Mehr als 4.000 Arbeitsplätze, knapp 14.000 errichtete Wohnungen, ein Projektvolumen von 6,3 Milliarden Euro: In Anlageprospekten nennt sich die Soravia-Gruppe mit Hauptsitz im dritten Wiener Bezirk gern einen der "führenden Immobilienprojektentwickler in Österreich, Deutschland und Mittel- und Osteuropa".

Doch die tiefe Krise auf dem Immobilienmarkt, zuletzt vom spektakulären Kollaps von René Benkos Signa verschärft, geht auch an diesem wichtigen Akteur keineswegs vorbei, dessen Geschicke seit fünf Generationen von der gleichnamigen Familie bestimmt werden.

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Der "Austro Tower" in Wien-Landstraße ist das Hauptquartier der Soravia.
ATP und SORAVIA

In Deutschland wurde kürzlich eine wichtige Finanzierungstochter der Soravia insolvent. Eine weitere Deutschland-Tochter, die Gelder für Soravia-Projekte von Anlegern einsammelt, musste zu Jahresende 2023 einräumen, dass sie die Zinszahlungen auf ihre Anleihen vorübergehend nicht leisten könne. Zugleich mussten Großprojekte nahe München und Berlin wegen gescheiterter Finanzierung abgeblasen werden. Dazu findet seit Monaten offenbar eine tiefgehende Umstrukturierung im Konzern statt – zum Ärger vieler Soravia-Anleger, die sich uninformiert und übergangen fühlen.

Uninformiert und übergangen

Was ist los bei der Soravia? Alles begann Ende vergangenen Jahres. Da informierte die deutsche One Group darüber, dass sie ihre Zinszahlungen an rund 11.000 Anleihehalter sogenannter Namensschuldverschreibungen vorübergehend einstelle. Die One Group, seit dem Jahr 2020 eine Tochter der Soravia, ist eine Fondsgesellschaft in Hamburg, die Geld von Investoren sammelt, um es in Neubauprojekte zu stecken. Vom Ausfall der Zinszahlungen betroffen sind Investments in Höhe von rund 409 Millionen Euro. Der Schritt sei notwendig, weil man "Optionen zur Verbesserung der Liquidität" prüfen und "in der aktuellen Marktphase handlungsfähig bleiben" müsse, begründete die One Group die Aussetzung. Ob eine solche überhaupt zulässig ist, wenn einem Unternehmen nicht unmittelbar die Insolvenz droht, gilt unter Juristen und Anlegerschützern als umstritten – Soravia hat den Schritt jedenfalls gesetzt.

Die nächste schlechte Nachricht folgte Mitte März, ebenfalls aus Deutschland, wo es auf dem Immobilienmarkt noch stärker kriselt als in Österreich. Es geht um eine Firma namens SC Finance Four GmbH (SC steht für Soravia Capital). Deren Aufgabe: jene Investorengelder, die über die One Group eingesammelt werden, an spezifische Bauprojekte zuzuweisen. Diese SC Finance Four hat vor dem Amtsgericht Offenbach nahe Frankfurt einen Antrag auf Insolvenz mit Eigenverwaltung gestellt. "Zinserhöhungen und gestiegene Finanzierungskosten führten de facto zu einem Transaktionsstillstand", begründete Soravia per Presseaussendung die Pleite. Zugleich betont der Konzern, dass man "auch in Krisenzeiten solide aufgestellt" sei. Die Probleme würden "punktuell" nur wenige Gesellschaften betreffen.

Wütende Anleger

Trotzdem dürften tausende Soravia-Anleger, vornehmlich aus Deutschland, nun um Teile ihrer Investments umfallen – und sie sind wütend. Unter anderem, weil Soravia seit Monaten auch den Konzern umbaut. Die problematischen Unternehmen wurden aus der Firmengruppe herausgenommen – möglicherweise, sagen Kritiker, um den Kern von Soravia vor etwaigen Folgen der Pleite abzuschirmen.

Dazu muss man wissen, dass Soravia zu gleichen Teilen den beiden Privatstiftungen des Brüderpaars Hanno und Erwin Soravia gehört. Unterhalb der beiden Stiftungen hängen die Hauptbestandteile des Konzerns, die Soravia Group und die Soravia Investment Holding. Die nunmehr kriselnde Hamburger One Group war bisher unmittelbar unter der Soravia Investment Holding angesiedelt – also ein unzweifelhafter Bestandteil des Konzerns.

