne Gegenleistung.

Je höher die Verderblichkeit von Lebensmitteln ist, desto stärker lassen sich Lieferanten unter Druck setzen. Vor allem aber ist es wirtschaftliche Abhängigkeit, die Partner erpressbar macht. (Verena Kainrath, 12.3.2024)