Schimmel an den Wänden, Wasser in Stiegenhäusern, offene Elektroinstallationen, zugemüllter Hof, Kinder mit Ausschlag aufgrund von Ungeziefer: Yilmaz Gülüm und Faris Rahoma berichteten am Dienstagabend im ORF-"Report" von Wohnungen in desolaten Zuständen, die trotz gefährlicher Mängel teuer an Flüchtlinge vermietet werden. Schon vor einigen Wochen deckten die ORF-Reporter auf, wie anerkannte Flüchtlinge aus Syrien in einem Haus in der Wiener Salzachstraße leben müssen und ausgebeutet werden.

Jetzt berichten sie von weiteren Gebäuden in ebenfalls verheerenden Zuständen, die ebenfalls vor allem an Flüchtlinge vermietet werden. Die Mieter – es geht neben der Salzachstraße um Häuser in der Wiener Othmargasse und am Margaretengürtel – wurden dazu gedrängt, Zusatzvereinbarungen zu unterschreiben, in denen sie diese Mängel akzeptieren.

Schimmel, feuchte Wände, desolate Zustände in Wohnungen, die an Flüchtlinge vermietet werden.
Schimmel, feuchte Wände, desolate Zustände in Wohnungen, die an Flüchtlinge vermietet werden.
Foto: ORF

Wie sind die Sendungsmacher auf die Zustände aufmerksam geworden? "Alles hat damit angefangen, dass die Sendung 'Konkret' eine Mail von einer Altmieterin in der Salzachstraße erhalten hat, weil das Gas im Gebäude abgedreht wurde. Robert Gordon hat angefangen zu recherchieren – Anfangs im Glauben, es handle sich um eine klassische Konsumentenschutzstory. Bald wurde dem Kollegen Gordon aber klar, dass mehr dahintersteckt, weshalb er den 'Report' auf das Gebäude aufmerksam gemacht hat", erzählt Yilmaz Gülüm dem STANDARD über den Beginn der Recherche.

Gülüm war dann gemeinsam mit Faris Rahoma vor Ort, "die Zustände waren bereits so desolat, dass wir Ende Februar nur zur Salzachstraße einen Beitrag gemacht haben. Dort haben uns die Mieter allerdings darauf hingewiesen, dass es weitere Gebäude gibt. In den Wochen nach der ersten Veröffentlichung haben wir dann intensiv recherchiert: Die Gebäude mehrfach besucht, Grundbuchauszüge organisiert, ins Firmenbuch geschaut und so weiter."

Wohnungen als Baustellen

"Die Wand ist so nass, dass mir Wasser entgegenkommt, wenn ich etwas montieren will", beschreibt ein Bewohner der Othmargasse die Mängel. Die Wohnungen wurden als Baustellen übergeben, es fehlt etwa die Heizung. Vermieter und Eigentümer hätten versprochen, sie zu renovieren. Dafür hätten sie auch Geld kassiert. Doch es blieb bei Versprechungen, renoviert wurde nichts. Und die Mieten würden fast nur in bar kassiert. 650 Euro bezahlt etwa ein Mieter für eine Einzimmerwohnung ohne funktionierende Heizung.

Schulbücher am Dachboden neben toten Tauben.
Schulbücher auf dem Dachboden neben toten Tauben.
Foto: ORF

Beratungseinrichtungen konnten bisher nicht helfen, erzählt ein Bewohner in der Salzachstraße. Vermieter und Hauseigentümer würden nicht auf Anfragen der Mieter reagieren, "sie kassieren, interessieren sich nur fürs Geld", sagt ein Betroffener. Demnächst findet ein Treffen mit der Mieterhilfe statt. "Die Mieterinnen und Mieter hoffen sehr darauf, dass die Missstände behoben werden. Mittels Mietzinsüberprüfung könnte man zumindest bei allen die Mieten dramatisch reduzieren", so Gülüm.

Fehlerhafte Mietverträge

Reklamationen würden ins Leere laufen, "es hebt keiner ab, auf E-Mails gibt es keine Reaktion, eingeschriebene Briefe werden angeblich nicht empfangen", erzählt ein Mieter im Haus am Margaretengürtel. Auch hier wohnen syrische Flüchtlinge, teils ohne Heizung. "Du kommst aus dem Krieg, bist fertig von der Flucht und hoffst, hier endlich in Frieden leben zu können", sagt einer, "wir sind ihnen ausgeliefert, das macht traurig."

