Auf vielen Anzeigen wurde am Dienstag auf deutschen Bahnhöfen über die neuen Streiks der Gwerkschaft der Lokführer (GdL) informiert.
Auf vielen Anzeigen wurde am Dienstag auf deutschen Bahnhöfen über den neuen Streik der Gewerkschaft der Lokführer informiert.
APA/dpa/Bernd Wüstneck

Natürlich hat es die Deutsche Bahn wieder versucht. Am Montag brachte sie noch einen Eilantrag am Arbeitsgericht Frankfurt am Main ein, um den neuen Bahnstreik zu stoppen, den die Lokführer in der Nacht auf Dienstag gestartet haben.

Die Begründung lieferte Florian Weh, Hauptgeschäftsführer des Bahn-Arbeitgeberverbands AGV Move: "Die Streikankündigung ist viel zu kurzfristig. Zudem gibt es rechtswidrige Forderungen."

Video: Neuerlicher GDL-Streik legt Bahnverkehr lahm.
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Eigentlich hätte die Bahn die Gewerkschaft der Lokführer (GdL) und ihren streitbaren Chef Klaus Weselsky für Montagabend zu neuen Verhandlungen eingeladen gehabt. Doch der wollte schon am Sonntag ein neues Bahnangebot haben. Als dieses nicht vorlag, kündigte er neue Arbeitsniederlegungen für Dienstag an. Der Bahn blieben also nur wenige Stunden, um einen Notfallplan aufzustellen.

Noch mehr fürchtet die Bahn, dass die GdL die "Wellenstreiks" verschärfen wird, dass sie also Streiks nur noch ganz kurz vorher ankündigt. "Weselsky droht mit Dauerwelle", titelte die linksalternative Berliner "Tageszeitung" und zeigte den Gewerkschaftsboss auf der Seite eins mit vielen Lockenwicklern.

Von 38 auf 35 Stunden

Doch zum Lachen ist kaum jemand zumute. Die Lokführer quälen das Land mit dem sechsten Streik im aktuellen Tarifkonflikt. Im Fernverkehr fährt maximal ein Fünftel der Züge, S-Bahnen haben einen völlig ausgedünnten Takt, der Regionalverkehr steht vielerorts ganz.

Eine Einigung ist schwierig, weil es nicht nur um mehr Gehalt geht, sondern auch um die Forderung der GdL nach Senkung der Wochenarbeitszeit von 38 auf 35 Stunden – ohne Einbußen beim Gehalt. Als Moderatoren in den Kampf eingeschaltet haben sich der Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, Daniel Günther (CDU), und der frühere deutsche Innenminister Thomas de Maizière.

Ihr Vorschlag: Man möge die Arbeitszeit von 38 auf 36 Stunden reduzieren. Nicht ausreichend, befand Weselsky und freut sich, dass es der Bahn nicht gelungen ist, den Streik stoppen zu lassen: "Das Gericht hat es zum wiederholten Male bestätigt: Die Streiks der GDL sind verhältnismäßig, zulässig, rechtmäßig und somit geeignet, die berechtigten Forderungen der Eisenbahnerinnen und Eisenbahner mittels Arbeitskampf weiter zu verfolgen."

Enorme wirtschaftliche Schäden

Doch genau diese Frage nach der Verhältnismäßigkeit wird in Deutschland immer öfter gestellt. "Das Streikrecht in Deutschland lässt extrem viel Spielraum bei der Frage: Wann streike ich und wie lange? Man kann nicht nur wenige Stunden, sondern auch mehrere Tage streiken. Das hat die Rechtsprechung bisher toleriert. Aber es gilt der Grundsatz: Man darf den Gegner nicht vernichten", sagt Hagen Lesch, Streikforscher und Tarifexperte am Institut der deutschen Wirtschaft in Köln. Er meint auch: "Was die GdL macht, ist meines Erachtens nicht mehr verhältnismäßig. Die wirtschaftlichen Schäden sind enorm., die Bahn hat massive Ausfälle, für die letztendlich der Steuerzahler aufkommt."

Der Tarifexperte weist auch auf die Nöte der Bahn hin: "Es ist natürlich das Recht der GdL, für bessere Bedingungen zu kämpfen und auch zu streiken. Aber es herrscht Lokführermangel in Deutschland, die Bahn kann die Lokführer jetzt nicht aus dem Hut zaubern."

Lesch findet, Arbeitgeber und Arbeitnehmer sollten jetzt schon über den aktuellen Konflikt hinausdenken. Sein Vorschlag: "Die Tarifparteien könnten eine tarifliche Schlichtung vereinbaren. Das sollte zwingend dazugehören und würde die Idee stärken, dass Streik nur das allerletzte Mittel ist."

Er denkt dabei auch an politische Maßnahmen: "Wenn das so weitergeht, dann wird der Gesetzgeber nicht umhinkommen, sich der Sache anzunehmen." (Birgit Baumann aus Berlin, 21.3.2024)