In Assam, im Nordosten Indiens, protestierten am Dienstag Menschen gegen die Umsetzung des Gesetzes mit Fackelzügen.
AP/Anupam Nath

In Indien wurde diese Woche ein Einbürgerungsgesetz initiiert, das bereits seit Jahren die Wogen hochgehen lässt. Kurz vor den bevorstehenden Wahlen im April und Mai macht die Regierungspartei BJP nun ernst damit – und deutlich, wer ihre Kernklientel ist. Denn Kritiker werfen ihr vor, mit dem Gesetz Muslime zu diskriminieren. In manchen Gegenden kam es daher zu Protesten. In Assam etwa, im Nordosten des Landes, gingen Menschen auf die Straßen und verbrannten dabei Poster von Premierminister Narendra Modi und Innenminister Amit Shah.

Shah hielt bereits Anfang der Woche auf der Plattform X gegen die Kritik: Das Gesetz würde es Minderheiten, die in Nachbarländern aus religiösen Gründen verfolgt werden, ermöglichen, die indische Staatsbürgerschaft zu erwerben.

"Das Gesetz", damit ist der etwas sperrig genannte Citizenship (Amendment) Act 2019 gemeint, also ein Einbürgerungsgesetz, das eigentlich bereits 2019 beschlossen worden war. Das war kurz nachdem die Regierungspartei BJP eine überwältigende Mehrheit im Parlament errungen hatte. Narendra Modis zweite Amtszeit brachte also viel Selbstbewusstsein – und die nötigen Mehrheiten im Parlament, um auch umstrittene Vorhaben in die Tat umzusetzen.

Der CAA, wie das Gesetz in Indien kurz genannt wird, war ein wichtiges Vorhaben für die hindunationalistische BJP, doch im Land war es äußerst umstritten. Während Verfechter wie Shah darauf pochen, dass es verfolgte Minderheiten in den Nachbarländern schützen soll, fühlen sich Muslime im Land dadurch diskriminiert. Diese machen mit 14 Prozent Bevölkerungsanteil die größte Minderheit im Land aus. 80 Prozent sind Hindu.

Muslime sind ausgenommen

Kurz zusammengefasst beschleunigt der CAA den Weg zur indischen Staatsbürgerschaft für Personen, die erstens Hindu, Sikh, Buddhisten, Jain, Parsi oder Christen sind und zweitens vor Ende 2014 aus Bangladesch, Pakistan oder Afghanistan nach Indien geflohen sind. Anstatt nach elf Jahren können sie bereits nach fünf Jahren die Staatsbürgerschaft erhalten. Muslime sind dabei ausgenommen. Das heißt, es ist das erste Mal in Indien, dass die Staatsangehörigkeit an die Religionszugehörigkeit gekoppelt ist.

Auf die Verabschiedung des Gesetzes 2019 folgten landesweite Unruhen, bei denen dutzende Menschen starben. Über Wochen protestierten Frauen mit Sitzstreiks in Delhi. Ein hartes Durchgreifen der Polizei und schließlich der Ausbruch der Covid-Pandemie bereiteten dem ein Ende. Die Regierung stellte den CAA einstweilen hintan.

Diskriminierung aufgrund von Religion

Nun, da es umgesetzt wird, hagelt es erneut an Kritik. Amnesty International Indien nannte das CAA "ein engstirniges Gesetz, das die Diskriminierung aufgrund der Religion legitimiert". "Seine Umsetzung wirft ein schlechtes Licht auf die indischen Behörden, die es versäumt haben, auf die zahlreichen kritischen Stimmen aus dem ganzen Land, der Zivilgesellschaft, internationaler Menschenrechtsorganisationen und der Uno zu hören", meint deren Leiter in einer Stellungnahme.

Die Opposition wirft der BJP vor, den Schritt jetzt umzusetzen, um politisches Kleingeld damit zu machen. "Das ist ein klarer Plan, um bei den Wahlen zu polarisieren, besonders in Westbengalen und Assam", sagte Jairam Ramesh von der oppositionellen Kongresspartei. Gerade in den beiden Bundesstaaten gibt es durch die geografische Nähe zu Bangladesch besonders viele muslimische, aber auch hinduistische Flüchtige. In Assam war zuvor bereits das National Register of Citizens (NRC) besonders kontrovers aufgenommen worden – eine Maßnahme, von der Millionen von Bürgern des Bundesstaates mit Staatenlosigkeit bedroht waren. Der CAA in Verbindung mit dem NRC löste somit besonders viele Unsicherheiten bei der muslimischen Bevölkerung aus – die Regierung versucht zu beruhigen.

BJP mit guten Wahlchancen

In wenigen Wochen beginnen in Indien die Parlamentswahlen. Die BJP unter dem äußerst beliebten Modi kann auf einen erneuten Sieg hoffen. Angesichts einer sehr schwachen Opposition ist die BJP außerdem sehr geschickt, die Wünsche ihrer Kernwähler zu erkennen und danach zu handeln. Erst im Jänner hat die hindunationalistische Partei ein Wahlversprechen eingelöst, als Modi den umstrittenen Ram-Tempel in Ayodhya einweihte. An derselben Stelle stand jahrhundertelang eigentlich eine Moschee, die 1992 von radikalen Hindus mit dem Argument, dass hier zuvor eigentlich eben ein Ram-Tempel war, demoliert worden war. Dies löste damals verheerende Ausschreitungen mit mehreren Hundert Toten aus.

Dass die Regierungspartei kurz vor den Wahlen Entschlossenheit zeigen will, machte Innenminister Shah auch am Donnerstag nochmals deutlich. Einige nicht von der BJP regierte Bundesstaaten hatten angedeutet, das neue Gesetz nicht anwenden zu wollen. Shah betonte, dass das Sache der Zentralregierung sei: "Wir werden keine Kompromisse eingehen, und der CAA wird niemals zurückgenommen werden." (Anna Sawerthal, 14.3.2024)