Seit einigen Tagen wird in den Medien über Frankreichs Rolle in der Republik Moldau diskutiert, nachdem Präsident Macron und die moldauische Präsidentin Maia Sandu am 7. März ein Verteidigungsabkommen unterzeichnet haben. Darin verpflichtet sich Frankreich, die Unabhängigkeit, Souveränität und territoriale Integrität der Republik Moldau zu sichern. Es ist von der Stationierung französischer Truppen und der Ausbildung von moldauischen Soldaten die Rede, aber vieles ist noch unklar.

Angesichts von Moldaus komplizierter Lage – die Republik ist weder Mitglied der EU noch der Nato – ist diese Unterstützungserklärung dem Land sehr willkommen. Gelegen zwischen dem international nicht anerkannten Transnistrien, wo seit den 1990er-Jahren russische Truppen stationiert sind, der Ukraine und Rumänien, wird seit Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine viel über mögliche Zukunftsszenarien der Republik Moldau spekuliert.

Krte von Bessarabien in der Zwischenkriegszeit.
Bessarabien in der Zwischenkriegszeit.
https://europecentenary.eu/the-road-to-self-determination-of-the-moldavian-democratic-republic/

Kaum bekannt ist hingegen, dass schon nach dem Ersten Weltkrieg französische Truppen mit einer ähnlichen Mission dort stationiert waren. Sie sollten die Unabhängigkeit des neuen Landes schützen, eine Ausbreitung des Bolschewismus verhindern und für Stabilität in der Gegend sorgen. Dieser Beitrag soll den Hintergrund der französischen Mission im Jahr 1918 sowie die Implikationen für die Sicherheit in dieser Region kurz erläutern.

Eine Großmacht will die Bolschewiki eindämmen

Mit der Auflösung des Russischen Reiches gehörte die Moldauische Demokratische Republik, gegründet im Dezember 1917, zu den vielen neu entstandenen Staaten. Regiert vom sogenannten Sfatul Țării (wörtlich "Landesrat"), einem Parlament, dem Repräsentanten aller ethnischen Minderheiten angehörten, darunter Ukrainer, Russen und Juden, hatte der Staat von Anfang an nur sehr begrenzte Mittel, um sich gegen die territorialen Ansprüche der Bolschewiki zu schützen. Als die Bolschewiki gegen Ende 1917 immer mehr Einfluss in Moldau gewannen, baten Mitglieder des Sfatul Țării Frankreich um Hilfe. Frankreich begrüßte die Unabhängigkeitserklärung der Republik Moldau und war als Verbündeter Rumäniens bereits in der Gegend aktiv.

Doch welche Truppen sollten das bedrohte Land schützen? Den Franzosen ging es insgesamt weniger um die moldauische Unabhängigkeit als vielmehr um die Eindämmung der Bolschewiki. Daher dachte man in Frankreich sogar an die Entsendung von Soldaten der ehemaligen Zarenarmee, welche sich der antibolschewikischen Weißen Armee angeschlossen hatten und zu denen das Land gute Kontakte hatte. Dafür sprach die Tatsache, dass sie die Gegend kannten und Russisch, die Sprache des ehemaligen Imperiums, sprachen.

Bessarabien als "Belohnung"

Französische Militärs rieten jedoch davon ab, denn in der allgemeinen revolutionären Stimmung hätten sie leicht auf die Seite der Bolschewiki wechseln können. Zahlreiche moldauische Politiker baten Frankreich, nur ja keine rumänischen Soldaten zu schicken, da sie fürchteten, dass diese aus dem Land nicht mehr abziehen würden.

Das Territorium der Moldauischen Demokratischen Republik hatte ursprünglich zum Fürstentum Moldau gehört. Das Russische Reich annektierte im Jahr 1812 den östlichen Teil des Fürstentums und nannte ihn Bessarabien, nach der walachischen Fürstenfamilie Basarab. Nach und nach ließen sich Angehörige verschiedener ethnischer Gruppen nieder, sodass 1918 die Rumänischsprachigen nur mehr eine knappe Mehrheit darstellten. Während des Ersten Weltkriegs schlug das Deutsche Reich Rumänien vor, Bessarabien als "Belohnung" für den Kriegseintritt auf der Seite der Mittelmächte zu annektieren.

