Tiktok-CEO Shou Zi Chew
Tiktok-CEO Shou Zi Chew: "Wir werden nicht aufhören, für euch zu kämpfen."
IMAGO/BONNIE CASH

Der von der US-Politik gehegte Plan, den chinesischen Konzern Bytedance zum Verkauf der beliebten App Tiktok zu zwingen, sorgt in Peking für heftige Reaktionen. So sagte Wang Wenbin, Sprecher des chinesischen Außenministeriums, auf einer Pressekonferenz am Donnerstag laut einem Bericht der BBC, dass die Abstimmung für einen Verkauf "in Widerspruch zu den Grundsätzen von fairem Wettbewerb und Gerechtigkeit" stehe.

"Wenn jemand eine schöne Sache sieht, die einem anderen Menschen gehört, und er ihm diese wegnehmen will, dann entspricht das gänzlich der Logik von Banditen", fügte Wang Wenbin hinzu. He Yadong, Sprecher des Handelsministeriums, ergänzte, dass China alle nötigen Maßnahmen ergreifen werde, "um seine legitimen Interessen zu schützen".

Verkauf oder Verbot

Im US-Repräsentantenhaus wurde am Mittwoch dafür gestimmt, dass Bytedance Tiktok verkaufen soll. Hintergrund dieses Schritts ist die Befürchtung, durch die App könnten persönliche Daten der Userinnen und User nach China abfließen und im Rahmen der anstehenden Wahl des US-Präsidenten Desinformation verbreitet werden. Der Entwurf muss im nächsten Schritt vom Senat angenommen und anschließend von Präsident Joe Biden unterzeichnet werden. Dieser hatte jedoch bereits angekündigt, dass er den finalen Schritt setzen werde, sobald dem Vorhaben von beiden Seiten zugestimmt wurde.

Kommt Bytedance anschließend der Aufforderung zum Verkauf nicht nach, so könnte die App in den USA verboten werden. Und aktuell sieht es so aus, als würde China die Option des Verbots einem Verkauf vorziehen, wie einem Bericht des "Wall Street Journal" zu entnehmen ist. So habe He Yadong auf der besagten Pressekonferenz auch gesagt, dass "die relevante Partei sich strikt an chinesische Gesetze und Regulierungen halten sollte".

Von manchen Bytedance-Managern wird dies dem Medienbericht zufolge als Signal interpretiert, dass das Unternehmen mit regulatorischen Hürden in China konfrontiert werde, wenn es Tiktok verkaufe. Im vergangenen Jahr hatte die chinesische Regierung gewarnt, dass ein Verkauf von Tiktok als Export von Technologie gesehen werde, was wiederum von Peking genehmigt werden müsse. Zhang Yiming, CEO von Bytedance, hat dem Medienbericht zufolge noch keine Andeutungen zu möglichen Verkaufsgesprächen gemacht.

Trump-Vertrauter liebäugelt mit Kauf

Einen Interessenten dürfte es jedoch bereits geben. So hatte ebenfalls am Donnerstag Steven Mnuchin, ehemaliger US-Finanzminister unter der Regierung Donald Trumps, erklärt, dass er eine Gruppe von Investoren für einen möglichen Kauf zusammentrommle. Tiktok müsse einem amerikanischen Unternehmen gehören, sagte er am Donnerstag im Wirtschaftssender CNBC.

Als Trumps Finanzminister war Mnuchin auch für jenes Gremium zuständig, das sich mit ausländischen Investitionen in den USA befasste. In dieser Rolle habe er auch Informationen über Tiktok gehabt, über die er nicht öffentlich sprechen könne, sagte er im Interview, machte aber eine Andeutung in puncto Datenverkehr: "Sagen wir mal, wenn man diese App auf allen Telefonen hat, kann sie unglaubliche Mengen an Daten sammeln."

Wirtschaftliche Relevanz

Tiktok selbst setzt indes alle Hebel in Bewegung, um das entsprechende Gesetz noch zu verhindern. So wurden Nutzerinnen und Nutzer in der Vorwoche aufgefordert, über einen Button in der App die Angeordneten anzurufen und diese zu bitten, gegen das Gesetz zu stimmen. Der Schuss ging nach hinten los: Die Telefone der politischen Büros liefen derart heiß, dass die Politiker dies als Einflussnahme auf politische Entscheidungsprozesse werteten und erst recht für den Verkauf stimmten.

In einer Videobotschaft auf der eigenen Plattform hatte Tiktok-Chef Shou Zi Chew wiederum die wirtschaftliche Relevanz von Tiktok in den USA hervorgehoben. Auch er betonte, dass das Ziel des politischen Vorhabens tatsächlich nicht ein Verkauf, sondern ein Verbot sei. Damit werde die Macht etablierter Tech-Konzerne weiter gestärkt, während kleine Unternehmen und Influencer Umsatzeinbußen in Milliardenhöhe hinnehmen müssten.

Mehr als 300.000 Jobs in den USA seien durch ein Verbot gefährdet. In den USA hat Tiktok dem CEO zufolge 170 Millionen User, sieben Millionen Unternehmen in den USA nutzen die Plattform. "Wir werden nicht aufhören, für euch zu kämpfen", sagt Shou Zi Chew in dem Video: "Wir werden alles tun und auch unsere Rechte nutzen, um diese Plattform zu schützen, die wir mit euch gemeinsam gebaut haben."

Wenig überraschend kommt auch Gegenwind von den Influencern, die sich von der schnellen Vorgehensweise der US-Politik regelrecht überrumpelt fühlen. Sie haben sich auf der Plattform Communities aufgebaut und verdienen ihren Lebensunterhalt damit. Viele von ihnen beginnen nun selbst, ihre Follower zu mobilisieren und sie auf die Ernsthaftigkeit der Situation hinzuweisen. Auch hier werden die Zuschauer teils wieder aufgefordert, ihre Senatoren zu kontaktieren.

Fix ist nix

Allerdings ist noch nicht fixiert, dass das Gesetz überhaupt beschlossen wird. So haben einige Senatoren bereits Bedenken gegen den Entwurf in seiner aktuellen Form geäußert. Insbesondere die namentliche Nennung von Tiktok und Bytedance im Gesetzestext stößt auf Kritik: Es wird befürchtet, dass dies gegen eine Verfassungsbestimmung verstoßen könnte, die es dem Kongress verbietet, Gesetze zu erlassen, die sich gegen bestimmte Institutionen richten. Die Befürworter des Gesetzes sehen darin jedoch kein Problem.

Und selbst wenn das Gesetz beschlossen würde, wäre ein Verkauf keine einfache Angelegenheit. So würde Bytedance wohl zunächst versuchen, nur den US-Teil des Geschäfts zu verkaufen. Wollen große Konzerne wie Google, Microsoft oder Meta diesen Teil kaufen, so muss dies wettbewerbs- und kartellrechtlich genehmigt werden. Und dann besteht freilich noch die von Peking eingebrachte Option, den Verkauf zu verbieten. In dem Fall käme es zum Verbot in den USA. (stm, 15.3.2024)