Silje Opseth
Silje Opseth flog in Vikersund zu einem neuen Weltrekord, die Norwegerin fliegt aber lieber nach Thailand, als sie von der Normalschanze in Planica springt.
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Wien – Die Weltcupsaison der Skispringerinnen endet mit Misstönen. Einerseits zogen Entscheidungen der Jury und der Veranstalter beim Skifliegen in Vikersund massive Kritik nach sich, andererseits boykottieren die Norwegerinnen Silje Opseth und Eirin Marie Kvandal das finale Saisonspringen am Samstag in Planica. Die Skiflugweltrekordlerin und die Siegerin der in Vikersund beendeten Raw-Air-Serie empfinden es als Zumutung, dass es in Slowenien für die Frauen nur ein Springen von der Normalschanze am Donnerstag gegeben wird, während die Männer von Freitag bis Sonntag ihren Abschluss mit drei Bewerben auf der Flugschanze zelebrieren.

"Wir werden tatsächlich mit Füßen getreten, haben keinen großen Wert", sagte Opseth, die am vergangenen Sonntag in Vikersund den Weltrekord auf 230,5 Meter verbessert hatte, der Tageszeitung "Dagbladet". Die Männer dürften zum Skifliegen "und machen das coolste Ding der Welt. Und wir sind daneben auf der kleinsten Schanze. Ich muss echt sagen, das ist enttäuschend."

Thailand statt Tal der Schanzen

Tatsächlich war das Springen der Frauen im "Tal der Schanzen" allerdings ursprünglich gar nicht im Wettkampfkalender. Es war als Ersatz für das wetterbedingt ausgefallene Normalschanzenspringen in Rasnov, Rumänien, angesetzt und zunächst durchaus begrüßt worden, weil die Saison der Springerinnen schon in Vikersund hätte enden sollen. Der slowenische Verband sprang auch ein, um die zu diesem Zeitpunkt schon designierte Gesamtweltcupsiegerin Nika Prevc in großem Rahmen vor Heimpublikum ehren zu können. Der schon traditionelle Saisonschluss in Planica zieht erfahrungsgemäß zehntausende Fans an. Die müssen nun auch ohne Opseth auskommen, die lieber mit ihren Eltern in Thailand urlaubt. Eine bereits länger gebuchte Reise, wie die 24-Jährige einräumte.

Mario Stecher nennt die Aktion der Norwegerinnen "unfair den Veranstaltern gegenüber, die so etwas auf die Beine stellen". Aber der jüngst zum Sportdirektor des Österreichischen Skiverbands (ÖSV) avancierte ehemalige Sportliche Leiter für Skispringen und Nordische Kombination sieht durchaus auch sportliche Gründe dafür, die Frauen in Planica nicht fliegen zu lassen. Die Flugschanze in Planica sei mit jener in Vikersund nicht zu vergleichen. "Der Luftstand ist weit höher, bei sieben, acht Metern." Wohl seien die besten Skispringerinnen in der Lage, auch diese Umstände zu beherrschen und unfallfrei zu fliegen, "aber es ist nur vernünftig, dass man nicht alles gleich zulässt".

Geschwindigkeitsunterschiede

In Vikersund nahmen lediglich 17 Frauen am Skifliegen teil, eine Qualifikation war nicht erforderlich. Auf Groß- und Normalschanzen sind im Weltcup für gewöhnlich rund 50 Springerinnen mit von der Partie. Wohl aus gutem Grund. Stecher gibt Anton Innauer recht, der zu besonderer Vorsicht beim Skifliegen der Frauen rät, weil die Gefahr schwerer Verletzungen aus verschiedenen Gründen höher sei. Stecher gab als Beispiel die Anfahrtsgeschwindigkeit zu bedenken. In Vikersund lag sie bei den Männern abhängig vom gewählten Gate überwiegend bei unter 100 Stundenkilometern (etwa bei Stefan Kraft 99,2 km/h von Gate zehn aus), bei den Frauen jedoch wegen des notwendigerweise deutlich längeren Anlaufs mit bis zu 104,8 km/h (bei der Kanadierin Alexandria Loutitt von Gate 21) klar darüber.

Sportchef Stecher redet einer bedachten Entwicklung des Frauenskispringens das Wort, "es ist gut, wenn es Step by Step geht." Tatsächlich war in der nun endenden Saison neben dem Skifliegen in Vikersund auch die Premiere der Frauen auf der Flugschanze in Oberstdorf geplant gewesen. Die wurde aus verschiedenen Gründen abgesagt. Auch die nur "halbe Vierschanzentournee" mit den Springen in Garmisch-Partenkirchen und Oberstdorf, Two Nights Tournament genannt, liegt vielen Springerinnen noch im Magen. Während die Männer ihre Tournee in Innsbruck und Bischofshofen beendeten und Sieger Ryōyū Kobayashi den Goldenen Adler stemmte, sprangen die Frauen auf der Normalschanze in Villach nicht einmal mehr um die Goldene Eule, die in den beiden Saisonen davor für den Gesamtsieg bei vier Springen in Ljubno, Slowenien, und Villach rund um den Neujahrstag ausgelobt gewesen war.

Pinkelnigs Zorn

Auch das mag noch eine Rolle gespielt haben, als Eva Pinkelnig am vergangenen Wochenende über den Stellenwert der Skispringerinnen im Weltcup klagte. "Es ist sehr viel passiert in den letzten Wochen und Monaten. Wir kriegen immer wieder gesagt, was wir alles nicht können und nicht dürfen. Es sind immer wieder Entscheidungen, die unglaublich schwer nachzuvollziehen sind. Nicht nur, was Skispringen anbelangt, sondern auch das Rundherum."

Mario Stecher und Eva Pinkelnig
Mario Stecher und Eva Pinkelnig verstehen sich prinzipiell gut.
APA/GEORG HOCHMUTH

Besonders verärgert war die Vorarlbergerin, dass ein am Samstag wegen ungünstiger Windverhältnisse abgesagtes Fliegen der Frauen nicht tags darauf nachgeholt wurde, während die Männer am Sonntag drei Bewerbsflüge absolvieren durften. Pinkelnigs Kritik an der Jury, die ihrer Meinung nach bei der Bemessung der Anlauflänge zu zögerlich war, erklärt sich für Sportdirektor Stecher auch aus ihrer persönlichen Enttäuschung, in Vikersund nicht die 200-Meter-Marke geknackt zu haben. Dass die Jury in manchen Fällen tatsächlich nicht nachvollziehbare Entscheidungen getroffen hat, räumt Stecher ein. "Da müssen wir sicher darüber reden." (Sigi Lützow, 20.3.2024)