Fachberatung oder mittels moderner Technologie - Wege zum neuen Lieblingsparfum gibt es viele
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Es surrt, quietscht und klackert, als die Maschine durch die Eingabe eines sechsstelligen Codes zum Leben erweckt wird. Fläschchen werden mittels Förderbändern, Greifarmen und Aufzügen schrittweise durch die Apparatur befördert. Wo früher asiatische Suppen im "Ivy’s Pho" serviert wurden, entstehen heute individualisierte Düfte. Das schmale, langgezogene Lokal in der Wollzeile beherbergt die "Algorithmic Perfumery" genannte Maschine von Frederic Duernick. In den circa drei Meter langen Stahlrahmen sind 48 Glasbehälter einspannt. Darin befinden sich Duftessenzen. Kleine Düsen spritzen die Flüssigkeiten im richtigen Verhältnis in die kleinen Flakons. Am Schluss kommen noch ein Etikett und ein Sprühkopf drauf und fertig ist das Parfum, kreiert von der Künstlichen Intelligenz.

Viele Menschen begeben sich auf die Suche nach ihrem persönlichen Lieblingsparfum. Doch das schier unendliche Angebot kann für Laien oft demotivierend sein. Man gibt irgendwann wieder auf oder greift zum ewig gleichen Duft. Dabei gibt es gibt viele Wege, einen neuen Lieblingsduft zu finden. Die "Algorithmic Perfumery" ist hierbei sicher eine der innovativsten Arten. Ob beim Testbesuch in der Wollzeile tatsächlich das ultimative Traumparfum entstanden ist? Dazu später.

Bei der
Bei der "Algorithmic Perfumery" werden die von der KI komponierten Düfte vollautomatisch abgefüllt.
Michael Steingruber

Das Konzept ist für Aik Sargsian jedenfalls "eine wunderbare Art des Edutainments". Er ist seit fast 30 Jahren in der Beautybranche tätig, betreibt in der Wiener Gumpendorfer Straße die kleine aber feine Parfümerie "Osmotheca" und seit vergangenem Herbst nun auch die "Cosmotheca" in der Wollzeile, deren Kernstück die "Algorithmic Perfumery" ist. "Viele kaufen Parfums großer Konzerne. Sie verlassen sich auf deren guten Namen, weil ihnen Selbstbewusstsein beim Thema Duft fehlt. Aber hier können sie auf unterhaltsame Weise etwas über das Handwerk lernen, experimentieren und sich die Welt der Düfte spielerisch erschließen", sagt Sargsian. Basierend auf einem ausgefeilten Fragebogen komponiert die KI drei individuell perfekt passende Duftmischungen.

Sagen die computergenerierten Parfums nicht zu, kann die Kundschaft noch aktiv an der Zusammensetzung der Zutaten schrauben – Akkorde hinzufügen, weglassen oder anders gewichten. Die Maschine produziert daraufhin das neue Parfum. Für 45 Euro erhält man ein Set mit fünf Flakons zu je fünf Millilitern. Die Rezepturen bleiben gespeichert. Die Düfte können also jederzeit nachbestellt werden. Passenderweise heißt das Parfumlabel der "Algorithmic Perfumery“„Every Human". Weil damit jeder Mensch zum Parfümeur werden kann – zumindest theoretisch. Denn normalerweise dauert es viele Jahre, bis man die Parfumkunst beherrscht. Vielleicht also doch auf Kreationen der Fachleute zurückgreifen?

Was suche ich eigentlich?

Am Beginn der Suche nach dem perfekten Parfum steht die Frage, ob man die eigene Parfumgarderobe erweitern möchte oder sich einen "Signature-Duft" wünscht, also eine Art olfaktorisches Aushängeschild für sich selbst. Ein solches sollte zwischen frischen und schweren Noten gut ausbalanciert sein. "Das muss etwas sein, dass man jeden Tag riechen kann. Den üppigsten Oud-Duft würde ich da nicht empfehlen", sagt Hanna Flörl-Aschauer. Gemeinsam mit ihrem Ehemann Matthias Aschauer betreibt sie "Duft und Kultur" in Wien. Der ultimativen Allrounder sei bei ihren Kundinnen und Kunden eher weniger gefragt, viele suchten nach einem Parfum für eine gewisse Jahreszeit oder spezielle Anlässe. "Die allermeisten aber wollen Vielfalt. Sie wählen je Stimmung ein passendes Parfum aus ihrem Schrank", sagt Flörl-Aschauer.

