Ein Nationalratsabgeordneter der FPÖ moderiert eine Talkshow im linearen Fernsehen und interviewt den Nationalratsabgeordneten Herbert Kickl von der FPÖ - abseits von FPÖ-TV auf Youtube und anderen parteinahen Medienkanälen? In Großbritannien geschieht das bereits im klassischen Fernsehen, bei GB News. Der rechtspopulistische Sender mit rechter Agenda beschäftigt gleich mehrere rechtskonservative Abgeordnete als Moderatoren.

Premier Rishi Sunak bei einem
Premier Rishi Sunak bei einem "People's Forum" des rechtskonservativen britischen Senders GB News.
ReutersGBNewsMattPover

Gegenmodell zur BBC

"Dass aktive Politiker ihre eigenen Fernsehsendungen haben, widerspricht allen Präzedenzfällen", sagte der Medienwissenschaftler Tor Clark von der Universität Leicester der Deutschen Presse-Agentur. Die Medienaufsicht Ofcom drücke oft beide Augen zu. Im Wahljahr 2024, so fürchten manche Kommentatoren, könnte dadurch für die Konservative Partei von Premierminister Rishi Sunak ein unfairer Vorteil entstehen. Der genaue Termin für die Abstimmung steht noch nicht fest. In allen Umfragen liegen die Tories weit hinter der sozialdemokratischen Labour-Partei.

Was in den USA mit Fox News begann, hielt spätestens mit der Gründung von GB News 2021 als Gegenmodell zur strikt neutralen, öffentlich-rechtlichen BBC auch in Großbritannien Einzug. "Das Geschäftsmodell erfordert, dass der Sender gar keinen Versuch unternimmt, unparteiisch zu sein", sagt der Politologe Mark Garnett von der Universität Lancaster der dpa. Damit seien umstrittene Persönlichkeiten wie Ex-Wirtschaftsminister Jacob Rees-Mogg und Brexit-Vorkämpfer Nigel Farage aus Sendersicht perfekte Mitarbeiter. Journalismus-Experte Clark stimmt zu: "GB News wurde gegründet, um den bestehenden Konsens im Journalismus über Fairness, Ausgewogenheit und Unparteilichkeit infrage zu stellen, indem ständig rechte Ansichten gefördert und rechte Moderatoren eingesetzt werden."

1700 Beschwerden

Bei GB News sind es vor allem zwei prominente Abgeordnete, die herausstechen: Rees-Mogg, ein Vertrauter von Ex-Premier Boris Johnson, kommentiert regelmäßig in seiner Sendung "State of the Nation" die Lage des Landes. Dafür erhielt er im vergangenen Jahr zusätzlich zu seinem Abgeordnetengehalt rund 325 000 Pfund (380 517,50 Euro) Honorar, wie eine Auswertung der Zeitung "Guardian" ergab. Der Abgeordnete Lee Anderson - einst Vizegeneralsekretär der Tories, wegen muslimfeindlicher Äußerungen aus der Fraktion ausgeschlossen und nun bei der rechtspopulistischen Partei Reform UK - bezieht 100.000 Pfund.

"Lee Anderson's Real World" - die echte Welt - heißt seine Sendung. Da trinkt er gerne ein Pint Bier mit einem Gast. Größere Beachtung fand sein Interview mit der damaligen Innenministerin Suella Braverman im Herbst 2023. Bei Ofcom gingen knapp 1.700 Beschwerden ein. Doch die Aufsicht stellte fest, dass die Sendung über irreguläre Migration "ein angemessenes breites Spektrum wichtiger Ansichten" widergespiegelt habe, denen "gebührendes Gewicht" beigemessen worden sei. Sowohl Anderson als auch Braverman hatten sich wiederholt mit scharfen Worten gegen die Einreise von Menschen ohne die notwendigen Papiere ausgesprochen.

Auch das konservative Abgeordneten-Ehepaar Esther McVey und Philip Davies steht mit einer "Morning Show" auf der Gehaltsliste - gemeinsam erhielten die Politiker 2023 knapp 200.000 Pfund. Hier griff Ofcom ein: Ein Gespräch mit Finanzminister Jeremy Hunt im Frühling 2023 habe die Neutralitätsregeln verletzt. Zuletzt nahm Ofcom Ermittlungen wegen einer Show auf, bei der Premier Sunak auf GB News von Wählerinnen und Wählern befragt worden war. Anschließend analysierte ein Tory-Politiker die Inhalte.

Aber können die Shows den Tories wirklich helfen, den Rückstand auf Labour noch aufzuholen? Experte Clark hat Zweifel. Der Anteil am linearen TV-Markt betrage nur 0,45 Prozent. "Da wird niemand bekehrt, sondern GB News bestätigt lediglich die bestehenden Vorurteile seines Publikums." Mit einer Ausnahme - Anderson. Wenn er jetzt für Reform UK antritt und auch aufgrund seiner eigenen Show sein Mandat verteidige, werfe das interessante Fragen für Politik und Medien auf.

Nigel Farage und Boris Johnson

Bekanntestes Gesicht von GB News ist aber Nigel Farage. Einst Frontmann der Reform-Vorgängerin Brexit-Partei, wird er als Reporter zu Politveranstaltungen geschickt. Nach Ansicht von Beobachtern nutzt Farage aber diese Bühne vor allem, um sich selbst in Szene zu setzen. Lieblingsthema: der Zustand der Konservativen Partei, die er bereits zur Zeit des Brexit-Referendums mit immer rechteren Positionen vor sich hergetrieben hatte.

Politologe Garnett spricht von einer Echokammer. Wer Farage ablehne, halte GB News ohnehin für einen schlechten Witz. Wer ihn liebe, liebe auch seine Sendung. "Seine TV-Show würde ihm eine ideale Gelegenheit bieten, den Tories zu schaden, wenn er wie erwartet im Vorfeld der Wahl beginnt, eine prominentere Rolle bei Reform UK zu spielen", sagt Garnett. Der Experte verweist auf einen bekannten Vorreiter, der seine Arbeit in der Medienbranche geschickt für politische Zwecke genutzt habe: Boris Johnson. (APA, dpa, 17.3.2024)