Meister der Oper: Aribert Reimann.
Meister der Oper: Aribert Reimann.
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Mitunter hat es die Moderne schwer, ihre Uraufführungen in den Klassikalltag zu integrieren. Zu den Ausnahmen gehörte der deutsche Komponist Aribert Reimann. An der Wiener Staatsoper wurde 2010 seine Medea uraufgeführt, die doch hin und wieder im Repertoire auftaucht. Kein Wunder: Reimann konnte Komplexität mit emotionaler Direktheit verbinden. Seine überragende musiktheatralische Kompetenz erzeugte eine dichte Atmosphäre, obwohl da rhythmische und metrische Verzahnungen und harmonische Kühnheit kühn verschmolzen wurden.

Reimanns Stärke: Klangsinnlichkeit wurde mit anspruchsvollen Strukturen verbunden, um genaue Charakterstudien zu gestalten. Reimann, 1936 in Berlin geboren, begann früh zu komponieren; aktenkundig sind Klavierlieder des Zehnjährigen. Vorerst jedoch arbeitete Reimann als Korrepetitor an der Städtischen Oper Berlin, um parallel bei u. a. Boris Blacher in Berlin Komposition zu studieren. Die Rolle als Klavierbegleiter führte ihn auch mit Dietrich Fischer Dieskau zusammen, während erste größere Werke mit Texten von Günter Grass in Verbindung standen, etwa beim Ballette Stoffreste (1959).

Unmittelbar wirksame Wucht

Aribert Reimanns Opernweg begann mit Ein Traumspiel nach August Strindberg, 1978 wurde dann Lear an der Bayerischen Staatsoper uraufgeführt, ein Meisterwerk, das 2017 bei den Salzburger Festspielen in einer fulminanten Inszenierung von Simon Stone Premiere hatte. Auch hier Komplexität und unmittelbar wirksame Wucht: Auratische Klänge und drastische, perkussiv angelegte Ideen wurden mit nachtschwarzen Akkordflächen kombiniert, die die Opernfiguren alle emotionalen Höhen und Tiefen durchleben ließen. Reimanns Musiktheater war auch eines, das die Praxis des Musizierens verstand und, immer literarisch inspiriert, stilistisch keiner speziell dogmatischen Schule der Moderne zugerechnet werden wollte. Aribert Reimann ist am Mittwoch 88-jährig gestorben. (Ljubisa Tosic, 14.3.2024)