Möge niemand sagen, dass sich bei Armin Wolf im "ZiB 2"-Studio nur Politikerinnen, Politiker oder Manager erklären müssen: Millionenerbin Marlene Engelhorn rechtfertigte sich Dienstagabend geduldig, warum sie 25 Millionen Euro so und nicht anders unters Volk bringt.

Seit Samstag tagt ja ein "guter Rat" von 50 Bürgerinnen und Bürgern, die bis zum Sommer darüber entscheiden sollen, wohin die 25 Millionen Euro gehen sollen, die die Germanistikstudentin und Nachfahrin des BASF-Konzerngründers aus ihrer Sicht eigentlich ungerechtfertigt geerbt hat, weil sie ja nichts dazu beitrug, außer ihrer Geburt in genau dieser Konstellation.

Millionenerbin Marlene Engelhorn in der
"Ich sehe nicht ein, dass sich andere Menschen über Parteispenden ihren Einfluss einkaufen. Also darf ich das auch nicht machen": Marlene Engelhorn in der "ZiB 2" bei Armin Wolf.
ORF ZiB 2 Screenshot

Warum nicht einfach dem Finanzminister überweisen?

Armin Wolf erklärt sein Tun in der "ZiB 2" häufig so: Er stellt Fragen stellvertretend für das Publikum. Und das könnte sich ja zum Beispiel fragen: Warum nimmt Engelhorn das Erbe überhaupt an, wenn sie es nicht will? Warum überweist sie es nicht einfach direkt ans Finanzministerium und damit das Bundesbudget, wenn sie ja Erbschafts- und Vermögenssteuern einfordert, die dann ihr Erbe auf denselben Weg brächten? Warum spendet sie es nicht einfach der Caritas, wenn das Geld der Gesellschaft zugute kommen soll?

Engelhorn antwortet blitzschnell wie geduldig, worum es ihr geht, und das ist hier nur eine grobe Zusammenfassung: Für strukturelle Probleme brauche es strukturelle Lösungen sagt sie. Das strukturelle Problem ist etwa Reichtum durch Erbe ohne Besteuerung und damit ohne Beitrag für das Gemeinwohl.

Wenn sie ihr Geld einfach verschenkt und "der Öffentlichkeit mit meinem Privatproblem unter Anführungszeichen nicht auf die Nerven geht", dann macht sie nicht auf dieses strukturelle Problem aufmerksam und drängt damit nicht auf Lösungen. Da müsse man "weiterdenken". "Wenn 20 Milliarden Euro pro Jahr steuerfrei vererbt werden, ist deutlich mehr zu holen, als ich zu bieten habe." Und Armin Wolf erinnert sie zur freiwilligen Überweisung an den Finanzminister: "Sie spenden ihre Einkommenssteuer ja auch nicht." Wolf: "Ich habe auch keine 25 Millionen Euro."

Warum keine Parteispende?

Wenn Engelhorn etwas bewegen will, wäre es nicht effizienter, eine Partei zu unterstützen, die für Vermögens- und Erbschaftssteuern eintritt? Sie will mit ihrer Variante darauf hinwirken, "dass eine gesamtgesellschaftliche Diskussion geführt werden muss. Ich will mir nicht die Ergebnisse kaufen, die ich will. Und ich sehe nicht ein, dass sich andere Menschen über Parteispenden ihren Einfluss einkaufen. Also darf ich das auch nicht machen."

Die Erbin bezeichnet sich selbst als überreich, aber was ist das eigentlich? So genau lasse sich das nicht definieren, den Begriff hat sie vom Ökonomen Martin Schürz und seinem Buch "Überreichtum". Und sie liefert doch gleich ihre Definition: "Der Moment, wo wirklich, wirklich große Summen an Geld in die Möglichkeit kippen, sich Einfluss zu erkaufen, dann kommen wir in die Machtfrage. Wenn es demokratiepolitischen Einfluss durch Vermögen geben kann, ohne Mandat, ohne Rechenschaftspflicht und Transparenz, dann sind wir im Überreichtum." Und das gelte für das eine Prozent der reichsten Menschen im Land – "aber ich bin keine Expertin", fügt sie an. Auch dafür bräuchte es demokratischen Diskurs.

ZIB 2: Marlene Engelhorn über ihr Erbe
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"Nicht über Hinterzimmer Lösungen kaufen"

Aber nutzt Engelhorn nicht gerade ihren Überreichtum, um die gesellschaftliche Debatte zu beeinflussen, also Macht auszuüben? "Ja, auf jeden Fall", antwortet sie: "Ich möchte diese Medienmacht, die ich bekomme, transparent nutzen. Ich werde ja überall eingeladen, weil ich vermögend bin, nicht weil ich Expertin wäre für irgendwas. Ich möchte den öffentlichen Weg nützen und nicht über die Hinterzimmer quasi kaufen, was für Lösungen ich gerne hätte."

Und warum verteilt Engelhorn eigentlich nur 90 Prozent ihres Erbes? Hier beginnt Engelhorn ihre Antwort ausnahmsweise nicht mit "Das ist richtig." Sondern: "Schlussendlich wird mein gesamtes Erbe rückverteilt", aber abzüglich ihrer derzeitigen Lebenshaltungskosten, weil sie momentan keine Erwerbsarbeit habe. Sie habe nur gesagt, sie werde "mindestens 90 Prozent" ihres Erbes "rückverteilen". "Schlussendlich wird es so nahe wie möglich an 100 Prozent kommen."

Aber was, wenn ihr "guter Rat" die 25 Millionen Euro an die EU-Grenzschutzagentur Frontex überweisen oder für Waffenkäufe für die Ukraine einsetzen will? "Lebensfeindliches ist ausgeschlossen", sagt sie. Ob Waffen für die Ukraine darunter fallen, will sie "nicht frei Schnauze" alleine entscheiden.

Aber: "Ich kann mir nicht vorstellen, dass etwas Lebensfeindliches passiert", sagt Engelhorn, die den Verzicht auf ihren Einspruch gegen einen Ratschluss erklärt hat. Dann könnte ein guter Rat extra doch teuer sein: "Wenn es so weit ist, können wir uns das wirklich anschauen, und da würde ich mir Expertise zur Seite holen, um das einordnen zu können. Aber ich gehe nicht davon aus. Ich habe großes Vertrauen in diese 50 Leute." (fid, 20.3.2024)