Die israelische Filmemacherin Taliya Finkel mit ihrem Protagonisten Dr. Nasser Kotby im Film „Anna and the Egyptian Doctor”.
Die israelische Regisseurin Taliya Finkel mit ihrem Hauptprotagonisten Dr. Nasser Kotby in ihrem Film "Anna and the Egyptian Doctor".
Taliya Finkel Productions

Seit die israelische Filmemacherin Taliya Finkel vor elf Jahren in der Zeitung "Haaretz" über Mohamed "Mod" Helmy und Anna Boros las, ließ sie diese Geschichte nicht mehr los. Helmy war ein junger ägyptischer Arzt, der in den 1920er-Jahren zur Ausbildung nach Berlin kam, sich in eine Deutsche verliebte, sie heiratete und auch nach der NS-Machtergreifung weiterpraktizierte. Er rettete seine junge jüdische Assistentin Anna Boros, indem er sie als Muslima ausgab und schließlich in einem Dorf außerhalb von Berlin in einem Schuppen versteckte. Als sogenannten "hamit" tolerierten die Nazis den muslimischen Araber – und sie brauchten ihn als Arzt.

Als dieses Schicksal Jahrzehnte später bekannt wurde, nahm die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem Helmy 2013 posthum als "Gerechten unter den Völkern" auf – der einzige Araber, der diese Ehre erhielt. Doch keiner seiner Angehörigen in Ägypten war bereit, die Würdigung durch den Staat Israel in Empfang zu nehmen. Die Urkunde blieb daher in der Schublade liegen.

Ein erster TV-Film

Finkel machte aus diesem fast unglaublichen Drama die TV-Doku "Mohamed and Anna: In Plain Sight" für das israelische Fernsehen, die vor allem in deutschen Schulen häufig gezeigt wurde. Kurz vor der Fertigstellung stieß sie 2017 auf jenen Mann, der sie dazu brachte, die Geschichte ein zweites Mal zu verfilmen.

Mithilfe eines österreichischen Produzenten fand sie in Kairo den Arzt Nasser Kotby, Helmys Großneffen, der diesen in seiner Jugend als zweiten Vater betrachtete. Der 87-jährige Kotby war nach einigem Zögern sehr wohl bereit, die Urkunde für seinen Onkel anzunehmen. Finkel organisierte im Herbst 2017 die feierliche Übergabe im deutschen Außenministerium in Berlin, auf für Ägypten und Israel neutralem Boden, und filmte alles mit.

Auge in Auge mit dem Mufti

Das Ergebnis ist der Film "Anna and the Egyptian Doctor", der am Wochenende beim Jüdischen Filmfestival in Wien seine Europa-Premiere hatte. Was diesen Film auszeichnet, ist die ästhetisch interessante Animation, mit der Finkel zeigt, wie Helmy die Gestapo austrickste und Boros vor der Deportation und dem Tod bewahrte.

Besonders dramatisch ist eine animierte Szene, in der Helmy, der wegen unvorsichtiger Aussagen über Hitler eine Zeitlang im Gefängnis saß, wieder ins Gestapo-Hauptquartier gerufen wurde: Er und Boros saßen im nächsten Moment dem Mufti von Jerusalem, dem berüchtigten Antisemiten und Nazi-Freund Mohammed Amin al-Husseini, gegenüber, der eine medizinische Behandlung benötigte. Noch nie habe sie solche Angst gehabt, entdeckt zu werden, erzählte Boros später.

Ein absoluter Glücksgriff ist außerdem Nasser Kotby, der mit Charisma, Witz und Weisheit die 80 Filmminuten trägt. Dem Großneffen Helmys steht die Tochter von Anna Boros, die Amerikanerin Carla Greenspan, gegenüber, die mit Finkels Vermittlung Kotby trifft und über ihre Mutter erzählt.

Diplomatische Spielchen

Für die Premiere kam Kotby aus Kairo nach Wien und nahm an einem Publikumsgespräch teil, zu dem Greenspan per Zoom aus New York zugeschaltet wurde. Im Anschluss an den Film erzählte Kotby über seine Bewunderung für seinen Onkel und seinen festen Glauben, dass Menschlichkeit immer Priorität haben muss und dass Ärzte dafür eine besondere Verantwortung haben. "Was hat Dr. Helmy – in einem Wort – gemacht, als er Anna rettete", fragte er das Kinopublikum und gab selbst die Antwort: "Er hat Leiden verhindert."

Mitreißend sind schließlich die von Finkel gefilmten hektischen Telefonate vor der Übergabe der Urkunde von Yad Vashem in Berlin, denn Kotby bestand darauf, dass der ägyptische Botschafter an der Urkundenübergabe durch den israelischen Botschafter teilnimmt. "Entweder zwei Botschafter oder kein Botschafter, aber nicht einer", sagte er mehrmals und schimpfte über das "Missmanagement", als er von der ägyptischen Botschaft eine Absage erhielt. Schlussendlich war es ein junger ägyptischer Diplomat, der Kotby die für ihn notwendige politische Rückendeckung gab.

Was soll mit der Urkunde von Yad Vashem geschehen, wenn er nicht mehr lebt, wurde Kotby gefragt. Er hoffe auf eine kleine Gedenkstätte in Berlin, wo Helmy den Großteil seines Lebens verbracht hat. Vielleicht trägt dieser Film dazu bei, dass Kotbys Wunsch in Erfüllung geht. (Eric Frey, 20.3.2024)