Kaputter Fichtenwald Borkenkäfer Trockenheit Sturm
Ob Deutschland, Tschechien oder Österreich – die Fichtenbestände sind durch klimawandelbedingten Stress schwer unter Druck.
IMAGO/Jochen Eckel

Sie ist relativ anspruchslos, wächst schnell und lässt sich exzellent verarbeiten. Nicht umsonst genießt die Fichte seit Jahrhunderten den Ruf als Europas Superbaum. Auch in Österreich ist sie, nicht zuletzt durch starke Aufforstung seit dem 18. Jahrhundert, die prädominante Baumart. In Nutzwäldern betrug ihr Anteil bis vor kurzem fast 60 Prozent. Diese Vorherrschaft entwickelt sich in Zeiten des Klimawandels nun zum Bumerang. Steigende Temperaturen, vor allem aber Trockenheit, setzen ihr stark zu. Borkenbefall, Windwurf und Brände löschen große Forstbestände mit einem Schlag aus. Und das ist erst der Anfang.

Fichtenwald schrumpft stark

Laut einem aktuellen Bericht der International Union of Forest Research Organizations (IUFRO) droht die Waldfläche, auf der sie in Europa künftig noch angebaut werden kann, um bis zu 50 Prozent zu schrumpfen. Gleichzeitig steigt der Bedarf an Holz stark an – sei es in der Bauwirtschaft, als Brennstoff, aber auch für Möbel, Verpackungsmaterial sowie neuere Produktkategorien wie Biotreibstoffe, Biochemikalien und Textilien. Über 400 Milliarden Euro schwer ist die Holzindustrie in der EU, rechnet der Bericht vor. Gerade in der Bauwirtschaft gilt Holz zudem als Zukunftshoffnung, um den CO2-Ausstoß nicht nur zu verringern, sondern das Treibhausgas langfristig zu binden, wie zuletzt auch Klimaforscher Hans Joachim Schellnhuber im STANDARD-Interview anregte.

Doch einen schnellen Ersatz für die Fichte zu finden ist kompliziert. Denn ihr Weichholz lässt sich praktisch in allen Bereichen einsetzen. Durch den geraden Wuchs mit astfreien Stammlängen von bis zu 30 Metern können besonders lange Bretter erzeugt werden. Ungeachtet seiner Leichtigkeit ist das Holz dennoch äußerst stabil. Auch die Trocknung gilt aufgrund der geringen Feuchtigkeitsaufnahme als einfach. Steigt man nun auf klimaresistentere Hartholzbäume wie die Eiche um, die vor allem in Nordeuropa vom Klimawandel profitieren dürfte, sind neue Verarbeitungsmethoden gefragt. Das fängt bei härteren Fräswerkzeugen an, im Bau etwa müssten dünnere Bretter zum Einsatz kommen, um Gewicht zu sparen.

"À la longue wird die Fichte als dominierende Weichholzbaumart nicht mehr verfügbar sein. Auf kurze Sicht fällt gleichzeitig viel verwertbares Holz an, etwa durch Käferbefall, Windwurf oder Waldbrände", erklärt Studienmitautor Florian Kraxner vom Internationalen Institut für angewandte Systemanalyse (IIASA). Diese Mehrgleisigkeit, also quasi sich auf neue Baumarten einzustellen, gleichzeitig aber auch die kurzfristig anfallenden Holzmengen bestehender Bestände optimal und wertig zu verarbeiten, sei für die Holzindustrie eine große Herausforderung.

Waldbesitzer überfordert

In der Forstwirtschaft wiederum scheitert die notwendige Transformation zu klimafitteren Wäldern oft auch an den kleinteiligen Strukturen. "Über die Hälfte des Waldbesitzes in Europa ist privat, die überwiegende Mehrheit davon befindet sich in Familienbesitz", erklärt Studienkoordinatorin Carola Egger von der IUFRO. Viele dieser Besitzerinnen und Besitzer hätten weder das Wissen noch die finanziellen Mitteln, um aktiv gezielt in Bestände einzugreifen. "Mit natürlicher Verjüngung, wie es bei uns üblich ist, kann man nicht sehr schnell neue Baumarten einführen", ergänzt Kraxner. Denn unter jeder Fichte wächst ja eine neue nach. Sie erreicht klimawandelbedingt als Nutzbaum nur nicht mehr ein Alter von 100 bis 120 Jahren, sondern wird viel früher und ungeplant einem Extremereignis zum Opfer fallen."

