Rudolf Anschober, grüner Ex-Gesundheitsminister und nunmehr Autor sowie Vortragender, schwört auf Reisen mit der Bahn – aus ökologischen Erwägungen, aber nicht nur. Eben ist er in Wien von einem Halbtagestrip nach Linz zurückgekommen, früher als ursprünglich gedacht. "Ich steh schon in Wien-Hütteldorf", sagt er zu Beginn des Telefonats mit dem STANDARD, das er eigentlich bequem aus dem Zug führen wollte. Die Bahnstädteverbindungen in Österreich seien hervorragend, betont er.

Rudolf Anschober in einem Kaffeehaus
Entwirft eine positive Zukunftsvision: Ex-Grünen-Politiker Rudolf Anschober.
Foto: Andy Urban

In seinem neuen Buch "Wie wir uns die Zukunft zurückholen" kommt die Bahn mehrmals vor, neben vielen weiteren Alternativen zur heutigen großteils fossilen Mobilität und Wirtschaft. Angesichts einhelliger Warnungen von Wissenschaftern, dass der Menschheit die Zeit ausgeht, um eine existenzbedrohende Klimaerhitzung abzuwenden – und des allgemeinen Pessimismus, mit dem dieser Befund einhergeht –, wolle er "Zuversicht für eine gelingende Klimawende" schaffen, sagt Anschober im STANDARD-Gespräch.

Wien 2040 – eine grüne Stadt

Das Buch beginnt denn auch mit einer positiven Zukunftsvision, mit dem heute 63-Jährigen als Proponenten im Jahr 2040. Sie spielt in einem Wien, das sich stark verändert hat: Bäume und Rasen statt mehrspuriger Straßen, weil der Pkw-Verkehr pro Straße auf eine Fahrspur nach dem Einbahnprinzip begrenzt wurde. Breite Radwege sowie Straßenbahnen, zwischen deren Schienen blaue Solarmodule Strom erzeugen.

Beschattete Begegnungszonen statt der heutigen Massenautoabstellplätze am Straßenrand, die – wie Anschober schreibt – "auch ein neues Miteinander und weniger Einsamkeit in der Stadt" ermöglichen. Es sei ihm ein Anliegen, zu schildern, dass die Klimawende nicht mit Verzicht, sondern "mit Verbesserungen für die meisten Menschen" einhergehen werde. Wenn sie denn gelingt.

Jahrzehntelanger Druck der Lobbyisten

Als große Verhinderer nämlich stellt der Ex-Grünen-Politiker die fossile Lobby dar. Sie habe jahrzehntelang erfolgreich Druck auf die Politik gemacht, um das Wissen über die Gefahren der Klimaerhitzung zu unterdrücken und Energiealternativen klein zu halten – und versuche das auch weiter. Ihre Bestrebungen, "die Entscheidungsmacht über die Energieversorgung nicht verlieren zu wollen, um nur noch und immer wieder 'ein paar letzte Jahre' Geld mit Gas und Öl machen zu können", habe er als Umweltlandesrat in Oberösterreich in den Nullerjahren gespürt.

"Und während sie die Bevölkerung immer wieder täuschten, arbeiteten Teile von Politik und Energiewirtschaft vehement daran, das fossile Zeitalter auszubauen. Sie verlängerten die Verträge mit den Erdöl- und Erdgaslieferanten auf Jahrzehnte hinaus und führten Europa damit immer tiefer in die Abhängigkeit von Diktatoren", schreibt Anschober.

Wie genau das geschehen sei, gelte es nun zu untersuchen. Und zwar auch in Österreich, wo OMV und Gazprom in Anwesenheit des russischen Präsidenten Wladimir Putin und des damaligen Bundeskanzlers Sebastian Kurz (ÖVP) 2018 einen Gasliefervertrag bis 2040 unterschrieben haben. Hier wird Anschober konkret: "Es braucht einen eigenen Untersuchungsausschuss über diese Russland-Fragen", sagt er.

"Schwarzer Sommer" als Schock

In seinem Buch konstruiert Anschober einen bewusstseinsverändernden kollektiven Schock, der in Europa und Nordafrika den letzten Anstoß für tiefgreifende Veränderungen gibt. Den Sommer 2026 lässt er zum "schwarzen Sommer" werden, in dem eine monatelange Hitzewelle zu dramatischen Ernteausfällen, riesigen Waldbränden, Versorgungsknappheit bei Lebensmitteln und Strom und an die 150.000 Hitzetoten führt.

Unrealistisch sei eine solche Katastrophe leider nicht, sagt er nach Recherchen bei Fachleuten. Im Globalen Süden herrschten zum Teil bereits solche Zustände.

Dennoch zeigt er sich in dem Buch zuversichtlich, dass die Menschen rechtzeitig Maßnahmen setzen werden, um die sich anbahnende Klimakatastrophe abzumildern. Immerhin gebe es schon heute weltweit "Erfolgsmodelle auf lokaler und regionaler Ebene": von europäischen Städten wie Paris, wo derzeit eine Baumpflanzoffensive läuft, und dem im weiten Teilen auf Fahrradverkehr ausgerichteten Utrecht bis hin zu Nigeria. Dort sei mit dem Ankauf von 12.000 Elektrobussen "auf einen Schlag der öffentliche Verkehr emissionsfrei gestaltet" worden. (Irene Brickner, 20.3.2024)