Anfänglich unbemerkt von Öffentlichkeit und Anlegern fand allerdings Mitte Februar eine umfassende Verschiebung statt: Die One Group ist seither laut deutschem Handelsregister nicht mehr unter dem Dach der Soravia zu finden, sondern gehört zu einer Firma namens ZH24 Beteiligungs zwei GmbH mit Sitz in der Soravia-Konzernzentrale im dritten Wiener Bezirk. Diese ZH24 ist ebenfalls den Privatstiftungen der Soravia-Brüder zurechenbar. Heißt, die One Group ist, wenn man so will, aus dem Konzern entfernt worden, ohne den wirtschaftlichen Eigentümer zu wechseln.

Rausschmiss aus dem Konzern

Zur selben ZH24 wanderte im Februar auch noch ein zweites Unternehmen: eben jene SC Finance Four, die Mitte März Insolvenz angemeldet hat. Auch sie war zuvor im Zentrum des Soravia-Konzerns zu finden. Die insolvente Deutschland-Tochter hat nun also – zumindest formell – nichts mehr mit der Soravia zu tun, ebenso wenig wie die One Group. "Problemfonds werden offenbar in eine Art Bad Bank ausgelagert", schließt das deutsche "Handelsblatt" aus den Vorgängen. Von "Bad Bank" spricht man, wenn Finanzinstitute eigene Gesellschaften gründen, in die sie etwa faule Kredite packen, zur Abwicklung.

Auch abseits der Umstrukturierung gibt es Aktivitäten bei den kriselnden Unternehmen, die darauf hindeuten, dass Soravia möglichst viele Verbindungen zu ihren Ex-Töchtern kappen will. So trat bereits Ende Dezember Carlo Soravia – Sohn von Senior-Chef Hanno und zugleich jener Mann, der bei der Soravia das Investitionsgeschäft verantwortet – als Geschäftsführer der SC Finance Four ab. Völlig offen ist zudem die Frage, warum das Insolvenzverfahren in der Stadt Offenbach läuft. Denn eigentlich sollte es in Hamburg stattfinden, wo das Unternehmen laut deutschem Handelsregister seinen Sitz hat.

"Großes Warnsignal"

Es sei ein "großes Warnsignal, wenn vor einer Insolvenz noch schnell der Sitz geändert wird", urteilt dazu der deutsche Finanzblogger Stefan Loipfinger. "Es besteht ein enormes Risiko der 'asymmetrischen Schadensverteilung', wie das in der Szene genannt wird." Heißt, der Konzern könnte versuchen davonzukommen und Schäden auf Anleger abzuwälzen.

Was meint Soravia zu all dem? In einer Stellungnahme dem STANDARD gegenüber sagt die Konzernsprecherin zur umstrittenen Umstrukturierung, dass diese "schon lange geplant" gewesen und "ein in Konzernen üblicher Prozess" sei. Die One Group, wiewohl zuvor ein Teil der Soravia, sei "nicht operativ in die Soravia-Gruppe" integriert gewesen. Der Hintergedanke der Ausgliederung sei nicht nur "Risikodiversifikation", schreibt die Sprecherin – sondern auch das "unternehmerische Ziel, das Geschäft der One Group (...) als Dienstleistung für Dritte attraktiv auszugestalten und frei am Markt agieren und wachsen zu können".

Und die Insolvenz in Offenbach statt in Hamburg? Die habe schlicht den Grund, dass man "ein profiliertes Team an Unternehmensberatern und spezialisierten Anwälten" gefunden habe, das sich der insolventen Firma annehme – und dieses habe seinen "Tätigkeitsschwerpunkt" eben in Offenbach, sagt Soravia. Den Vorwurf, eine Art Bad Bank einzurichten, weist man bei Soravia also zurück, ohne dies in der Stellungnahme direkt zu benennen. Ob die Verschiebungen in jüngster Zeit wirklich keinerlei Auswirkungen auf die Anleger und ihre Investments haben, wird sich jedenfalls in den kommenden Wochen zeigen. (Joseph Gepp, 20.3.2024)