Fehlerhaft sind nicht nur die Wohnungen, sondern auch der Mietvertrag. Die Wohnung ist etwa nur halb so groß wie im Mietvertrag angegeben, das WC ist am Gang und nicht wie im Vertrag angegeben in der Wohnung. Mieter mussten auch eine Zusatzvereinbarung unterschreiben, in der festgehalten wurde, dass die Wohnung "eventuell nicht der Kategorie entspricht, wie im Mietvertrag festgehalten", und auch, dass "die Wohnnutzfläche nicht gänzlich den Angaben im Mietvertrag entspricht".

Zusatzvereinbarung zum Mietvertrag.
Zusatzvereinbarung zum Mietvertrag.
Foto: ORF

Klagsdrohungen

Gülüm und Rahoma konfrontieren in der Sendung auch die Verantwortlichen, sie sind nicht nur für die Häuser in der Salzachstraße und in der Othmargasse zuständig, sondern auch für jenes am Wiener Margaretengürtel. "Überall gibt es Häuser, in denen es noch viel schlimmer ist": So reagiert der Chef der Immobilienfirma. Wenn es Mietverträge gebe, die nicht in Ordnung sind, dann seien sie nicht von ihm. Und er droht den ORF-Reportern mit Klage, darüber berichten die Sendungsmacher auch im Beitrag.

"Wir haben während der Recherchen mehrfach Klagsdrohungen erhalten. Bisher ist nichts eingegangen", so Gülüm, "wir lassen uns nicht einschüchtern und blicken rechtlichen Schritten gelassen entgegen. Wir haben gewissenhaft recherchiert und nach allen Kriterien der journalistischen Sorgfalt und Objektivität berichtet".

"Keine große Lobby"

Was sagt zu all dem die Politik? Die Wohnbausprecher von ÖVP und den Grünen wollten sich dazu im Beitrag nicht äußern, auch nicht die Wiener Wohnbau-Stadträtin. "Wir hätten uns erwartet, dass die verantwortlichen Politikerinnen und Politiker auf Bundes- bzw. Landesebene Stellung nehmen", so Gülüm dem STANDARD gegenüber, "die Missstände sind so gravierend, dass die Politik dazu nicht schweigen sollte. Warum das nicht passiert ist, ist eine gute Frage. Einerseits handelt es sich hierbei um eine Querschnittsmaterie – Strafrecht, Baupolizei, Finanzpolizei usw. –, was dazu führt, dass sich niemand so richtig verantwortlich zu fühlen scheint." Möglicherweise sei auch ein Faktor, "dass die Betroffenen nicht wahlberechtigt sind, keine große Lobby haben und auch in den Medien keine starke Stimme haben. Sagen wir mal so: Das erhöht das Interesse der Politik nicht unbedingt."

Öffentlicher Druck

Das Fazit der ORF-Redakteure: "Es scheint, dass sich für das Thema Elendsquartiere politisch niemand verantwortlich fühlt." Und damit bleibe das Geschäft mit dem Leid ein lukratives. Immerhin wurde im Haus am Wiener Margartengürtel mit der Renovierung des Dachs begonnen. Gülüm ist skeptisch: "Es bleibt abzuwarten, ob die Reparaturen ernst zu nehmen sind oder kosmetischer Natur bleiben. Die Hebebühne, die gestern angebracht wurde, ist heute schon wieder weg, wie uns Mieter sagen. Offenbar wurden bisher nur einige Ziegel eingesetzt – notwendig wäre hingegen eine umfassende Sanierung des Daches. Mal schauen, ob die noch passiert."

Was können Recherchen wie diese bewirken? "Öffentlichen Druck! Je mehr Menschen davon wissen, desto schwieriger wird es für die handelnden Personen die gleiche Masche bei ähnlichen Gebäuden abzuziehen", so Gülüm. "Und andererseits erzeugen solche Beiträge vielleicht auch eine gewisse Dynamik bei den Behörden." (Astrid Ebenführer, 20.3.2024)