ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker verortet sich und die meisten anderen Menschen in Österreich in "der Mitte".
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Wo Menschen "die Mitte" verorten, bestimmt zumeist der eigene Standpunkt. Und bei sehr vielen Politikern lautet die Festlegung: Die Mitte ist dort, wo ich selbst stehe. Genau so sieht das ganz offenbar auch die ÖVP, die ihre Selbstdefinition jetzt in eine neue Kampagne gegossen hat: "Wir. Die Mitte", lautet der Slogan. Kann das als Credo im Wahlkampf funktionieren?

Am Freitag trat ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker vor die Medien, um die Idee hinter der Kampagne unters Volk zu bringen. Die Ränder würden immer radikaler, erklärte er – Herbert Kickls FPÖ sowieso, gleichzeitig verkomme die SPÖ unter Andreas Babler zur "marxistischen Linkspartei". Und an diesen Rändern werde Angst geschürt, einfache Lösungen propagiert, Populismus betrieben. Das schade dem Vertrauen in die Demokratie. Und überhaupt: "Die Anliegen der breiten Mitte der Gesellschaft gehen verloren", sagt Stocker. Die Antwort auf das Problem heißt aus der Sicht des ÖVP-Parteimanagers wenig überraschend: ÖVP.

Zehn Social-Media-Sujets

Ansprechen wolle die Volkspartei jene Menschen, die "jeden Tag ihrer Arbeit nachgehen", die eine Ausbildung machen oder "ihren Ruhestand genießen" und "Verantwortung für Familie und Gesellschaft übernehmen" – also die allermeisten Menschen im Land. Die ÖVP als "Partei der Mitte", wie Stocker zigfach betonte, würde die Anliegen dieser Mitte hören und Lösungen anbieten. In den kommenden Wochen würden nun auch zehn türkise Sujets zum Thema in Social Media und Onlinemedien gelauncht.

Es ist nicht das erste Mal, dass die Volkspartei ihre beiden großen politischen Gegner FPÖ und SPÖ an die Ränder drängt, um in der Mitte selbst Platz zu nehmen. Doch spätestens jetzt ist davon auszugehen, dass die Strategie ein zentrales Wahlkampfelement der ÖVP werden wird. Die türkise Hoffnung lautet: Wenn die SPÖ unter Babler nach links rückt und die FPÖ unter Kickl immer weiter nach rechts, wird dazwischen Wählerpotenzial frei, das die ÖVP abholen kann.

Die Mitte als Kampfzone

Rote und grüne Spindoktoren waren bereits davon ausgegangen, dass die ÖVP diese Strategie einschlagen wird. Bei der Präsentation des sogenannten Österreich-Plans hatte Bundeskanzler und ÖVP-Chef Karl Nehammer versucht, sich in ein "Duell gegen Kickl" zu reklamieren. Es sollte vermittelt werden, dass die Volkspartei zwar ähnliche Anliegen und Ansätze wie die FPÖ habe, aber anständiger auftrete. Unter ÖVP-Chef Sebastian Kurz war dieser Spin eines der Erfolgsrezepte gewesen. Beobachtet man die Umfragedaten, ist Nehammer der geplante Sprung ins Kanzlerduell dadurch aber nicht gelungen. Die Volkspartei liegt seit mehreren Monaten in allen Erhebungen auf Platz drei hinter SPÖ und FPÖ. Kickls Freiheitliche führen weiterhin mit Abstand.

Selbst manche Strategen anderer Parteien gehen jedoch davon aus, dass Nehammer im Wahlkampf noch dazugewinnen kann – insbesondere wenn es der ÖVP gelingen sollte, viele Wählerinnen und Wähler zu überzeugen, die sich selbst als "Mitte" definieren. Eine ähnliche Strategie verfolgen die Neos. Parteichefin Beate Meinl-Reisinger spricht seit Wochen von der "verlassenen Mitte", an die sie ihre Politik adressiere. Die Neos stehen in Wahlumfragen aktuell bei rund zehn Prozent. Und auch SPÖ und selbst die Freiheitlichen sehen sich als Vertreter der breiten Mehrheit.

Kosten der Kampagne unklar

Wie viel Geld die ÖVP in ihre neue Kampagne investiert, wollte Stocker am Freitag nicht beziffern: "Wir haben aber vorgesorgt, dass wir das Geld haben." Es würden auch alle Regeln für Wahlkampfkosten auf "Punkt und Beistrich" eingehalten, betonte er. Die neue Kampagne sei allerdings auch nicht als eine für den gerade anlaufenden EU-Wahlkampf zu verstehen, erklärte der türkise Generalsekretär. Die ÖVP stelle vielmehr "immer wieder" Kampagnen vor. Der Stichtag für die EU-Wahl, ab dem die Wahlkampfkostengrenze greift, ist der 26. März. (Katharina Mittelstaedt, 15.3.2024)