Eiche
Eichen zählen zu den Gewinnern des Klimawandels in Europa. Sie erobern langsam Skandinavien, wo es ihnen früher zu kalt war. Das harte Holz ist in der Holzindustrie aber nicht sehr beliebt.
AP

Doch nicht nur Fichten sind vom Klimawandel bedroht. Auch Buchen und nichtmediterrane Kiefernarten gelten als trockenheitsanfällig. Und auch der Griff zu nichtheimischen Arten wie der zunächst gepriesenen Douglasie erwies sich vielerorts als tückisch. Im Bericht wird sie als "extrem sensibel gegenüber Umwelteinflüssen" beschrieben. Ein anderer nichtheimischer Baum, der dafür kaum aufzuhalten ist, ist die aus Nordamerika stammende Robinie. Als invasive Art versucht man sie derzeit noch aus heimischen Wäldern zu entfernen. Kraxner zufolge wird man sich aber auch in unseren Wäldern mit ihr anfreunden und überlegen müssen, wie ihr hartes, aber widerstandsfähiges Holz genutzt werden kann.

Suche nach Lösungsansätzen

Eine Initiative, die solche Fragen fundiert beantworten will, ist die 2021 gegründete Plattform Teaming Up 4 Forests, bei der neben der in Wien gegründeten Organisation IUFRO auch der Papier- und Verpackungshersteller Mondi mit an Bord ist. Wissenschaftlich fundiert will die industrienahe Initiative nach Lösungsansätzen für die Wald- und Forstwirtschaft sowie die Holzindustrie suchen, ohne dabei umweltrelevante Fragen wie den Schutz der Biodiversität außer Acht zu lassen. Die am Donnerstag präsentierte Metastudie, die den Wissensstand in Bereichen wie Klimawandel, Sozioökonomie, Politik und Technologie zusammenträgt, ist ein erstes Ergebnis und enthält diverse Handlungsempfehlungen für Forstwirtschaft, Industrie und Politik.

Dass Klimaschutz und Naturschutz sowie die Bewirtschaftung von Waldflächen nicht immer friktionsfrei unter einen Hut zu bringen sind, ist den Handelnden bewusst. Neben der klaren Festlegung, in welchen Gebieten völlig auf die Bewirtschaftung verzichtet werden soll, müsse man im Sinne einer nachhaltigen Bioökonomie besonders auf den verantwortungsvollen Umgang mit der Ressource Holz achten. So könne Holz etwa als Bauelement mehrmals wiederverwendet werden. Auch Beiprodukte wie Lignin in der Papier-, Spanplatten-, aber auch der chemischen Industrie sowie als Biowerkstoff können noch besser genutzt werden, heißt es im Bericht.

Aus einem Baum mach fünf

Die Verwendung von Holz als Brennstoff gilt als letzter Schritt in diesem Verwendungszyklus, der möglichst lange hinausgezögert werden sollte. "Auf der Versorgungsseite kann man aus einem Baum nicht fünf machen. Wenn wir Häuser aber so entwerfen, dass Holzmodule beim Abriss zerlegt und bei Neubauten mehrmals wiederverwendet werden können, dann vervielfache ich die Ressource", erklärt Kraxner. Das Beste daran sei, dass klimaschädliches CO2, das der Baum zuvor 100 Jahre aktiv aufgenommen habe, über viele Jahrzehnte, im besten Fall Jahrhunderte, gespeichert bleibe, während im Wald bereits der nächste Baum als CO2-Senke nachwachse.

Holzhaus
Das Bauen mit Holz kann viel CO2 langfristig binden. Klimaforschende fordern daher, von klimaschädlichen Bauweisen mit Beton umzusteigen.
IMAGO/Joerg Boethling

Damit die Transformation zu klimaresilienten Wäldern gelinge, müssen auch die gesetzlichen Rahmenbedingungen sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene angepasst und vor allem aufeinander abgestimmt werden, fordern die Studienverantwortlichen. Während Maßnahmen wie eine Baumilliarde an die Verwendung klimaschonender Ressourcen wie Holz geknüpft werden sollten, wie etwa Kraxner anregt, müsste aber auch Waldbesitzerinnen und -besitzern unter die Arme gegriffen werden, wenn sie mit entsprechenden Maßnahmen zum Klimaschutz beitragen.

Europa als Vorreiter

Das oft gehörte Argument, dass sich Europa höhere Standards in der Forstwirtschaft aufgrund der Wettbewerbsfähigkeit und der drohenden Billigimporte nicht leisten könne, lässt der IIASA-Forscher nicht gelten. "Wenn Europa geeint auftritt, sind wir ein riesengroßer Markt. Dann kann man auch entsprechende Vorgaben hinsichtlich Klima- und Umweltschutz durchsetzen", ist Kraxner überzeugt. Abgesehen davon, dass auch die Auswirkungen des Klimawandels hohe Kosten erzeugen, habe Europa gerade im Forstsektor schon bisher durch Technologievorsprung Produktivität wettmachen können. "Wir müssen den Weg vorangehen. Wenn wir das bei uns nicht schaffen, wo soll es dann herkommen?", appelliert Kraxner an die europäische Innovationskraft. (Martin Stepanek, 15.3.2024)