Die Europäische Union will die Finanzhilfen und die Lieferung von Waffen und Munition für die Ukraine in den kommenden Wochen und Monaten deutlich ankurbeln und beschleunigen. Gleichzeitig wird der Export von Agrarprodukten des Landes in den EU-Binnenmarkt wieder eingeschränkt. Das sind die wichtigsten und auf den ersten Blick widersprüchlichen Ziele des EU-Gipfels der 27 Staats- und Regierungschefs am Donnerstag und Freitag in Brüssel.

Weizen aus der Ukraine.
Weizen aus der Ukraine.
AP/Efrem Lukatsky

"Im dritten Jahr der Aggression Russlands gegen die Ukraine ist jetzt ein ausschlaggebender Moment eingetreten. Dringlichkeit, Intensität und unerschütterliche Entschlossenheit müssen unser Imperativ sein", warnte Charles Michel, der Ständige Präsident des Europäischen Rates, seine Kollegen in seinem Einladungsschreiben. Beim Treffen geht es um das konzertierte Vorgehen in Sachen Ukraine, aber auch eine umfassende Erklärung zu Israel und zum Krieg in Gaza ist geplant, ebenso eine Konkretisierung des Erweiterungsprozesses auf dem Westbalkan und in der Schwarzmeerregion. Als Gast wird der UN-Generalsekretär António Guterres erwartet.

Nach der Wiederwahl Wladimir Putins zum Präsidenten Russlands am Sonntag, der Verlängerung seiner Amtszeit bis 2030, erwarten Diplomaten eher eine Verschärfung des Krieges anstatt Entspannung. Auf Ministerebene war bereits vor dem Treffen im Kompromiss vereinbart worden, dass die EU fünf Milliarden Euro für Waffenkäufe aus dem Budget finanzieren kann. Allerdings sollen dabei auch bilaterale Lieferungen teils anerkannt werden können. Am Mittwoch wurde eine erste Tranche von 4,5 Milliarden Euro an Stabilisierungshilfen für die ukrainische Wirtschaft freigegeben.

Milliardenhilfen sofort

Aufgrund einer Initiative von Tschechien sollen so schnell wie möglich bis zu 1,5 Millionen Artilleriegranaten in die Ukraine geliefert werden. Die Regierung in Prag hat den Einkauf weltweit organisiert, mehrere Staaten beteiligen sich an der Finanzierung. EU-Außenbeauftragter Josep Borrell hat beantragt, dass 90 Prozent der Einnahmen aus beschlagnahmten russischen Vermögen in Europa für EU-Waffenkäufe verwendet werden. Moskau legte scharfen Protest ein.

Laut Michel werde es 2024 vor allem auch darum gehen, die europäische Rüstungsindustrie anzukurbeln. "Jahrzehntelang" sei in diesem Bereich zu wenig investiert worden in der Hoffnung auf eine funktionierende Friedensordnung in Europa. Nun müsse man sich darauf einstellen, die Armeen der Mitgliedsstaaten wieder "kriegsfähig" zu machen. Europa sei mit der größten Herausforderung an seine Sicherheit seit 1945 konfrontiert. Es müsse daher "radikale und konkrete Schritte" geben, um "verteidigungsfähig" zu werden, eine wirtschaftliche Basis für einen Krieg zu schaffen. Sprich: In die Rüstungsindustrie soll gezielt und gemeinsam investiert werden.

Das Thema und die umstrittenen Fragen, welche Rolle die einzelnen EU-Staaten dabei spielen bzw. spielen wollen oder nicht, dominiert seit Wochen die Schlagzeilen. Insbesondere in Deutschland tobt eine Debatte darüber, ob das Land alles unternehme, um der Ukraine bei der Verteidigung alle Mittel in die Hand zu geben, wobei Kanzler Olaf Scholz bremst. Auf EU-Ebene sind es vor allem die baltischen Staaten und Polen sowie Frankreich, die ein deutlich stärkeres militärisches Engagement für die Ukraine verlangen.

In einem anderen Bereich, bei Exporten ukrainischer Agrarprodukte, ist es paradoxerweise genau umgekehrt. Nachdem die russische Marine gleich nach Kriegsbeginn 2022 den Export von Getreide über das Schwarze Meer blockiert hatte, reagierte die EU mit einem weitgehend freien Zugang zum Binnenmarkt. So sollte der Regierung in Kiew geholfen werden, diesen für sie wichtigen Wirtschaftszweig weiter bedienen zu können. Die Ukraine ist ein im Weltmaßstab sehr großer Erzeuger von Getreide. Insbesondere für die Ernährung in Afrika sind die Exporte von Weizen und anderen Agrarprodukten wichtig.

Schutz für EU-Bauern

Die exportierten Produkte sind viel billiger als die in EU-Staaten. Dadurch kam es zuletzt zu deutlichen Marktverzerrungen, Einbrüchen im Absatz vor allem in Polen und Frankreich – mit entsprechenden Protesten der Bauern. Nicht zuletzt, um diesen vor den EU-Wahlen entgegenzukommen, beschlossen die EU-27 auf Druck Frankreichs und Polens, nach zwei Jahren wieder Kontingentierungen einzuführen, konkret bei Honig, Eiern, Geflügel, Hafer, Mais und Grützegerste aus der Ukraine. Basis dafür sind die Exportmengen vor Kriegsbeginn.

Werden also bestimmte Mengen beim Export in EU-Staaten überschritten, werden wieder Zölle auf diese Produkte eingehoben, wie vor dem Krieg. Die Ausnahme bleibt nach wie vor Weizen, das wichtigste Exportprodukt der Ukraine. (Thomas Mayer aus Brüssel, 21.3.2024)