Der professionelle Spieler konnte sämtliche Gegner durch Wände sehen.
Screenshot Twitch.tv

Doping macht auch vor den elektronischen Sportarten nicht halt. Ungewöhnlich in diesem Fall ist nur, dass diese unfairen Vorteile ohne das Wissen der Spieler installiert wurden. Eine Schwachstelle in "Apex Legends" selbst wurde benutzt, um die für EA-Spiele zuständige Software Easy Anti-Cheat auszuschalten und fremde Programme zu installieren. Experten warnen vor weiteren Gefahren, die von der Hintertür ausgehen könnten. Ransomwares und Rootkits sind nur zwei Beispiele von schadhafter Software, die über den EA-Titel derzeit auf den eigenen Heim-PC gelangen könnten.

Es wird empfohlen, das Spiel bis auf weiteres zu deinstallieren, zudem sollen Spieler, die an dem Turnier teilgenommen haben, sämtliche Passwörter ändern und ihr System zurücksetzen. Weder der Publisher EA noch das Entwicklerstudio Respawn Entertainment haben sich bisher zu Wort gemeldet, nur Easy Anti-Cheat äußerte sich auf X zu dem Vorfall. Man sei sich sicher, dass der eigene Dienst nicht an der Schwachstelle in "Apex Legends" schuld sei, hieß es.

Nordamerikanisches Finale abgesagt

Die "Apex Legends" Global Series (ALGS) ist eine von Electronic Arts und Respawn Entertainment betriebene Wettbewerbersreihe. Die Gewinner dürfen bei der ALGS Championship, dem Pendant zur Weltmeisterschaft, antreten. Das Finale der Turnierserie für die nordamerikanische Region wurde am Montag nach einer Reihe von unfreiwilligen Cheat-Vorfällen abgesagt und auf einen noch unbekannten Zeitpunkt verschoben. Zwei Teilnehmer waren unfreiwillig mit Cheats ausgestattet worden und hatten das Match sofort verlassen, um dem eigenen Dreierteam keinen unfairen Vorteil zu verschaffen.

Noyan "Genburten" Ozkose ist ein professioneller Spieler für das amerikanisch-australische E-Sport-Team Dark Zero Esports. Als einer der Sieger der 2022-Edition der ALGS Championship war er auch dieses Jahr wieder dabei, um um das Preisgeld von hunderttausenden Dollar wettzueifern. Wenige Minuten nach Matchbeginn flackerte bei ihm zuerst eine Warnung in einer der oberen Bildschirmecken auf, dass der Streamer-Modus ausgeschaltet sei, und dann öffnete sich ein Cheat-Menü ohne Zutun des professionellen Spielers.

Zuschauer mit besonders scharfem Blick werden schon einen Hinweis für das nächste Opfer des Angriffs gefunden haben. Der Name des Cheat-Menüs, "TSM Halal Hook", gibt Aufschluss darüber: Phillip "ImperialHal" Dosen, im Spitznamen auch gerne "ImperialHalal" genannt, musste als Nächster die Kontrolle über seinen PC abgeben. Anders als bei "Genburten", der auf einmal sämtliche Gegner durch Wände sehen konnte, verlieh der Hack "ImperialHal" perfekte Zielgenauigkeit. In dem Clip springt das Fadenkreuz unnatürlich auf einen weit entfernten Gegner und bleibt auch bei schneller Bewegung perfekt platziert. Genau wie sein zuvor betroffener Kollege kommentiert Dosen die Situation mit dem Schrei:" I'm cheating! I'm cheating!"

Code-Ausführung aus der Ferne

Bei einem Remote-Code-Execution-(RCE-)Angriff werden fremde Programme auf dem PC des Angriffsopfers ausgeführt, ohne dass der Betroffene etwas dagegen tun kann. Im Fall von "Apex Legends" sind zwar nur Programme, die Vorteile im Spiel verschaffen, injiziert worden, dennoch könnte über denselben Kanal auch wirklich schadhafte Software auf einen Computer geladen werden. Das unabhängige Anti-Cheat Police Department äußerte sich auch schon zu dem Hackerangriff. Sämtliche Spieler, die an dem Turnier teilgenommen haben, sollen ihr Discord-Passwort zurücksetzen und ihren PC von Grund auf neu aufsetzen, schreibt das ACPD auf X.

Die freiwillige Organisation, die durch ihre Zusammenarbeit mit dem Riot-Games-Shooter "Valorant" bekannt geworden ist, nahm Kontakt mit dem mutmaßlichen Hacker "Destroyer2009" auf. "R5 Reloaded", eine beliebte Modifikation für "Apex Legends", hat demnach nichts mit der Hintertür zutun. Auch dass eine Option im Cheat-Menü "Vote Putin" war, wurde als Erstes von der Organisation erkannt.

Der ewige Kampf zwischen Cheat-Herstellern und Videospielentwicklern ist um eine Schlacht reicher, die die Entwickler leider verloren haben. Dass aber nicht nur unfaire Vorteile die Wettbewerbsintegrität bedrohen, sondern auch das Spiel selbst eine Bedrohung darstellt, hebt das Ganze auf eine neue Ebene. Bisher äußerten sich weder EA noch Respawn Entertainment zu dem Vorfall, der ihre gesamte Spielerklientel betreffen könnte. Über 400.000 Personen verbringen immerhin täglich ihre Zeit mit dem Spiel und laufen möglicherweise gerade Gefahr, sämtliche Kontrolle über ihre Geräte zu verlieren. (gld, 19.3.2024)