In der Nischenduftparfümerie
In der Nischenduftparfümerie "Duft und Kultur" setzt man ganz klassisch auf Beratung durch Fachpersonal.
Duft und Kultur

Der Besuch in einer Nischenduftparfümerie wie "Duft und Kultur" in der Tuchlauben in Wien ist der Königsweg zum Lieblingsduft. Unter Nischendüften versteht man Parfums kleiner Labels, die ausgefallene Kompositionen in geringer Stückzahl und unter Verwendung hochwertiger Inhaltsstoffe produzieren. Sie sind die Antithese zu großen Konzernen, die gefällige Düfte für die Masse herstellen, wie man sie aus Duty Free Shops oder Drogerieketten kennt. Sind diese Fachgeschäfte also abgehobene Luxustempel, in die man sich nicht hineintraut? "Nischenduftparfümerien hatten lange Zeit ein sehr elitäres Image. Wir haben da eine andere Philosophie. Mit einem jungen Team, lockerer Art und niederschwelligem Zugang zum Thema Duft versuchen wir, die Scheu abzubauen", erklärt Hanna Flörl-Aschauer.

Gut Duft braucht Weile

Sie oder jemand aus ihrem Team stellt der Kundschaft viele Fragen, es werden verschiedene Parfums ausprobiert und so nähert man sich Schritt für Schritt dem Ziel an. "Schwierig wird’s wenn die Kundschaft fragt, 'was passt zu mir?' Da müsste man mit Klischees arbeiten. Das ist nicht zielführend. Denn oft gefallen den Leuten Düfte, die man ihnen nicht zuordnen würde" erklärt die Expertin. Im besten Fall entstehe ein Dialog. Wer sich auf eine "Duftreise" begibt, sollte jedenfalls nicht in Eile sein. Manchmal dauere die Beratung eine Stunde, manchmal auch mehrere Tage, erzählt die Expertin. Parfums geben ihr gesamtes Aromenspektrum erst mit der Zeit preis. Der erste Eindruck kann trügen, man sollte potenzielle Lieblingsparfums also erst für einige Stunden auf der Haut tragen, um nicht nur die flüchtige Kopfnote, sondern auch Herz- und Basisnote wahrnehmen zu können, die sich erst später entfalten.

Hanna Flörl-Aschauer gibt ihrer Kundschaft auch schon mal ein kleines Probefläschchen vom jeweiligen Parfum mit, um es auf Alltagstauglichkeit zu testen. Nicht zuletzt auch deswegen, weil durch die starke Duftkulisse im Geschäft die Nase nach einiger Zeit "geruchsblind" wird. Kommt die Kundschaft aber tatsächlich zurück oder recherchiert zuhause, wodas Parfum online günstiger zu bekommenist? "Ich führe keine Statistik, aber vom Gefühl her, kommen 80 Prozent der Leute wieder. Es entsteht eine Beziehung zu wiederkehrenden Kundinnen und Kunden. Diese machen bestimmt die Hälfte unserer Klientel aus", erzählt Flörl-Aschauer.

Ins Internet schnuppern

Viele Parfümerien und Duftlabels betreiben Online-Shops – ideal zum Nachbestellen von Parfums. Aber kann man auch neue Lieblingsdüfte virtuell finden? Die blumig formulierten Erklärungstexte haben oft wenig mit dem tatsächlichen Duft zu tun und die Angabe von Kopf-, Herz- und Basisnote ist für viele Laien wahrscheinlich zu abstrakt.

