Nicht alle Französinnen kleiden sich in Dior, Chanel oder Yves Saint-Laurent. 70 Prozent der in Frankreich verkauften Textilien stammen vom anderen, billigen Ende der Modeindustrie. Man nennt sie "Fast Fashion", übersetzbar mit Billigst- oder gar Wegwerfmode. Zwei chinesische Onlineplattformen teilen sich den Markt weitgehend auf: Temu und Rivalin Shein. Letztere überschwemmt den Markt mit täglich 7.200 Neumodellen.

Bei Shein gab es am Montag etwa einen Rollkragenpulli für 5,55 Euro, ein Puderquastenset für 1,01 Euro oder einen Männer-Hoodie für 6,72 Euro. Alle Produkte werden ohne Zwischenhandel und per Flugzeug zugestellt, sodass die Ökobilanz noch schlechter ausfällt als in der restlichen Textilbranche, die insgesamt für zehn Prozent der globalen CO2-Emissionen sorgt.

Menschen gehen an einem Werbeplakat von Shein vorbei. 
Die chinesischen Billiganbieter Shein und Temu wirbeln die Märkte durcheinander.
REUTERS/Suzanne Plunkett

In Frankreich, wo Billigladenketten wie Kookaï, Célio oder Naf Naf in Konkurs gehen, will man der Fast Fashion nun einen Riegel vorschieben. Die französische Nationalversammlung hat dazu letzte Woche einstimmig ein Gesetz gutgeheißen. Derzeit berät der Senat als Zweitrat; seine Zustimmung gilt ebenfalls als sicher. Wie Umweltminister Christophe Béchu erklärte, wird Frankreich damit "das erste Land, das die Exzesse der Ultra Fast Fashion bekämpft".

Der von der Mittepartei Horizons eingebrachte Vorstoß schränkt zum einen die Werbung für Fast Fashion stark ein. Die Ankündigung von Aktionen ist außerhalb der Plattform nicht mehr erlaubt. Marketingexperten sehen darin eine gravierende Einschränkung für die Onlinemärkte, die sich ohne Zwischenhandel direkt an die Kundschaft wenden. Die konkreten Ausführungserlasse sind noch nicht bekannt, doch gehen Regierungsjuristen in Paris davon aus, dass zum Beispiel auch Influencerinnen unter das Werbeverbot fallen dürften.

Strafgebühr

Die Gesetzesinitiantin Anne-Cécile Violland plante außerdem die Einführung einer direkten Steuer auf Fast-Fashion-Produkte. Das würde aber wenig Sinn machen, da der europäische Zollfreibetrag bei 150 Euro liegt. Selbst wenn der bestellte Betrag höher ausfällt, ließe sich die Steuer umgehen, indem die Bestellungen – durch die Kunden oder die Anbieter wie Shein – aufgeteilt werden.

Kernpunkt des neuen Gesetzes ist eine Strafgebühr für Massenprodukte. Sie fällt desto höher aus, je unökologischer die Fabrikation ist. Sie betrifft allerdings nicht die einzelnen Produkte, sondern den gesamten Fast-Fashion-Umsatz des Unternehmens. Die genaue Höhe dieser "Ökobuße" steht noch nicht fest, soll aber so festgelegt werden, dass sie für ein normales Kleidungsstück rund fünf Euro betragen dürfte; ab 2030 soll dieser Betrag dann auf zehn Euro zu liegen kommen. In keinem Fall darf er mehr als die Hälfte des Verkaufspreises betragen.

Seiten der Shein-Website und der Temu-Website
In Frankreich, wo Ketten wie Kookaï, Célio oder Naf Naf Konkurs anmelden, will man der Fast Fashion nun einen Riegel vorschieben.
AP/Richard Drew

Auch wenn dieser Mechanismus keine eigentliche Produktsteuer ist, kommentierte Shein umgehend, das neue Gesetz "werde die Kaufkraft der französischen Konsumenten beeinträchtigen". Violland bestreitet hingegen, dass die meist finanziell minderbemittelte Käuferschaft in ihrer Brieftasche getroffen werde: Das Strafgeld werde ja dem Unternehmen in Rechnung gestellt, und dieses sei nicht gezwungen, es auf die Konsumentinnen und Konsumenten zu überwälzen.

Die Modeschöpferin Julia Faure, die ein nachhaltiges Kollektiv namens "En mode climat" gegründet hat, erklärte zudem, die erhobene Ökogebühr fließe nicht in die Staatskasse. Sie werde vielmehr als "Malus" angelegt und solle als "Bonus" Unternehmen zugute kommen, die nachhaltig produzieren und die Arbeiterrechte in den Fabriken Chinas oder Bangladeschs einhalten.

Importquoten gefordert

Linksparteien und die Grünen verlangten in der Nationalversammlung Importquoten für Produkte der Fast Fashion. Sie drangen damit aber nicht durch, weil die Regierung in Paris Retorsionsmaßnahmen von Ländern wie China befürchtet. Dadurch könnten die französischen Luxuskonzerne wie LVMH oder Hermès empfindlich getroffen werden – und für sie gewinnt der Chinamarkt ständig an Bedeutung.

Auch so ist nicht ausgeschlossen, dass Peking ähnliche Strafgebühren einführt, die auf die französischen Qualitätsprodukte abzielen. Umweltminister Béchu hofft deshalb, dass die EU nachziehen und eine ähnliche Direktive erlassen wird. Brüssel hatte schon 2022 ein Ökosiegel für langhaltende oder recycelbare Kleider eingeführt. Die Übernahme der französischen Strafmaßnahmen für Fast-Fashion-Produkte auf europäischer Ebene scheint aber umstrittener. (Stefan Brändle, 19.3.2024)