Rumänien trat aber 1916 auf der Seite der Entente in den Krieg ein, da diese dem Land die rumänisch besiedelten Territorien der Habsburgermonarchie versprach, die für das rumänische Nationalbewusstsein viel wichtiger als Bessarabien waren. Das hieß aber nicht, dass Rumänien gar kein Interesse an Bessarabien hatte. Vor allem Ende 1917, als große Teile Rumäniens schon seit fast zwei Jahren unter deutscher Besatzung waren und das Land kaum Kriegserfolge verbuchen konnte, erschien die Einverleibung Bessarabiens sehr attraktiv.

Da die Zeit drängte, setzte sich Frankreich bei Mitgliedern des Sfatul Țării dafür ein, rumänische Truppen zu akzeptieren. Diese, hieß es, seien am verlässlichsten und könnten die Bolschewiki am schnellsten zurückdrängen. Am 28. Jänner 1918 informierte Frankreich die britische Armee, dass die Rumänen ohne nennenswerten Widerstand die Kontrolle über das Gebiet übernommen hätten. Französische Truppen, allerdings viel geringer an der Zahl als die rumänischen, folgten nach. Die feierliche Stimmung ließ bald nach, als Rumänien durch ein sehr repressives Regime seine Annexionsabsichten klar zeigte.

Französische versus rumänische Truppen

In den Monaten nach dem Ende des Krieges erklärte Rumänien die Vereinigung mit der Bukowina, Siebenbürgen, dem Banat und Bessarabien, ohne die nichtrumänische Bevölkerung dieser Gebiete zu konsultieren. Die Siegermächte des Ersten Weltkriegs, die nur über geringe Streitkräfte in der Region verfügten, waren enttäuscht, ließen Rumänien aber dennoch als vollwertigen Partner bei der Pariser Friedenskonferenz zu. Rumänien gehörte dadurch territorial zu den größten Kriegsgewinnern.

Französische Truppen blieben zunächst in Bessarabien und erfüllten verschiedene Aufgaben. Sie rekrutierten zum Beispiel Soldaten für die Weiße Armee in der Hoffnung, dass diese die Roten besiegen und das Russische Reich wiederherstellen würden, und sorgten allgemein für Ordnung. Die Truppen fungierten auch als Schutzmacht für die Minderheiten, vor allem der Juden, welche von den Rumänen mit großem Misstrauen behandelt wurden. Die rumänische Armee assoziierte die jüdische Bevölkerung mit den Bolschewiki und sah auch die Zusammenarbeit zwischen Juden und Franzosen sehr negativ. Allgemein verstand das rumänische Militär Frankreichs Präsenz als Infragestellung der Legitimität des rumänischen Staates in Bessarabien.

Frankreich beendete seine Mission in Bessarabien Anfang der 1920er-Jahre. Erschöpft vom Ersten Weltkrieg zog sich Frankreich nach und nach aus Osteuropa zurück. Auch wenn von französischer Seite oft daran gezweifelt wurde, dass Rumänien angesichts des brutalen Vorgehens seiner Armee die Kontrolle über Bessarabien behalten würde, gelang dies durch den starken Ausbau des Sicherheitsapparats. In der neuen europäischen Ordnung nach dem Ersten Weltkrieg spielte Rumänien – wie auch Polen – eine zentrale Rolle als Cordon sanitaire gegen die bolschewikische Expansion in Richtung Westen.

Trotz aller Unterschiede befindet sich die Republik Moldau heute wieder in einer ähnlichen geopolitischen Lage wie 1918. Ob die Sicherheitsgarantien Frankreichs einen Unterschied machen, wird sich erst zeigen. (Andreea Kaltenbrunner, 19.3.2024)