Zwangsabriss von Häusern, Sanierungswahnsinn, wer soll das bezahlen? Die Wogen gingen hoch angesichts der geplanten Novellierung der EU-Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden (Energy Performance of Buildings Directive, EPBD). Was sperrig klingt, zielt darauf ab, die Treibhausgasemissionen und den Energieverbrauch im Gebäudesektor in der EU deutlich zu senken. Das langfristige Ziel: Klimaneutralität bis zum Jahr 2050.

Vor allem die Idee einer Sanierungspflicht für alte energiefressende Häuser sorgte für helle Aufregung. Besonders ineffiziente Gebäude sollten nach dem Plan der EU-Kommission verpflichtend saniert werden müssen. Von einem Vermietungsverbot für die ineffizientesten Gebäude war ebenso die Rede wie von einem Verkaufsverbot. Die Sanierungspflicht sollte einer der Eckpfeiler der Wärmewende werden. Nun bleibt das Ziel, der Weg dorthin soll weniger steil sein. Im EU-Parlament in Straßburg wurde jetzt das Trilogergebnis mit deutlicher Mehrheit angenommen. 370 EU-Abgeordnete stimmten dafür, 199 dagegen, 46 enthielten sich.

Ein Bauarbeiter geht auf einem Gerüst eines Hauses. 
Viele Gebäude sind schlecht gedämmt und haben ineffiziente fossile Heizungen. Das soll sich ändern. Dafür nimmt Österreich auch einiges Geld in die Hand. Ob das reicht, wird sich erst zeigen.
FrankHoermann/SVEN SIMON, via ww

Eine Sanierungspflicht für die größten Energiefresser unter den Gebäuden kommt nicht. Statt auf die Energieeffizienz einzelner Wohngebäude abzustellen, muss der gesamte Immobiliensektor künftig bestimmte Energieziele erreichen. Wie die Mitgliedsstaaten diese erreichen, ist diesen selbst überlassen. Neue Gebäude müssen jedenfalls ab 2030 emissionsfrei sein, und neue Gebäude, die von der öffentlichen Hand genutzt werden oder sich in deren Besitz befinden, bereits ab 2028. Für Wohngebäude müssen die Mitgliedsstaaten Maßnahmen ergreifen, um den durchschnittlichen Wohnenergieverbrauch um mindestens 16 Prozent bis 2030 und um mindestens 22 Prozent bis 2035 zu senken.

Mit der Überarbeitung der Gebäudeeffizienzrichtlinie will man eine Verdoppelung der jährlichen Renovierungsrate erreichen. Bis 2030 sollten die Treibhausgasemissionen um 60 Prozent sinken. Die EU-Länder sollen nun in nationalen Gebäuderenovierungsplänen darlegen, wie sie bis 2040 aus fossilen Heizungen auszusteigen gedenken, sie erhalten dabei weitgehend freie Hand. Bis Ende 2025 sollten die Entwürfe der Mitgliedsstaaten der Kommission vorgelegt, bis zum Sommer 2026 in nationales Recht umgesetzt werden.

Schrittweiser Umstieg

Hierzulande ist bekanntlich die türkis-grüne Koalition vom verpflichtenden Tausch von Ölheizungen bis 2035 und Gasheizungen bis 2040 im Großen und Ganzen abgerückt. Im Neubau sind Öl- und Kohleheizungen allerdings bereits seit 2020 verboten, auch Gasheizungen dürfen nicht mehr neu genehmigt werden. Grundsätzlich sollen höhere Förderungen zum Umstieg auf ökologische Alternativen bewegen. Das Ziel, bei der Gebäudewärme bis 2040 von Öl und Gas wegzukommen, sei auch so erreichbar, warb die grüne Ministerin Leonore Gewessler für das Paket.

Für den Umstieg auf erneuerbare Heizungssystem stehen bis 2026 insgesamt rund zwei Milliarden Euro zur Verfügung. Martin Hagleitner, Chef der Austria Email AG, vermisst den legistischen Rahmen, flankierende Reformen im Wohn- und Mietrecht etwa. "Die Förderung ist gut gemeint, aber ohne flankierende Maßnahmen die teuerste Variante", ist Hagleitner, der auch die Sanitär- und Heizungsbranche vertritt, überzeugt. So werde die Zahl der Sanierungen nicht ausreichend steigen.

Dass es Handlungsbedarf gibt, ist unbestritten. Der Gebäudesektor gehört neben dem Verkehrssektor zu den großen Klimasündern. Auf Gebäude entfallen in der EU 40 Prozent des Energieverbrauchs und 36 Prozent der energiebezogenen Treibhausgasemissionen. All diese Bauten verursachen in Summe immerhin bis zu 37 Prozent der CO2-Emissionen. Und sie fressen mit 40 Prozent des Verbrauchs viel Energie. Zwei Drittel der für die Heizung und Kühlung von Gebäuden verwendeten Energie stammen immer noch aus fossilen Brennstoffen. Es gibt also viel zu tun.