Als digitale Hilfestellung setzen einige Marken Fragebögen ein, um das passende Parfum für die User zu finden. Manche sind sehr schnell ausgefüllt, andere elaborierter. Der spanische Kosmetikkonzern Puig bietet mit "Wikiparfum" eine ganze Plattform zum Thema Parfumkunst. Informationen zu Inhaltstoffen und Duftfamilien sowie Einblicke in das Berufsleben von Parfümeurinnen und Parfümeuren sind dort ebenso zu finden wie ein Tool, mithilfe dessen ein Duftprofil des jeweiligen Users erstellt wird. Das stellt die Basis für konkrete Duftempfehlungen (auch abseits der Konzern-eigenen Marken) dar. Nur direkt über die Plattform. kaufen kann man diese nicht. Das heißt doch wieder zurück in die Parfümerie?

Mit dem Online-Tool
Mit dem Online-Tool "Make a Match" sollen User den passenden Duft aus den "Editions de Parfums Frédéric Malle" finden.
Editions de Parfums Frédéric Malle/Konstantin Kakanias
Mit dem Online-Tool
Die Illustrationen des Online-Tools "Make a Match" stammen von Künstler Konstantin Kakanias
Editions de Parfums Frédéric Malle/Konstantin Kakanias

"Man sollte nicht in ein Geschäft gehen müssen, um seinen perfekten Duft zu finden", sagt Frédéric Malle, der sein eigenes Label mit Düften der besten "Nasen" der Welt betreibt. Der Franzose bietet mit "Make a Match" eine Art virtuelle Beratung. Den Usern werden Illustrationen zu verschiedenen Themen gezeigt. Sie wählen aus, welche Outfits, Accessoires oder Verkehrsmittel ihnen am besten entsprechen. In sieben Schritten wird ein Stilprofil erstellt und am Schluss gibt es drei Parfum-Empfehlungen aus den "Editions de Parfums Frédéric Malle". Wem das noch immer zu unsicher ist, kann sich ein sogenanntes Discover-Set zukommen lassen. Man könnte es mit einem Degustationsmenü vergleichen – kleine Kostproben aus dem großen Sortiment. Diese probiert man dann zuhause durch und kann sich in Ruhe für das Lieblingsparfum entscheiden.

Spielerische Ansätze

Es gibt aber auch noch andere Ansätze, um sein perfektes Parfum zu finden. Die Düfte des Nischenduft-Labels "Argentum" sind zwölf "Archetypen" wie etwa Held, Rebell oder Pfleger zugeordnet. Die Idee ist, dass man aus einem Kartendeck intuitiv den individuell passenden Archetyp zieht. Sagt einem das dazugehörige Parfum nicht zu, kann man die auf einem Duftrad ersichtliche, gegenüberliegende Komposition probieren. Das Ganze klingt ein bisschen nach Tarot, macht aber auch Spaß und kann durchaus ein probater Weg zum neuen Lieblingduft sein. In Wien bietet die Parfümerie Topsi dieses Service an. Wem das Prozedere zu esoterisch ist darf sich natürlich auch ganz konventionell durch das Portfolio riechen. Einen Ansatz mit einer ähnlichen Portion Mystik verfolgt Spiritum. Hier wird mit Numerologie gearbeitet. Einfach das Geburtsdatum auf der Website des Pariser Labels eingeben und es wird eine Zahl inklusive Duftempfehlung ausgespukt.

Mit dem nötigen Kleingeld kann man sich auch sein ganz individuelles Parfum von einer ausgebildeten "Nase" kreieren lassen. Louis Vuitton bietet ein solches Service an. Starparfümeur Jacques Cavallier Belletrud komponiert in mehreren gemeinsamen Sitzungen ein einmaliges Parfum für die Kundschaft. Die Flakons mit dem fertigen Duft werden standesgemäß im schicken Louis-Vuitton-Köfferchen geliefert. Das hat seinen Preis. Mindestens 60.000 Euro muss man dafür berappen.

Im Vergleich dazu erledigt die KI der "Algorithmic Perfumery" das Ganze zum Spottpreis. Spiegelt sich das im Ergebnis wider? Eine der drei computergenerierten Kreationen sagt überhaupt nicht zu. Die anderen beiden Düfte überraschen mit komplexen, jedoch harmonischen und vor allem außergewöhnlichen Kombinationen. Eine gute Ergänzung im Parfum-Schrank. (RONDO, Michael Steingruber, 21.3.2024)