Vor wenigen Tagen war es so weit: Seit dem 7. März ist der Digital Markets Act (DMA) der EU in Kraft. Das neue Regelwerk für besonders große Digitalkonzerne zwingt solche als "Gatekeeper" bezeichneten Firmen dazu, eine Reihe von Änderungen an ihren Diensten vorzunehmen. Für viele Diskussionen hat etwa gesorgt, dass Apple nun innerhalb der EU alternative App-Stores zulassen muss, die konkrete Umsetzung hat dem iPhone-Hersteller in den vergangenen Wochen bereits die eine oder andere Kontroverse beschert.

Kritik

Nun folgt aber eine grundlegendere Kritik: Apple und Google würden den Digital Markets Act (DMA) nicht vollständig umsetzen, wirft die deutsche Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) den beiden Unternehmen vor. Damit würden sie gegen die DMA-Vorschriften verstoßen, die alle Änderungen mit dem Stichtag 7. März vorgeschrieben haben.

Apple und Google in der Kritik.
REUTERS

Konkret geht es bei den beiden Firmen um unterschiedliche, aber doch verwandte Themen. Apple wirft man etwa vor, dass die DMA-Anpassungen, die mit dem aktuellen Update auf iOS 17.4 vorgenommen wurden, unvollständig sind. So ließe sich der vorinstallierte Browser Safari weiterhin nicht deinstallieren, etwas, das die DMA-Regeln aber vorschreiben würden. Zudem sei es noch immer nicht möglich, eine andere Karten-App zur Default-Wahl zu machen, auch das wäre ein Regelverstoß.

Eine Frage des Zeitplans

Tatsächlich sind beides Punkte, die Apple auf dem Plan hat, wie aus dem DMA Compliance Plan des Unternehmens hervorgeht. So soll es bis März 2025 möglich sein, eine andere Karten-App wie Google Maps zur Default-Wahl zu machen. Eine Deinstallation von Safari will man bis Ende 2024 ermöglichen. In diesem Fall bezieht sich die Kritik also vor allem auf den Zeitplan und die Verzögerung bei der Umsetzung.

Beim vzbv sieht man darin einen klaren Verstoß: "Das Update von Apple umfasst nicht alle notwendigen Änderungen." "Damit haben viele Verbraucher:innen weiterhin nicht die Wahlfreiheit, die ihnen zusteht", formuliert es Ramona Pop, Vorständin des vzbv. Die EU-Kommission müsse entschieden gegen solche Verstöße vorgehen.

Vorinstallierte Apps

Bei Google geht es um einen anderen Punkt, und zwar die Deinstallierbarkeit vorinstallierter Apps. Die vzbv habe in einem Test festgestellt, dass es auf einem Samsung Galaxy S20 mit Android 13 weiterhin nicht möglich ist, viele der vorinstallierten Apps zu entfernen. Das, obwohl der DMA eine Deinstallierbarkeit explizit vorschreibt. Das konkrete Gerät habe man gewählt, da Android 13 derzeit in Europa die am weitesten verbreitete Version des Google-Betriebssystems ist.

Bei Google kann man die Kritik auf Nachfrage des STANDARD nicht nachvollziehen. Unter Android sei es schon seit Jahren möglich, vorinstallierte Apps zu deinstallieren, heißt es. Ein Statement, das insofern verblüfft, da es unter Android üblich ist, dass gewisse Apps zwar deaktiviert, aber nicht restlos gelöscht werden können.

Eine Frage der Begrifflichkeiten

Ein Blick auf den DMA Compliance Report von Google gibt dann einen weiteren Einblick in die Sichtweise des Unternehmens: Google geht darin nämlich davon aus, dass mit der Möglichkeit der Deaktivierung bereits die Regeln der EU erfüllt werden, dieser Schritt einer Deinstallation gleichkommt, da diese Apps dann in keiner Weise mehr aktiv sind oder lokale Daten gespeichert haben.

Eine Fußnote im Google-Bericht offenbart einen weiteren Punkt, der die Diskussion noch mal komplizierter macht: Dort heißt es nämlich, dass Hardwarehersteller sehr wohl die Möglichkeit haben, in ihren Android-Varianten vorinstallierte Apps so zu installieren, dass sie nicht deaktiviert werden können.

Wer soll das durchsetzen?

Eine Spur, die indirekt auf ein Problem in dem vom vzbv genannten Beispiel verweist. Für die Software auf einem Galaxy S20 ist primär Samsung zuständig, nicht Google. Dort bei der Installation neue Dialoge zur Browserwahl anzuzeigen, wie es im Rahmen des DMA nun passiert, diese Möglichkeit hat Google über etablierte Schnittstellen. Eine Deinstallierbarkeit aller vorinstallierten Apps würde hingegen tief ins System eingreifen, das geht ohne Samsung schlicht nicht.

Zudem ist auch zweifelhaft, ob Google seine Partner bei bereits verkauften Geräten überhaupt zu solchen Änderungen zwingen kann. Von der Frage der realistischen Umsetzbarkeit bei hunderten Herstellern mit tausenden einzelnen Geräten einmal abgesehen. Solche Änderungen müssten insofern wohl mittelfristig über neue Vorschriften und technische Lösungen umgesetzt werden – und dann natürlich nur für kommende Geräte.

Untersuchung

Abzuwarten bleibt natürlich, wie die EU das beurteilt, also ob die Google-Interpretation als korrekt angesehen wird – oder eben nicht. Genau solche Details sollen in den kommenden Monaten einer eingängigen Prüfung unterzogen werden. (Andreas Proschofsky, 12.3.2024)