Zwei Katzen schauen aus dem Fenster eines Gebäudes.
Eine umfassende Sanierung eines Hauses geht ins Geld. Den Eigentümern soll sie durch finanzielle Unterstützung schmackhaft gemacht werden.
Credits: Christian Fischer

Viele Häuser sind in die Jahre gekommen. 85 Prozent der Gebäude in der EU wurden vor 2001 erbaut. Viele von ihnen werden wohl im Jahr 2050 noch stehen. Geht es nach den Plänen der Kommission, muss da die Welt ganz anders aussehen. Alle, wirklich alle Gebäude in der Union sollen bis dahin klimaneutral sein. Keine fossile Heizung mehr, gut gedämmt, effizient beheizt.

Tatsächlich wird nach Einschätzung aller Fachleute zu wenig saniert. An elf Prozent der Gebäude in der EU wird zwar Hand angelegt, aber wenn es um energetische Renovierungen geht, schrumpft die Quote auf ein Prozent. Hierzulande müssten die Sanierungsanstrengungen nach Einschätzung von Fachleuten verdoppelt werden, um die Klimaziele zu erreichen. Rund 300.000 österreichische Häuser werden wohl saniert werden müssen, eher noch mehr. Wohnbauforscher Wolfgang Amann (IIBW) schätzt den Sanierungsbedarf auf rund 1,2 Millionen Wohneinheiten.

Zwar werden viele neue Heizungssysteme und Photovoltaikanlagen installiert oder Fenster getauscht, aber vor dem Dämmen von Kellern, Außenwänden und Dächern schrecken viele zurück. Inflation und speziell in der Baubranche enorm gestiegene Kosten spielen dabei eine Rolle. Dazu kommt: Das politische Klima hat sich gewandelt, bei den Bürgern und Bürgerinnen stellte sich eine gewisse Müdigkeit in Sachen Klimaambitionen ein. All dem soll die EU-Direktive durch weniger konkrete Vorgaben Rechnung tragen.

Dafür und dagegen

Von den österreichischen EU-Abgeordneten stimmten jene von SPÖ, Grünen und Neos sowie der ÖVP-Mandatar Othmar Karas für die Richtlinie. Die restlichen ÖVP-Parlamentarier sowie jene der FPÖ stimmten dagegen. "Aufgrund der gestiegenen Energiepreise und dem Wunsch nach mehr Unabhängigkeit bei Energieversorgung verschärfen wir also nicht nur den Fokus auf das Energiesparen, sondern stellen auch die entsprechende Finanzierung der Energiesparmaßnahmen sicher", begrüßt der SPÖ-EU-Abgeordnete Günther Sidl in einer Aussendung das Abstimmungsresultat. "Extremwetter wie Hitze und Kälte treffen Menschen in unsanierten Wohnungen mit unisolierten Fenstern und Wänden am meisten", erklärte auch der österreichische EU-Abgeordnete Thomas Waitz (Grüne) seine Zustimmung in einer Aussendung. "Sie müssen mehr für Heizkosten zahlen oder können gar nur noch einzelne Räume einheizen."

Kritik gab es von der ÖVP und der FPÖ. Der ÖVP-Parlamentarier Lukas Mandl verwies in einem Pressegespräch vor der Abstimmung auf eine schlechte Wirtschaftslage im Bausektor. Es brauche "nicht noch mehr Regulierung und noch mehr Einschränkung, sondern mehr Möglichkeiten und mehr Freiheit". "Vorher hat man versucht, dass man das mittels Anreizen schafft. Jetzt in dieser Richtlinie soll es mittels Zwang gemacht werden", kritisierte FPÖ-Mandatar Georg Mayer im Pressegespräch. Den Mitgliedsstaaten gebe man einiges an Aufgaben "mit auf den Weg. (...) Die Frage ist wirklich: Wer soll das alles bezahlen?"

"Die EU-Gebäuderichtlinie bringt für die Bevölkerung in Österreich viele Vorteile", kontert Johannes Wahlmüller, Klima- und Energiesprecher von GLOBAL 2000. "Die wichtige thermische Sanierung wird angekurbelt, und Öl- und Gasheizungen sind zu ersetzen." So könne die Abhängigkeit von russischen Gaslieferungen reduziert, die Heizkosten gesenkt und klimaschädliche Treibhausgasemissionen eingespart werden. (Regina Bruckner, 12.3.2024)